BAG, Urteil vom 23.10.2024 – 10 AZR 267/23
- Der von § 1 Abs. 2 VTV verwendete Begriff des (Bau-)Gewerbes ist als unbestimmter Rechtsbegriff unabhängig vom Begriffsverständnis in anderen Rechtsgebieten nach Sinn und Zweck der Vorschrift zu bestimmen. Er unterliegt – bedingt durch Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertungsmaßstäbe – dem Wandel der Zeit. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht entscheidend an (Rn. 21 f.).
- Betriebe der privaten Wohnungswirtschaft, die bauliche Tätigkeiten an Bestandsimmobilien innerhalb eines Konzerns erbringen, fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes, wenn die Ausübung der betrieblichen Tätigkeit einen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordert. Dies gilt auch, wenn sich die durch den Betrieb erzielte Wertschöpfung in anderen konzernangehörigen Gesellschaften realisiert (Rn. 23 f.).
- Zur Bestimmung der Merkmale eines Betriebs iSd. § 1 Abs. 2 VTV ist auf den allgemeinen Betriebsbegriff abzustellen, wie er insbesondere für das Betriebsverfassungs-recht entwickelt worden ist. Ausgehend vom Begriff der selbständigen Betriebsabteilung in § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 2 VTV sind mit Blick auf die Selbständigkeit der Betriebsführung und die erforderliche Entscheidungsgewalt in personellen und sozialen Angelegenheiten höhere Anforderungen an das Vorliegen eines eigen-ständigen Betriebs zu stellen (Rn. 47 ff.).
- Bei der „Vereinbarung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes und der Wohnungswirtschaft sowie der SOKA-Bau betreffend der Prüfung einer Beitragspflicht von Unternehmen der Wohnungswirtschaft zur SOKA-Bau“ vom 2. November 2020 (Verbändevereinbarung) handelt es sich nicht um einen Tarifvertrag, sondern um eine sonstige schuldrechtliche Vereinbarung. Diese wirkt sich auf die Allgemeinverbindlichkeit des VTV und die Geltung seiner Rechtsnormen für die von ihm erfassten Betriebe nicht aus (Rn. 61 ff.).
- Eine auf die Verbändevereinbarung gestützte Vollzugspraxis der Einzugsstelle, die entgegen den Regelungen des allgemeinverbindlichen VTV bestimmte Unternehmen vom Beitragseinzug ausnimmt, lässt die Beitragspflicht der tarifunterworfenen Arbeit-geber unberührt. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung kann hierauf nicht gestützt wer-den (Rn. 76).
- Das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe verstößt weder gegen Staatsstrukturbestimmungen noch gegen die Grundsätze des Sozial- und Abgabenrechts (Rn. 77 ff.).
(Orientierungssätze)