BGH, Urteil vom 10. Oktober 2024 – I ZR 108/22
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Verwendung der Angabe „Hautfreundlich“ in der Werbung für ein Desinfektionsmittel unzulässig ist.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte ist eine bundesweit tätige Drogeriemarktkette. Sie bot ein Desinfektionsmittel zum Verkauf an, bei dem es sich um ein Biozidprodukt im Sinne der Biozidverordnung handelt. Auf dem Etikett des Produkts befinden sich die Angaben: „Ökologisches Universal-Breitband Desinfektionsmittel“ sowie „Hautfreundlich – Bio – ohne Alkohol“.
Die Klägerin hält die Angabe wegen eines Verstoßes gegen die Biozidverordnung für unlauter. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und den Unterlassungsantrag hinsichtlich der Angabe „Hautfreundlich“ abgewiesen.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Unterlassungsantrag hinsichtlich der Werbeaussage „Hautfreundlich“ weiter.
Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 20. April 2023 (GRUR 2023, 831) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Frage zur Auslegung von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozidverordnung) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dieser hat die Frage mit Urteil vom 20. Juni 2024 (C-296/23, GRUR 2024, 1226) beantwortet.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Die Revision hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben, soweit es zum Nachteil der Klägerin ausgefallen war und die stattgebende Entscheidung des Landgerichts wiederhergestellt. Die Angabe „Hautfreundlich“ zur Bezeichnung eines Desinfektionsmittels fällt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts als „ähnlicher Hinweis“ unter das Verbot des Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Biozidverordnung. Der Klägerin steht daher unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1, § 3a UWG ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Angabe „Hautfreundlich“ hebt eine positive Eigenschaft des beworbenen Desinfektionsmittels hervor und ist dadurch geeignet, die Risiken des Biozidprodukts zu verharmlosen. Die Betonung der positiven Eigenschaft steht zudem im Widerspruch zu dem von der Biozidverordnung verfolgten Ziel, den Einsatz von Biozidprodukten zu minimieren.
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe – Urteil vom 25. März 2021 – 14 O 61/20 KfH
OLG Karlsruhe – Urteil vom 8. Juni 2022 – 6 U 95/21
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 3 Abs. 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
§ 3a Abs. 1 UWG
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG
Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
Art. 72 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012
(3) In der Werbung für Biozidprodukte darf das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten.
Karlsruhe, den 10. Oktober 2024
BGH, PM Nr. 194/2024 vom 10.10.2024