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Niedersächsisches FG: Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen

1. Die als Existenzgrundlage im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG verstandene materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen umfasst den wesentlichen Teil seines Vermögens oder seiner Arbeitskraft, die es ihm ermöglicht, einen nachhaltigen Ertrag zu erzielen.

2. Eine Gefahr für die Existenzgrundlage und die Fähigkeit zur Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist jedenfalls bei der Berührung des steuerlichen Existenzminimums anzunehmen.

3. Eine Gefahr für die Existenzgrundlage und die Fähigkeit zur Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse ist über die Berührung des Existenzminimums hinaus auch anzunehmen, wenn der Verlust von mindestens 85 % des ertragbringenden Vermögens des Steuerpflichtigen droht.

4. Der übliche Rahmen im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG beschreibt nicht das sozialrechtlich Notwendige, sondern das innerhalb der Vergleichsgruppe des Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands Übliche.

5. Der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist nicht der allgemeine Rechtssatz zu entnehmen, dass Prozesskosten im Zusammenhang mit Erbstreitigkeiten oder Schenkungen den existentiellen Bereich des Steuerpflichtigen nicht zu berühren vermögen.

6. Der Verlust der Existenzgrundlage im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG erfordert keinen dauerhaften Verlust der materiellen Lebensgrundlage.

7. Die Zwangsläufigkeit von Zivilprozesskosten im Anschluss an eine Schenkung entfällt nicht deshalb, weil die Schenkungsannahme auf einem freien Willensentschluss des Steuerpflichtigen beruht.

Niedersächsisches FG, Urteil vom 15.5.2024 – 9 K 28/23

(Amtliche Leitsätze)

Volltext BB-Online BBL2024-2326-1