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BAG: Auskunftsanspruch – Kosten – Öffentlichkeitsarbeit – gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien

BAG, Urteil vom 13.3.2024 – 10 AZR 117/23

1. Soweit gegen die Sozialkassen des Maler- und Lackiererhandwerks – die Gemeinnützige Urlaubs- sowie die Zusatzversorgungskasse – Auskunftsansprüche wegen Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit geltend gemacht werden, fehlt es an ausdrücklich gesetzlich geregelten Ansprüchen. Solche folgen auch nicht aus dem IFG. Anspruchsverpflichtet sind danach nur Behörden des Bundes sowie sonstige Bundesorgane bzw. -einrichtungen, soweit öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrgenommen werden. Beides trifft auf die Sozialkassen nicht zu. Ebenso werden sie nicht durch eine Behörde zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsaufgaben herangezogen (Rn. 18 ff.).

2. Ein Auskunftsanspruch folgt auch nicht isoliert aus Art. 9 Abs. 3 GG, da Grundrechten in Rechtsstreitigkeiten unter Privaten nur mittelbare Drittwirkung im Sinn einer Ausstrahlungswirkung zukommt (Rn. 24).

3. Einem Arbeitgeberverband, der in Tarifkonkurrenz zu einer Tarifvertragspartei steht, die Träger einer Sozialkasse – hier im Maler- und Lackiererhandwerk – ist, steht kein Auskunftsanspruch gegen die Sozialkassen nach dem UWG zu. Zu Letzteren liegt bereits kein Wettbewerbsverhältnis vor. Im Übrigen sind die Bestimmungen des UWG mangels „geschäftlicher Handlungen“ nicht anwendbar, soweit es um Maßnahmen konkurrierender Tarifvertragsparteien geht (Rn. 25).

4. Ein auf § 242 BGB gestützter materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch erfordert eine besondere rechtliche Beziehung zwischen den Parteien, die Existenz eines Leistungsanspruchs des Auskunftsfordernden oder zumindest dessen Wahrscheinlichkeit, die entschuldbare Unkenntnis des Auskunftsfordernden über Bestehen und Umfang seiner Rechte sowie die Zumutbarkeit der Auskunftserteilung für den Anspruchsgegner. Außerdem dürfen die allgemeinen Beweisgrundsätze nicht unterlaufen werden (Rn. 27 f.).

5. Ein solcher Auskunftsanspruch kommt grundsätzlich auch bei Verletzung von Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG zur Vorbereitung von Schadensersatz- oder Unterlassungsansprüchen (§§ 823, 1004 BGB) in Betracht. Allerdings schützt Art. 9 Abs. 3 GG weder vor tariflicher Konkurrenz noch vor der Erstreckung von Tarifverträgen konkurrierender Tarifvertragsparteien auf Tarifaußenseiter durch eine Allgemeinverbindlicherklärung oder ein Gesetz wie das SokaSiG2 (Rn. 29 ff.).

6. Art. 9 Abs. 3 GG umfasst auch die Freiheit, nicht Mitglied einer Tarifvertragspartei zu sein. Sachliche Öffentlichkeitsarbeit der Sozialkassen vermittelt ebenso wenig einen unzulässigen Druck zum Verbandsbeitritt wie die Erstreckung der Sozialkassentarifverträge auf Tarifaußenseiter (Rn. 37 ff.).

7. Soweit ein Tarifaußenseiter meint, die von den Sozialkassen eingezogenen Beiträge würden rechtswidrig verwendet werden, weshalb eine Erstreckung der tariflichen Regelungen unzulässig sei, ist er grundsätzlich auf das Anhörungsverfahren nach § 5 Abs. 2 TVG bzw. das Verfahren nach § 98 Abs. 1 ArbGG zu verweisen. Dort können Bedenken mit Blick auf die Erstreckung der Sozialkassentarifverträge und der damit verbundenen vermeintlichen Verletzung eigener Rechte geltend gemacht werden. Auskunftsansprüchen fehlt es insoweit an der Erforderlichkeit (Rn. 41 ff.).

8. Soweit Sozialkassen ihre Öffentlichkeitsarbeit aus Beitragsmitteln der Arbeitgeber finanzieren, bewirkt das keinen Eingriff in deren Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG. Mit den Pflichtbeiträgen der Arbeitgeber sind tarifvertraglich festgelegte bzw. satzungsgemäße Aufgaben der Sozialkassen zu finanzieren. Dazu gehört auch eine angemessene Öffentlichkeitsarbeit. Hierzu sind die Sozialkassen im Rahmen der dem Vorstand durch die jeweils satzungsgemäß zugewiesene Kompetenz zur Geschäftsführung befugt (Rn. 44 ff.).

(Orientierungssätze)

1. Für ein Auskunftsverlangen beitragspflichtiger Arbeitgeber, anspruchs-berechtigter Arbeitnehmer oder „konkurrierender“ Arbeitgeberverbände gegen die Sozialkassen im Maler- und Lackiererhandwerk besteht keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage, auch nicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Auskunftsansprüche können sich aber nach allgemeinen Grundsätzen aus Treu und Glauben ergeben.

2. Die Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit der Sozialkassen des Maler- und Lackiererhandwerks folgt auch ohne explizite Regelung aus dem in der jeweiligen Satzung dem Vorstand zugewiesenen Aufgabenbereich der Geschäftsführung.

(Amtliche Leitsätze)