BAG, Urteil vom 20.3.2024 – 5 AZR 234/23;
ECLI:DE:BAG:2024:200324.U.5AZR234.23.0
1. Krankheit iSd. § 3 EFZG setzt einen regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustand des Arbeitnehmers voraus. Auf die Behandlungsbedürftigkeit kommt es nicht an. Da die SARS-CoV-2-Infektion einen regelwidrigen Körperzustand darstellt, ist sie eine Krankheit iSv. § 3 Abs. 1 EFZG (Rn. 11).
2. Arbeitsunfähigkeit liegt nicht nur vor, wenn der Arbeitnehmer infolge Krankheit seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann oder nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose hierdurch verhindert oder verzögert würde. Ein Arbeitnehmer ist vielmehr auch dann arbeitsunfähig, wenn er wegen der Erkrankung aus rechtlichen Gründen die Arbeitsleistung nicht erbringen kann, etwa weil für ihn aufgrund der Erkrankung ein Beschäftigungsverbot besteht oder wenn gegen ihn aufgrund einer ansteckenden Infektionskrankheit behördlich die Isolierung (Quarantäne) oder Absonderung angeordnet wurde (Rn. 13 f.).
3. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht grundsätzlich nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt darf nicht bereits aufgrund anderer Ursachen entfallen. Danach besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung auch bei einer symptomlosen SARS-CoV-2-Infektion und einer darauf beruhenden Quarantäneanordnung. Der Kausalzusammenhang ist gewahrt, weil die Absonderungsanordnung ihrerseits unmittelbare Folge der Erkrankung ist. Sie ist kein weiterer, paralleler Umstand, der für sich allein gesehen Grund der Arbeitsverhinderung sein könnte (Rn. 16 f.).
4. Der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 3 Abs. 1 EFZG wird nicht durch einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG ausgeschlossen, wenn durch die zuständige Behörde eine infektionsschutzrechtliche Isolierung (Quarantäne) angeordnet wird und zeitgleich krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit iSd. § 3 EFZG besteht. Der Entschädigungsanspruch ist gegenüber dem Entgeltfortzahlungsanspruch subsidiär (Rn. 18 ff.).
5. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines den Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ausschließenden Verschuldens trägt der Arbeitgeber, denn er macht eine anspruchshindernde Einwendung geltend. Der Maßstab für die richterliche Überzeugungsbildung hinsichtlich einer schuldhaften Verursachung
der Arbeitsunfähigkeit ergibt sich aus § 286 ZPO. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch ist deshalb nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG nur dann ausgeschlossen, wenn das Tatsachengericht iSv. § 286 ZPO davon überzeugt ist, dass ein schuldhaftes Verhalten oder Unterlassen des Arbeitnehmers Ursache der Arbeitsunfähigkeit ist. Aus § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG lassen sich für ungeimpfte Arbeitnehmer, die infolge einer SARS-CoV-2-Infektion arbeitsunfähig sind, keine erleichterten Kausalitätsanforderungen ableiten (Rn. 25 ff.).
EFZG § 3 Abs. 1 Satz 1; BGB § 275 Abs. 1; IfSG § 56 Abs. 1; ZPO § 286
(Orientierungssätze)