BFH, Urteil vom 7.2.2024 – I R 8/19
1. NV: Teilt ein Investmentfonds (hier: eine Luxemburger SICAV) Bundesanleihen, die in seinem Vermögensbestand enthalten sind, in Zinsscheine und Anleihemäntel (sogenanntes Bondstripping) und veräußert er sodann die isolierten Zinsscheine, sind nach der Rechtslage des Jahres 2011 bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) den Zinsscheinen keine Anschaffungskosten aus dem Erwerb der Bundesanleihen zuzuordnen; die Anschaffungskosten entfallen ausschließlich auf die Stammrechte (Anschluss an die Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 30.11.2022 – VIII R 15/19, BFHE 279, 85, BStBl II 2023, 632 und vom 30.11.2022 – VIII R 30/20, BFHE 279, 99, BStBl II 2023, 638).
2. NV: Ob es sich bei einer Zuwendung einer ausländischen Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter um eine Ausschüttung oder um eine Rückzahlung von Grundkapital oder eine Einlagenrückgewähr handelt, bestimmt sich nach dem für die betreffende Gesellschaft jeweils anzuwendenden ausländischen Gesellschaftsrecht. Die Ermittlung des ausländischen Rechts obliegt im Finanzgerichtsprozess dem Finanzgericht. Der BFH ist im Rahmen des § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung an dessen Feststellungen und Auslegung wie an Tatsachenfeststellungen gebunden.
3. NV: Nach der Rechtslage des Jahres 2011 sind Ausschüttungen einer Luxemburger SICAV an eine inländische KGaA, der mindestens 25 % der stimmberechtigten Anteile an der SICAV gehören, wegen des sogenannten abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs des DBA-Luxemburg 1958/2009 von der Besteuerung im Inland ausgenommen (Bestätigung des Senatsurteils vom 15.03.2021 – I R 1/18, Betriebs-Berater 2021, 2337). Die Steuerfreiheit erstreckt sich auf den Gewinnanteil einer KG als persönlich haftender Gesellschafterin der KGaA, auch soweit es sich bei den Gesellschaftern der KG nicht um Kapitalgesellschaften handelt (Bestätigung des Senatsurteils vom 01.06.2022 – I R 44/18, BFHE 277, 263).
4. NV: Nach der ab 2008 geltenden Fassung des § 42 der Abgabenordnung verdrängen einzelsteuergesetzliche Vorschriften zur Verhinderung von Steuerumgehungen (hier: § 15b EStG) dessen Anwendung nur dann, wenn sie tatbestandlich einschlägig sind. Allerdings müssen bei der Prüfung des Vorliegens eines Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten diejenigen Wertungen des Gesetzgebers, die den von ihm geschaffenen einzelsteuergesetzlichen Umgehungsverhinderungsvorschriften zugrunde liegen, zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Rahmen der Auslegung berücksichtigt werden (Bestätigung des Senatsurteils vom 17.11.2020 – I R 2/18, BFHE 271, 330, BStBl II 2021, 580).
(Amtliche Leitsätze)