Urteil vom 21. März 2024, Az. L 3 U 62/23: Der 3. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG) hat sich in seiner Entscheidung mit der Frage befasst, ob ein Jäger, der sich beim Zerlegen eines einige Tage zuvor geschossenen Hirsches verletzt, Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung beanspruchen kann.
Der zum Unfallzeitpunkt 43-jährige Kläger ist Inhaber eines sogenannten Jagdbegehungsscheins für ein im Spreewald gelegenes Jagdrevier. Danach ist es ihm gestattet, gemeinsam und in Absprache mit den beiden Pächtern des Reviers dort der Jagd nachzugehen. Als Gegenleistung für die Jagderlaubnis unterstützt er die Pächter bei einer Reihe von Aufgaben, die im Zusammenhang mit der Jagd anfallen, unter anderem beim sogenannten „Zerwirken“ (Zerlegen) des Wildes.
Einer der Pächter des Jagdreviers hatte im August 2021 einen etwa 200 kg schweren Hirsch geschossen. Sechs Tage später begab sich dieser Pächter zusammen mit dem Kläger zu der Kühlkammer, in die der erlegte Hirsch gebracht und mit Hilfe einer Seilwinde aufgehängt worden war. Als beide sich gemeinsam daran machten, dem Tier das Fell abzuziehen, stürzte dieses von der Decke und begrub den Kläger unter sich. Dabei durchtrennte sich der Kläger mit dem Schlachtermesser eine Sehne der Hand und musste notfallmäßig operiert werden.
Die Berufsgenossenschaft lehnte es ab, dieses Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen und für die Behandlung des Klägers aufzukommen. Als Begehungsscheininhaber sei der Kläger lediglich Jagdgast und falle insoweit nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Er sei zum Zeitpunkt des Unfalls auch nicht „wie ein Beschäftigter“ tätig geworden, sondern habe eigene, persönliche Interessen verfolgt. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Cottbus (SG) blieb ohne Erfolg.
Das LSG hat die Entscheidung des SG nunmehr mit Urteil vom 21. März 2024 bestätigt. Der Jagdgast sei bei seinem Gang ins Revier – im Gegensatz zum Jagdpächter eines Reviers – bereits von Gesetzes wegen nicht unfallversichert. Hier habe sich der Unfall allerdings nicht im Jagdrevier selbst, sondern erst sechs Tage später in der Kühlkammer ereignet. Vorliegend sei der Kläger zum Unfallzeitpunkt auch nicht als sogenannter „Wie-Beschäftigter“ versichert gewesen. Er habe mit dem Zerwirken des Hirsches eine Tätigkeit verrichtet, die im Zusammenhang mit der Ausübung seines Hobbies, der Jagdleidenschaft, stehe und die daher nicht „arbeitnehmerähnlich“ sei. Zudem hätten sich der Jagdpächter und er das Fleisch des Hirsches zur jeweils eigenen Verwendung teilen wollen. Sie hätten mithin beim „Zerwirken“ in erster Linie aus eigenem Interesse gehandelt. Schließlich seien beide freundschaftlich miteinander verbunden. Sie hätten ein gemeinsames Hobby ausgeübt und sich bei den hierzu erforderlichen Vor- und Nachbereitungshandlungen gegenseitig unterstützt, wie es eben im Rahmen einer Freundschaft selbstverständlich erwartet werde. Diese „Sonderbeziehung“ sei nicht vereinbar mit der Stellung eines Arbeitnehmers.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Der unterlegene Kläger kann beim Bundessozialgericht die Zulassung der Revision beantragen.
Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Sie wird als Anhang zu dieser Pressemitteilung veröffentlicht, sobald sie den Beteiligten zugestellt wurde.
Zum rechtlichen Hintergrund:
Maßgebliche Vorschrift ist § 2 Abs. 2 S. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Dort heißt es: „Ferner sind Personen versichert, die wie nach Abs. 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden.“ Nach Abs. 1 Nr. 1 sind versichert: „Beschäftigte“.
Weiterhin ist maßgeblich § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Hiernach sind unter anderem solche Personen kraft Gesetzes nicht versichert, die aufgrund einer vom Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Jagdgast jagen.
(Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, PM Nr. 20240326 v. 26.03.2024)