BAG, Urteil vom 15. 11. 2023 – 10 AZR 288/22; ECLI:DE:BAG:2023:151123.U.10AZR288.22.0
1. Eine alternative Klagehäufung ist mit dem Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen, vereinbar, wenn die Klagepartei im Lauf des Verfahrens – jedenfalls konkludent – eine Reihenfolge vorgibt, nach der das Gericht über die Streitgegenstände entscheiden soll (Rn. 17).
2. Die einer Eventualklagehäufung zugrunde liegende Bedingung muss nicht zwingend das Unterliegen oder Obsiegen mit dem Hauptantrag sein. Sie kann auch darin liegen, dass das Gericht im Rahmen seiner Entscheidung über den Hauptantrag eine Rechtsfrage in einer bestimmten Weise beantwortet (Rn. 18).
3. Eine vertragliche Vereinbarung, die der Arbeitgeberin bei der Gewährung eines Bonus freies Ermessen einräumt, weicht vom gesetzlichen Leitbild des § 315 Abs. 1 BGB ab, weil das Korrektiv der vollen gerichtlichen Kontrolle der Leistungsbestimmung fehlt. Darin liegt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 1 BGB (Rn. 24).
4. Ein arbeitsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der nicht auf den Entstehungsgrund etwaiger Ansprüche abstellt und damit auch spätere Individualabreden iSv. § 305b BGB erfasst, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (Rn. 29).
5. Die Betriebsparteien können die von ihnen geschlossenen Betriebsvereinbarungen für die Zukunft abändern und auch Regelungen aufnehmen, die sich für die erfassten Beschäftigten als ungünstiger erweisen. Kommt den Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung Rückwirkung zu, indem sie sich auf bereits entstandene Ansprüche auswirken, sind diese Regelungen nur wirksam, wenn sie mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit vereinbar sind (Rn. 35).
6. Der Anspruch auf eine Sonderzahlung, die auch Gegenleistung für bereits erbrachte Arbeitsleistung ist, kann regelmäßig nicht von einer Stichtagsregelung in einer Betriebsvereinbarung abhängig gemacht werden, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des Bezugszeitraums voraussetzt. Eine solche Norm ist unwirksam, weil sie Arbeitnehmern bereits verdiente Vergütung entzieht und ihnen ihr Kündigungsrecht erschwert (Rn. 55 ff.).
(Orientierungssätze)