Bereits zum achten Mal fand die BB-Konferenz Stiftungen in Frankfurt am Main statt, diesmal aufgrund der Corona-Pandemie als Hybridveranstaltung. Ein Teil der Teilnehmer hat sich in einem Hotel in Frankfurt am Main unter strenger Beachtung der Abstandsregeln getroffen und andere Teilnehmer konnten sich online dazuschalten. Im Vordergrund stand der gerade veröffentlichte Referentenentwurf zur Stiftungsreform, der immer wieder in die Fachdiskussionen einfloss.
Bedeutende Entscheidungen
Nach der Begrüßung durch Marion Gertzen, Verlagsleiterin, und durch den Tagungsleiter Dr. Christian von Oertzen1 präsentierte Prof. Stefan Stolte2 im ersten Fachvortrag für die praktische Stiftungsarbeit bedeutende Entscheidungen aus der Rechtsprechung. In einer Entscheidung des OVG Schleswig v. 21.3.20193 bzw. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts v. 4.11.2019 ging es um dieZulässigkeit einer von einer Stiftung in Verbindung mit einer testamentarischen Zustiftung beantragten Satzungsänderung zur Möglichkeit, eine Vergütung an den Vorstand zahlen zu dürfen. Es ging um die Frage, ob eine testamentarische Zustiftung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse sei und damit die Satzungsänderung rechtfertige. Eine Satzungsänderung wurde mit der Begründung abgelehnt, dass sie als solche widersprüchlich formuliert sei, weil die Satzungsklausel einerseits eine ehrenamtliche Tätigkeit festlege, aber in Ausnahmefällen eine angemes-sene Aufwandsentschädigung zulässig sein sollte, was in sich widersprüchlich sei. Mit der Entscheidung kommt zum Ausdruck, dass die derzeitige rechtliche Lage hinsichtlich der Zulässigkeit von Satzungsänderungen nicht transparent ist. Insoweit stellte sich die Frage, ob mit der Stiftungsreform in § 85 BGB-RE nunmehr eine praktikablere Regelung zur Verfügung steht. Zumindest hat der Stifter zukünftig die Möglichkeit, bei Errichtung in der sog. Errichtungssatzung ausdrücklich die Voraussetzungen einer Satzungsänderung zu regeln und vom BGB-RE abzuweichen. In einem Urteil des LG München v. 13.3.20194 gab es Streit darüber, ob ein Stiftungsvorstand durch den Stiftungszweck in seiner Vertretungsmacht beschränkt werden könne. Nach Einführung des Stiftungsregisters i. R. d. Stiftungsreform können Grenzen der Vertretungsmacht dort eingetragen werden.
Rechtsprechung zur Stiftungsaufsicht
Angelo Winkler5 ergänzte dies mit seinem Vortrag „Stiftungen in der Rechtsprechung – Stiftungsaufsicht“ und gab einen berblick über die Perspektive von Stiftungsaufsichten. Grundsätzlich übt eine Stiftungsaufsicht nur Rechtsaufsicht aus, d. h. sie prüft nur die Zweckerfüllung und den Vermögenserhalt. Zudem ist sie nur subsidiär, d. h. vorrangig soll die Stiftung selbst entscheiden. Jahresberichte einer Stiftung haben die Funktion, für die Stiftung selbst Rechenschaft abzulegen. Für die Aufsichtsbehörden sind sie zentrale Informationsquelle. Die Anwendung repressiver Aufsichtsmittel setzt einen konkreten Rechtsverstoß voraus. Es gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, d. h. erst muss ein milderes Mittel angewendet werden. Zur Veranschaulichung stellte Herr Winkler noch einige Beispiele aus der Rechtsprechung dar, in denen über Aufsichtsmaßnahmen Uneinigkeit bestand. In der anschließenden Panel-Diskussion mit Dr. Stolte und Herrn Winkler ging es nicht nur um die praktischen Hilfen im Stiftungsalltag, sondern auch um die geplante Stiftungsreform. Klarheit bringt sie zu einigen bisher durch die Rechtsprechung entschiedenen Themen, wie z. B. zu der Frage, ob das Stiftungsgeschäft bei Einbringung eines Grundstücks in eine Stiftung der notariellen Beurkundung bedarf oder zur Verwendung von Umschichtungsgewinnen. Mit der Möglichkeit, Satzungsänderungen in der Satzung auch abweichend vom BGB-RE vorzugeben, steigt die Bedeutung einer sorgfältigenSatzungsgestaltung für den Stifter in der sog. Errichtungssatzung, sowie die gute Beratung.
Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht
Im nächsten Vortrag stellte Harald Bott6 aktuelle Rechtsprechung zum Gemeinnützigkeitsund Spendenrecht vor. Aufsehen erregte insbesondere eine Entscheidung des FG Düsseldorf v. 28.10.20197 über die Gemeinnützigkeit eines Betriebskindergartens. In diesem Fall wurde die Gemeinnützigkeit versagt, weil eine vorrangige Aufnahme von Mitarbeiterkindern des Betriebskindergartens vorgegeben war und nur bei überschüssigen Plätzen andere Kinder aufgenommen werden könnten. Nach dem FG Düsseldorf ist der Kindergarten mangels Förderung der Allgemeinheit nicht mehr als gemeinnützig anzusehen. In einer weiteren Entscheidung des BFH v. 22.8.20198 hatten Gesellschafter einer gGmbH hohe Spenden an eine gGmbH geleistet. Diese wiederum gewährte mit ihren finanziellen Mitteln ein Darlehen an eine Personengesellschaft, an der wiederum die Gesellschafter der gGmbH beteiligt waren. Der gGmbH wurde der Gemeinnützigkeitsstatus versagt, weil sie zur mittelbaren Gesellschafterfinanzierung der Personengesellschaft eingesetzt und eine erhebliche Steuerersparnis durch den Spendenabzug vermittelt wurde. Für die Praxis auch ein wichtiges Urteil ist die BFH-Entscheidung v. 12.3.20209 zur Angemessenheit von Geschäftsführervergütungen. Hier betonte der BFH noch einmal, dass ein externer Fremdvergleich erforderlich sei und dass insoweit eine Vergleichbarkeit mit Vergütungen von Wirtschaftsunternehmen zulässig sei.
Rechnungslegung und Zweifelsfragen
Dr. Reinhard Berndt10 referierte über „Aktuelles aus der Rechnungslegung und Zweifelsfragen“. Er stellte insbesondere einen berblick über die wesentlichen Hilfen und Maßnahmen zur Besteuerung von gemeinnützigen Körperschaften aufgrund der COVID-19-Pandemie dar, wie z. B. das BMF-Schreiben v. 9.4.2020 und 26.5.2020. Des Weiteren wies er darauf hin, dass auch Beschlüsse in Stiftungen während der Pandemie durch das Umlaufverfahren wirksam beschlossen werden können.11 Zur Diskussion führte insbesondere die Entscheidung des BGH v. 27.11.2019,12 wonach aufgrund der EuGH-Rechtsprechung die Vergütung von Aufsichtsräten nicht zu einer umsatzsteuerlich selbstständigen Tätigkeit führt. Dies gilt auch für Mitglieder von Beiräten in Stiftungen. Des Weiteren wies er auf die Neuerungen der Stiftungsreform zur Aufgliederung des Vermögens der Stiftung in § 83c BGB-RE hin. In der darauffolgenden Panel-Diskussion diskutierte Christian von Oertzen über die Möglichkeit, aufgrund fallender Kurse eine Abschreibung vorzunehmen und unter welchen Bedingungen das Niedrigwertprinzip anzuwenden sei.
Kooperation gemeinnütziger Stiftungen
Dr.Christian von Oertzen schloss mit seinem Vortrag über die Kooperation gemeinnütziger Stiftungen an. Insbesondere die Zulegung und Zusammenlegung sind in den letzten Jahren für Stiftungen immer relevanter geworden. Nach dem bisherigen Stiftungsrecht war es immer eine Frage des Einzelfalls, ob eine Zulegung oder Zusammenlegung stiftungsrechtlich zulässig war. Nunmehr soll dies in den §§ 86 ff. BGB-RE einheitlich im BGB geregelt werden. Voraussetzungen werden aber nach wie vor eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse sein sowie der Vorrang einer Satzungsänderung. Vorteil ist, dass eine Gesamtrechtsnachfolge gegeben ist, so dass z. B. auch kein Sperrjahr oder eine lange Liquidationsphase erforderlich ist.
Stiftungsarbeit in der Pandemie von A–Z
Den Schlussvortrag hielt Dr. Tanja Schienke-Ohletz13 und skizzierte die Stiftungsarbeit in der Pandemie von A–Z, angefangen bei A wie Angemessenheit von Verwaltungskosten bis hin zu Z wie Zuwendungsbestätigungen. Stiftungen müssen sich vielfältigen Herausforderungen stellen, wie z. B. auch F wie Förderzusagen: Wie gehen Stiftungen mit Förderzusagen um, die sie gegeben haben, aber aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage nicht mehr erfüllen? Oder wie wirkt es sich aus, wenn eine Förderzusage gegeben wurde, aber das zu fördernde Projekt nicht mehr existiert? In der anschließenden Panel-Diskussion wurde noch einmal diskutiert, inwiefern die bisherigen Maßnahmen der Finanzverwaltung für die Stiftungen ausreichen, um durch die Krise zu kommen. Insbesondere wird hier sicherlich kritisiert werden, dass die Stiftungsaufsichten und die Finanzverwaltungen nicht abgestimmt vorgehen, so dass z. B. auch viele Maßnahmen stiftungsrechtlich gar nicht zulässig sind, aber steuerrechtliche von der Finanzverwaltung akzeptiert werden.
Nach der Fachkonferenz bleibt die Hoffnung, dass wir im nächsten Jahr uns wieder alle sorglos persönlich treffen dürfen, aber auch die Gewissheit, dass Stiftungen, nicht nur in Krisenzeiten, eine immer größere Bedeutung haben. Vielleicht gibt es schon bis zur Stiftungskonferenz im Herbst 2021 ein fertiges neues Stiftungsrecht. Fest steht: Es bleibt spannend!
Rechtsanwältin Dr. Tanja Schienke-Ohletz
1) Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Partner der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg Partnerschaft mbB Frankfurt am Main.
2) Rechtsanwalt und Mitglied der Geschäftsleitung des DSZ – Deutsches Stiftungszentrum GmbH im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.
3) 3 LB 1/17.
4) 29 O 3129/14.
5) Ministerialrat a. D., ehemals Leiter des Referats Verwaltungsverfahren, Datenschutz, Wiedergutmachung und Archivwesen, Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt Magdeburg.
6) Diplom-Finanzwirt, Ministerialrat und Leiter des Referats Kasse und Rechnungswesen im Hessischen Ministerium der Finanzen.
7) 6 K 94/16 K.
8) V R 67/16, BB 2019, 3040 ff.
9) V R 5/17, BB 2020, 2335 ff.
10) Wirtschaftsprüfer, Partner der BDO K ln.
11) Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19 Pandemie im Zivil-, Insolvenzund Strafverfahrensrecht v. 28.3.2020.
12) V R 23/19, BB 2020, 1180 ff.
13) Assoziierte Partnerin bei Flick Gocke Schaumburg Partnerschaft mbB, Frankfurt am Main.