BFH, Urteil vom 12.7.2023 – XI R 5/21
1. Falls ein Leistungsempfänger bereits zur Vornahme des Vorsteuerabzugs berechtigt ist, obwohl beim leistenden Unternehmer aufgrund der Gestattung der Ist-Besteuerung noch keine Umsatzsteuer entstanden ist, beruht dies umsatzsteuerrechtlich nicht auf einer missbräuchlichen Gestaltung durch die am Leistungsaustausch beteiligten Steuerpflichtigen, sondern auf einer unzutreffenden Umsetzung oder Anwendung des Art. 167 MwStSystRL durch den Mitgliedstaat Deutschland.
2. Es bleibt offen, ob der Begriff „geschuldet“ im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG im Lichte des EuGH-Urteils Grundstücksgemeinschaft Kollaustraße 136 – C-9/20 (EU:C:2022:88, Rz 49) sowie der Art. 167, Art. 179 Satz 1 MwStSystRL eine zeitliche Komponente enthält und deshalb dahin gehend zu verstehen ist, dass die Umsatzsteuer vom Leistenden schon geschuldet werden muss, um vom Leistungsempfänger als Vorsteuer abgezogen werden zu können (und daher vom Leistungsempfänger noch nicht abgezogen werden darf, solange sie vom Leistenden noch nicht geschuldet wird).
(Amtliche Leitsätze)
Volltext BB-Online BBL2023-2901-3