Bei der zweiten öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum von der Bundesregierung eingebrachten Wachstumschancengesetz (20/8628) standen am Montagnachmittag die Doppelbesteuerung der Renten und die erhöhten steuerlichen Abschreibungen beim Kauf von Wohnimmobilien im Fokus. Das Gesetz sieht zahlreiche Maßnahmen vor. In der zweiten Anhörung sollten jene im Fokus stehen, die nicht primär der steuerlichen Entlastung von Unternehmen dienen.
Die mögliche doppelte Besteuerung von Renten ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2002 beschlossen hat, die Besteuerung der Renten auf eine nachgelagerte Besteuerung umzustellen. Demnach sollen Renten künftig verstärkt der Einkommensteuer unterliegen. Einzahlungen in die Rentenkasse während des Erwerbslebens hingegen sollen künftig nicht mehr versteuert werden, um eine doppelte Besteuerung zu vermeiden.
„Der Gesetzgeber hat sich für einen langfristigen Übergang entschieden, um auch in der Phase des Wechsels die doppelte Besteuerung zu vermeiden“, erklärte der auf Vorschlag der FDP-Fraktion geladene Sachverständige Gregor Kirchhof, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht sowie Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Steuerrecht der Universität Augsburg, in seiner Stellungnahme. Bis 2040 sollen nach geltender Rechtslage die Beiträge der Arbeitnehmer sukzessive vom zu versteuernden Einkommen abzugsfähig werden und die Rentenzahlungen besteuert werden.
Da die getroffenen Regelungen die Doppelbesteuerung aber nicht vollständig vermeiden, hat die Ampel-Koalition mit dem Jahressteuergesetz 2022 bereits nachgebessert, wie Kirchhof schreibt. Darauf baue der Entwurf für das Wachstumschancengesetz auf und verlängere den Übergang zur vollständig nachgelagerten Besteuerung bis ins Jahr 2058.
Der von der SPD-Fraktion vorgeschlagene Sachverständige Dirk Kiesewetter, Inhaber des Lehrstuhls für BWL und Betriebliche Steuerlehre an der Universität Würzburg, urteilte zu dem Vorhaben der Ampel-Koalition: „Die Maßnahme ist rechtstechnisch einfach umzusetzen und ist geeignet, das bestehende Problem der Doppelbesteuerung zu reduzieren.“ Gleichwohl sei sie nicht ausreichend, um eine Doppelbesteuerung in allen Fällen zu beseitigen. Insbesondere Selbständige und Angestellte mit hohen Einkommen und Beitragszahlungen seien potenziell weiterhin von einer Doppelbesteuerung betroffen. Kiesewetter sprach sich dafür aus, im Gesetzentwurf weitere Maßnahmen vorzunehmen, um die Doppelbesteuerung zu vermeiden.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), geladen auf Vorschlag der Fraktion Die Linke, begrüßte, „dass die Bundesregierung die Zweifachbesteuerung bei Renten endlich ausschließen möchte“, kritisierte aber den Ansatz im Wachstumschancengesetz. Stattdessen spricht sich der DGB insbesondere für ein gesondertes Gesetzgebungsverfahren und einen Gesamtvorschlag zur Lösung des Problems aus.
Dem widersprach der Bund der Steuerzahler, der auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion geladen war. „Es muss jetzt etwas getan werden“, forderte dessen Vertreter in der Anhörung und thematisierte dabei auch die Bestandsrentner. In seiner schriftlichen Stellungnahme unterbreitet der Bund der Steuerzahler ein eigenes Konzept zur Vermeidung von Doppelbesteuerung.
Ein weiteres zentrales Thema der Anhörung war die im Gesetzentwurf vorgesehene erhöhte Abschreibungsmöglichkeit im Bereich von Wohnimmobilien. Hierzu und zu weiteren Themen äußerten sich die weiteren geladenen Sachverständigen. Auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion waren neben dem Bund der Steuerzahler der Zentrale Immobilien Ausschuss und die Bundessteuerberaterkammer geladen. Die SPD-Fraktion hatte neben Professor Dirk Kiesewetter die Professorin Christine Osterloh-Konrad vorgeschlagen, die an der Universität Tübingen den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Steuerrecht sowie Rechtsphilosophie innehat.
(Quelle: hib 812/2023 vom 6.11.2023)