© IMAGO / Steinach

EuGH: Bedingungen für die Erteilung einer Zulassung für die Eröffnung und den Betrieb eines Steuerlagers durch einen zugelassenen Lagerinhaber

– Art. 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Grundsatz ne bis in idem – Verhältnismäßigkeit

EuGH, Urteil vom 14.9.2023 – C-820/21

Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG in Verbindung mit dem Grundsatz

der Verhältnismäßigkeit ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die bei einer Zuwiderhandlung gegen die Verbrauchsteuerregelung, die nach dieser Regelung als schwer gilt, kumulativ zu einem wegen desselben Sachverhalts bereits verhängten Bußgeld den Entzug der Zulassung für den Betrieb eines Steuerlagers vorsieht, dann nicht entgegensteht, wenn dieser Entzug u. a. in Anbetracht seiner Endgültigkeit keine Maßnahme darstellt, die außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung steht.

Sollten diese beiden Sanktionen strafrechtlichen Charakter haben, ist Art. 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass er einer solchen nationalen Regelung nicht entgegensteht, sofern folgende Voraussetzungen vorliegen:

– Die Möglichkeit einer Kumulierung dieser beiden Sanktionen ist gesetzlich vorgesehen;

– die nationale Regelung ermöglicht es nicht, denselben Sachverhalt aufgrund desselben Verstoßes oder zur Verfolgung desselben Ziels zu verfolgen und zu ahn-den, sondern sieht nur die Möglichkeit einer Kumulierung von Verfolgungsmaßnahmen und Sanktionen aufgrund unterschiedlicher Regelungen vor;

– mit diesen Verfolgungsmaßnahmen und Sanktionen werden komplementäre Ziele verfolgt, die gegebenenfalls unterschiedliche Aspekte desselben rechtswidrigen Verhaltens betreffen;

– es gibt klare und präzise Regeln, anhand deren sich vorhersehen lässt, bei welchen Handlungen und Unterlassungen eine Kumulierung von Verfolgungsmaßnahmen und Sanktionen in Frage kommt, und die eine Koordinierung zwischen den verschiedenen Behörden ermöglichen; die beiden Verfahren wurden in hinreichend koordinierter Weise und in einem engen zeitlichen Zusammenhang geführt; die gegebenenfalls im Rahmen des chronologisch zuerst geführten Verfahrens verhängte Sanktion wurde bei der Bestimmung der zweiten Sanktion berücksichtigt, so dass die Belastungen, die sich aus einer solchen Kumulierung für die Betroffenen ergeben, auf das zwingend Erforderliche beschränkt bleiben und die Gesamtheit der verhängten Sanktionen der Schwere der begangenen Straftaten entspricht.

(Tenor)

Volltext BB-Online BB-ONLINE BBL2023-2390-1