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EU-Kommission: Neue Vorschläge für die Kapitalmarktunion – Privatanleger besser schützen und so Investitionen steigern

Die Kommission hat ein Paket von Vorschlägen vorgelegt, um die Interessen von Verbrauchern bei Investitionen stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Es soll Privatanleger in die Lage versetzen, Anlageentscheidungen zu treffen, die ihren Bedürfnissen und Präferenzen entsprechen. Die Gesetzesvorschläge sollen auch sicherstellen, dass Verbraucher fair behandelt werden und angemessen geschützt sind. Das Vertrauen von Kleinanlegern und ihre Bereitschaft zu investieren soll so gestärkt werden. Valdis Dombrovskis, Exekutiv-Vizepräsident für Wirtschaft sagte: „Wenn es um Anlageentscheidungen geht, erhalten die europäischen Verbraucher bislang nicht das beste Angebot. Dies spielt aber eine Rolle, wenn wir private Investitionen zur Finanzierung der EU-Wirtschaft insgesamt mobilisieren möchten.“

Dombrovskis führte weiter aus: „Aus diesem Grund legen wir heute die Messlatte für sachkundige, unvoreingenommene und unkomplizierte Beratung für Anlageprodukte noch höher, damit die Menschen mit ihrem Geld die beste Rendite erzielen können. Größeres Vertrauen ermutigt die Menschen auch dazu, mehr in die europäischen Kapitalmärkte zu investieren; zudem wird dafür gesorgt, dass die Verbraucher geschützt sind und fair behandelt werden. Darüber hinaus wird das Paket dazu beitragen, dass der europäische Anlagesektor für Kleinanleger wettbewerbsfähig bleibt. Dies ist ein zentrales Ziel der Kapitalmarktunion.“

Mairead McGuinness, Kommissarin für Finanzdienstleistungen fügte hinzu: „Wir wollen die europäischen Bürgerinnen und Bürger ermutigen, ihr Geld für sich arbeiten zu lassen, indem sie einen Teil ihrer Ersparnisse investieren. Die Europäerinnen und Europäer sparen viel, investieren aber weniger, und diese Strategie für Kleinanleger zielt darauf ab, das Investitionspotenzial von Ersparnissen zu erschließen. Dies lässt sich am besten erreichen, indem sichergestellt wird, dass die Bürgerinnen und Bürger besser informiert sind, ihnen ein faireres Angebot zur Verfügung steht und sie besser in der Lage sind, ihre langfristigen finanziellen Ziele zu erreichen. Mit dieser Initiative werden den Kleinanlegern echte Vorteile geboten und die Interessen, der Schutz und die Anlageziele der Kleinanleger in den Mittelpunkt gestellt.“

Eines der drei Hauptziele des Aktionsplans 2020 für die Kapitalmarktunion er Kommission bestand darin, die EU als Anlageplatz noch sichererer für die langfristige Anlagetätigkeit der Bürger zu machen. Das am 24.5.2023 vorgelegte Paket zielt darauf ab, dieses Ziel zu erreichen und die Teilnahme an den EU-Kapitalmärkten zu fördern. Sie fällt im Vergleich zu anderen Ländern wie den Vereinigten Staaten traditionell geringer aus, wenngleich die Sparquoten der Europäer sehr hoch sind.  Die Förderung der Kapitalmarktunion ist auch ein wesentliches Mittel, um private Finanzmittel in unsere Wirtschaft zu lenken und den ökologischen und digitalen Wandel zu finanzieren.

Das Paket im Einzelnen

Das Paket umfasst ehrgeizige und weitreichende Maßnahmen, mit denen Folgendes erreicht werden soll: 

  • Verbesserung der Art und Weise, wie Kleinanlegern Informationen über Anlageprodukte und -dienstleistungen bereitgestellt werden, sodass sie aussagekräftigere und standardisierte Informationen erhalten, indem die Offenlegungsvorschriften an das digitale Zeitalter und die wachsende Präferenz der Anleger für nachhaltige Investitionen angepasst werden;
  • mehr Transparenz und bessere Vergleichbarkeit der Kosten, indem ein Standardformat und eine einheitliche Wortwahl verwendet werden müssen. Dies wird gewährleisten, dass Anlageprodukte den Kleinanlegern ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis bieten;
  • Alle Kleinanleger sollen mindestens einmal jährlich einen klaren Überblick über die Anlageentwicklung ihres Portfolios erhalten; 
  • potenzieller Interessenkonflikte beim Vertrieb von Anlageprodukten bewältigen, indem Anreize für reine Verkäufe (d. h. ohne Beratung) verboten werden, und gewährleisten, dass die Finanzberatung mit den Interessen der Kleinanleger im Einklang steht. Auch in Bereichen, in denen Anreize zulässig sind, werden strengere Schutzvorkehrungen eingeführt und die Transparenz erhöht;
  • Schutz der Kleinanleger vor irreführenden Marketingpraktiken, indem sichergestellt wird, dass Finanzintermediäre (d. h. Berater) in vollem Umfang für die Nutzung (und den Missbrauch) ihrer Marketing-Mitteilungen verantwortlich sind, auch wenn diese über soziale Medien oder über Prominente oder andere Dritte, die dafür eine Vergütung oder Anreize erhalten, verbreitet werden;
  • Wahrung hoher Standards hinsichtlich der beruflichen Qualifikation von Finanzberatern;
  • Stärkung der Verbraucher, damit diese bessere finanzielle Entscheidungen treffen können, indem die Mitgliedstaaten ermutigt werden, nationale Maßnahmen umzusetzen, um die Finanzkompetenz der Bürger unabhängig von ihrem Alter und ihrem sozialen und Bildungsstand zu fördern;
  • Abbau des Verwaltungsaufwands und Verbesserung der Zugänglichkeit von Produkten und Dienstleistungen für erfahrene Kleinanleger, indem die Kriterien für die Anerkennung als professioneller Anleger verhältnismäßiger gestaltet werden;
  • Die aufsichtliche Zusammenarbeit soll verbessert werden, damit die zuständigen nationalen Behörden und die Europäischen Aufsichtsbehörden leichter sicherstellen können, dass die Vorschriften in der gesamten EU ordnungsgemäß, wirksam und einheitlich angewandt werden, und um gemeinsam Betrug und Fehlverhalten zu bekämpfen. 

Umfangreiche Gesetzesänderungen

Das am 24.5.2023 vorgelegte Paket hat einen weit gefassten Anwendungsbereich und berücksichtigt den gesamten Investitionsprozess auf Verbraucherseite. Es besteht aus einer Änderungsrichtlinie, mit der die bestehenden Vorschriften der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II), der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD), der Richtlinie über Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMD) und der Richtlinie über die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) überarbeitet werden, sowie aus einer Änderungsverordnung, mit der die Verordnung über Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP) überarbeitet wird.

Hintergrund

Die Anlegerschutzvorschriften sind derzeit in verschiedenen sektorspezifischen Rechtsinstrumenten festgelegt, u. a. in der MiFID, der PRIIP-Verordnung, der OGAW-Richtlinie, der AIFM-Richtlinie, Solvabilität II und der IDD. Die Vorschriften können von Finanzinstrument zu Finanzinstrument unterschiedlich und mitunter inkohärent sein, wodurch die kumulativen Anforderungen an Kleinanleger verwirrend sind. Zugleich hat die Digitalisierung zu Veränderungen bei den Vertriebsmodellen und zu neuen Vertriebsformen für Finanzinstrumente für Kleinanleger geführt.

In den vergangenen drei Jahren hat die Kommission die Faktengrundlage für die heutigen Vorschläge geprüft, auch eine eingehende Studie zu den wichtigsten Kleinanlegerfragen (Offenlegungen, Beratung, Anreize, Eignung) und umfassende öffentliche Konsultationen. Sie hat die Europäischen Aufsichtsbehörden um Stellungnahme ersucht und zu zahlreichen Interessenträgern Kontakt aufgenommen. 

(PM EU-Kommission – Vertretung in Deutschland – vom 24.5.2023)