EuGH, Urteil vom 16.2.2023 – C‑707/20
1. Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, die nur auf Konzerne anwendbar ist, nicht in seinen Anwendungsbereich fällt.
2. Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, wonach eine Veräußerung von Vermögenswerten durch eine Gesellschaft mit steuerlichem Sitz in einem Mitgliedstaat an eine Schwestergesellschaft mit steuerlichem Sitz in einem Drittland, die nicht über eine ständige Niederlassung in diesem Mitgliedstaat Geschäfte betreibt, sofort besteuert wird, wenn diese beiden Gesellschaften 100%ige Tochtergesellschaften einer in einem anderen Mitgliedstaat steuerlich ansässigen gemeinsamen Muttergesellschaft sind, während eine solche Veräußerung steuerlich neutral wäre, wenn auch die Schwestergesellschaft im ersten Mitgliedstaat steuerlich ansässig wäre oder dort über eine ständige Niederlassung Geschäfte betreiben würde, keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit der Muttergesellschaft nach Art. 49 AEUV darstellt.
3. Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine Beschränkung des Rechts auf Niederlassungsfreiheit, die sich daraus ergibt, dass inländische und grenzüberschreitende entgeltliche Veräußerungen von Vermögenswerten innerhalb eines Konzerns aufgrund einer nationalen Regelung, wonach die Veräußerung von Vermögenswerten durch eine Gesellschaft mit steuerlichem Sitz in einem Mitgliedstaat sofort besteuert wird, unterschiedlich behandelt werden, grundsätzlich wegen des Erfordernisses der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt sein kann, ohne dass die Möglichkeit eines Aufschubs der Steuerzahlung vorgesehen werden müsste, um die Verhältnismäßigkeit dieser Beschränkung zu gewährleisten, wenn der betreffende Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Veräußerung der Vermögenswerte einen Betrag erhalten hat, der deren vollem Marktwert entspricht.
Volltext BB-Online BBL2023-470-1