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BAG: Hypotax-Verfahren bei vorübergehender Auslandsentsendung 

Das BAG hat mit Urteil vom 7.9.2022 – 5 AZR 128/22 – wie folgt entschieden:  

1. Bei einer Bruttolohnvereinbarung beinhaltet die arbeitsrechtliche Vergütungspflicht nicht nur die Nettoauszahlung, sondern umfasst auch die Leistungen, die nicht in einer unmittelbaren Auszahlung an den Arbeitnehmer bestehen. Abzug und Abführung von Lohnbestandteilen betreffen im Regelfall des im Inland durchgeführten Arbeitsverhältnisses nur die Frage, wie der Arbeitgeber seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer erfüllt (Rn. 67). 

2. Wenn während einer vorübergehenden Auslandsentsendung der Arbeitnehmer im Einsatzland steuerpflichtig ist und ein kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit normativ geltender Tarifvertrag eine Bruttovergütung vorsieht, erfüllt der Arbeitgeber den darauf gerichteten Anspruch des Arbeitnehmers nicht (teilweise) durch den Einbehalt der lediglich hypothetisch in Deutschland zu entrichtenden Lohnsteuer, die er nicht an die deutschen Finanzbehörden abführt (Rn. 59, 68). 

3. Während einer Auslandsentsendung gezahlte Zulagen, die nach ihrer vertraglichen Grundlage eigenständige Zwecke verfolgen und die nicht im inneren Zusammenhang mit dem für die „bloße“ Arbeitsleistung geschuldeten Tariflohn stehen, erfüllen den Anspruch des Arbeitnehmers auf eine tarifliche Bruttovergütung nicht. Solche eigenständigen Zwecke können zB in der ggf. pauschalierten Abgeltung von finanziellem Mehraufwand oder sonstigen Belastungen durch die Tätigkeit im Ausland liegen (Rn. 69 ff.). 

4. Bei sog. Hypotax- oder Steuerausgleichsverfahren handelt es sich üblicherweise um Nettolohnvereinbarungen besonderer Art. Der Arbeitnehmer soll bei Vereinbarung derartiger Verfahren während einer Auslandstätigkeit trotz Steuerpflicht im Einsatzland weiter die Nettovergütung erhalten, die er bei hypothetischer Weitergeltung des deutschen Steuerrechts beziehen würde. Dies kann vertraglich – wie vorliegend – als Berechnungsweg für die zu zahlende Nettovergütung geregelt werden. Wenn mangels beiderseitiger Tarifgebundenheit kein normativer Anspruch des Arbeitnehmers auf eine tariflich vorgesehene Bruttovergütung besteht, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer abweichend hiervon für die Zeit einer Auslandsentsendung ein solches Verfahren – auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen – vereinbaren und durchführen (Rn. 50 ff.).

(Orientierungssätze)