BAG, Urteil vom 12.10.2022 – 10 AZR 341/20; ECLI:DE:BAG:2022:121022.U.10AZR341.20.0
1. Eine Gesamtheit nach § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV liegt vor, wenn eine Gruppe von Arbeitnehmern – ggf. in wechselnden kleineren Einheiten – koordiniert und aufeinander abgestimmt außerhalb der stationären Betriebsstätte arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Arbeiten ausführt. Die Annahme einer Gesamtheit setzt nicht voraus, dass in der Betriebsstätte gewerbliche Arbeitnehmer tätig werden müssen. Entscheidend ist, dass die Arbeitnehmer der Gesamtheit selbst außerhalb einer stationären Betriebsstätte tätig werden und funktional einen Baubetrieb bilden, nicht aber, wie die Betriebsstätte organisiert ist (Rn. 23 ff., 28).
2. Die Koordinierung einer solchen Gesamtheit kann vor Ort stattfinden oder aus einer Betriebsstätte heraus und muss nicht zwingend durch eine eigene Leitung erfolgen.
Vielmehr kann die Gesamtheit auch durch den Geschäftsführer geführt werden, der zugleich den Betrieb insgesamt leitet (Rn. 26, 29 ff.).
3. Der VTV 2014 und 2015 ist zum 1. Januar 2019 durch den VTV 2018 nach allgemeinen tarifrechtlichen Grundsätzen abgelöst worden. Bereits entstandene Beitragsansprüche auf Grundlage der früheren VTV blieben davon unberührt, eine rückwirkende Aufhebung des VTV 2014 und 2015 ist nicht erfolgt (Rn. 43).
4. Durch § 21 Abs. 1 Satz 1 VTV 2018 ist die Verfallfrist für Ansprüche der Kasse gegen Arbeitgeber, die ab dem 1. Januar 2015 fällig geworden sind, auf drei Jahre verkürzt worden. Diese Verkürzung ist rechtlich unbedenklich. Auf Vertrauensschutzaspekte kann sich die Kasse als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien, die ausführendes Organ zur Umsetzung der tarifvertraglichen Regelungen ist, gegenüber tarifvertraglichen Regelungen nicht berufen. Die Geltung des VTV 2015 auf Grundlage des SokaSiG war bis zu dessen Ablösung begrenzt; eine Verkürzung der Verfallfristen auf einen davorliegenden Zeitraum nimmt der VTV 2018 nicht vor (Rn. 44 ff.).
(Orientierungssätze)