BAG: Wiedereinstellungsanspruch – Erlöschen in der Insolvenz – Unterbrechung und Aufnahme von Bestandsschutzstreitigkeiten im Insolvenzverfahren – Zwischenstreit

Das BAG hat mit Urteil vom 25.5.2022 – 6 AZR 224/21 – wie folgt entschieden:

1. Kündigungsschutzprozesse werden durch die Insolvenzeröffnung nach § 240 ZPO unterbrochen, wenn durch die Klage das Arbeitsverhältnis zur Masse aufrechterhalten werden soll (Rn. 18).

2. Unterbrochene Kündigungsschutzprozesse werden grundsätzlich von § 45 InsO nicht erfasst. Sie können nach § 240 Satz 1 ZPO iVm. § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO aufgenommen werden, wenn der Prozess zur Belastung der Masse führen kann. Insoweit genügt es, dass mittelbar Masseverbindlichkeiten begründet werden können (Rn. 21 ff., 25).

3. Sollen mit einer Kündigungsschutzklage nur noch Entgeltansprüche gesichert werden, die ausschließlich als Insolvenzforderungen zu befriedigen wären, kann der Rechtsstreit nur nach § 240 Satz 1 ZPO iVm. §§ 87, 174 ff. InsO und damit nach Durchführung des insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahrens aufgenommen werden (Rn. 22, 26).

4. Der von der Rechtsprechung zur Korrektur einer fehlerhaften Prognose über den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs bei betriebsbedingter Kündigung entwickelte Wiedereinstellungsanspruch (Rn. 30 ff.) besteht jedenfalls in der Insolvenz nicht. Der zur Durchsetzung dieses Anspruchs erforderliche Kontrahierungszwang ist mit der Systematik der Insolvenzordnung nicht vereinbar. Der Verwalter ist durch § 108 Abs. 1 InsO nur an bereits vom Schuldner begründete Arbeitsverhältnisse gebunden. Außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Bestimmung werden der Masse keine Arbeitsverhältnisse oktroyiert (Rn. 34 ff.).

5. Darum erlischt ein bereits gegen den späteren Schuldner oder einen Erwerber begründeter Anspruch auf Wiedereinstellung mit Insolvenzeröffnung (Rn. 29). Kündigt der Insolvenzverwalter ein Arbeitsverhältnis wirksam, das der Masse nach § 108 Abs. 1 InsO oktroyiert worden ist, entsteht auch bei späterem Betriebsübergang kein Wiedereinstellungsanspruch. Das gilt unabhängig davon, ob der Übergang vor oder nach Ende der Kündigungsfrist erfolgt (Rn. 36 ff.).

6. Ist Streitgegenstand eines Rechtsstreits ausschließlich der Wiedereinstellungsanspruch oder werden im Wege der objektiven Klagehäufung nur weitere Streitgegenstände ohne Massebezug verfolgt, wird der Rechtsstreit durch eine Insolvenzeröffnung nicht nach § 240 ZPO unterbrochen (Rn. 29).

7. Wird dagegen zusammen mit dem Wiedereinstellungsanspruch auch die Wirksamkeit einer Kündigung oder Befristung angegriffen, wird der Rechtsstreit nicht nur in Bezug auf die Bestandsstreitigkeit, sondern auch hinsichtlich des Wiedereinstellungsanspruchs unterbrochen (Rn. 29).

8. Wird in einem Zwischenurteil in einem Streit über eine Verfahrensfortsetzung nach der Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 240 ZPO die Aufnahme des Rechtsstreits abgelehnt, ist dieses Urteil unter denselben Voraussetzungen wie ein Endurteil selbständig anfechtbar (Rn. 11).

9. Die Vollmacht des Prozessbevollmächtigten erlischt im Eröffnungsverfahren nicht nach § 117 Abs. 1 InsO (Rn. 14).

10. Rechtsmittelfristen beginnen bei einem Zwischenstreit über die Aufnahme eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreits erst mit Zustellung des Urteils, mit dem der Zwischenstreit beendet wird, zu laufen (Rn. 42).

(Orientierungssätze)