Der EuGH hat mit Urteil vom 30.6.2022 – C-56/21 („ARVI ir ko“) – entschieden:
1. Die Art. 135 und 137 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, nach der ein Steuerpflichtiger nur dann entscheiden kann, für den Verkauf einer Immobilie Mehrwertsteuer zu berechnen, wenn die Immobilie an einen Steuerpflichtigen veräußert wird, der zum Zeitpunkt des Umsatzes bereits als Mehrwertsteuerpflichtiger registriert ist.
2. Die Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 sowie die Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung und einer nationalen Praxis nicht entgegenstehen, nach denen der Verkäufer einer Immobilie verpflichtet ist, den Vorsteuerabzug für diese Immobilie zu berichtigen, nachdem ihm das Recht versagt worden ist, sich für die Besteuerung dieses Verkaufs zu entscheiden, weil der Erwerber zum Zeitpunkt des Umsatzes nicht die Voraussetzungen erfüllte, die für die Ausübung dieses Rechts durch den Verkäufer erforderlich sind. Zwar ist die tatsächliche Nutzung der fraglichen Immobilie durch den Erwerber im Rahmen mehrwertsteuerpflichtiger Tätigkeiten unerheblich, doch haben die zuständigen Behörden gleichwohl zu prüfen, ob der Steuerpflichtige, der sein Recht ausüben wollte, sich für eine Besteuerung des betreffenden Umsatzes zu entscheiden, möglicherweise einen Betrug oder einen Missbrauch begangen hat.
(Tenor)
BB-Online: BBL2022-1621-1