Das BAG hat mit Beschluss vom 27.1.2022 – 6 AZR 155/21 (A) – wie folgt entschieden:
1. Bestimmt eine Richtlinie des Unionsrechts eine Sanktion für den Fall eines Verstoßes gegen ihre Regelungen nicht selbst, obliegt deren Wahl in den Grenzen des Äquivalenz- sowie des Effektivitätsgrundsatzes den Mitgliedstaaten. Die gewählte Sanktion muss wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (Rn. 18).
2. Der Charakter einer Norm als Verbotsgesetz iSd. § 134 BGB muss sich nicht unmittelbar aus ihrem Wortlaut ergeben. Er kann auch aus Sinn und Zweck der verletzten Vorschrift zu schlussfolgern sein. Entscheidend dafür ist die Reichweite ihres Schutzzwecks (Rn. 20).
3. Leitet der Arbeitgeber unter Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG die Mitteilung an den Betriebsrat gemäß § 17 Abs. 2 KSchG der Agentur für Arbeit nicht zu, könnte dies zur Nichtigkeit der Kündigung gemäß § 134 BGB führen, wenn Schutzzweck des § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG – zumindest auch – der individuelle Schutz der Arbeitnehmer ist. In diesem Fall erforderten der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz mit der Nichtigkeit der Kündigung dieselbe Rechtsfolge, wie sie die Rechtsprechung bei einem Verstoß gegen andere – zumindest auch – dem Arbeitnehmerschutz dienende Vorschriften des Massenentlassungsschutzes bereits angenommen hat (Rn. 17 ff.).
4. § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG setzt Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der MERL in nationales Recht um. Der Schutzzweck der Richtlinienbestimmung ist daher auch der nationalen Norm immanent. Der Senat fragt aus diesem Grund den EuGH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV, welchem Zweck Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der MERL dient (Rn. 24 ff.). (Orientierungssätze)