Das BAG hat mit Urteil vom 16.12.2021 – 6 AZR 154/21 – wie folgt entschieden:
1. Ausgehend vom sog. erweiterten punktuellen Streitgegenstandsbegriff erfasst die Rechtskraft einer der Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung auch den Bestand des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des angestrebten Beendigungszeitpunktes und damit grundsätzlich auch solche Auflösungstatbestände, die erst während der Kündigungsfrist entstehen und vor diesem oder einschließlich bis zu diesem Beendigungszeitpunkt wirken könnten (Rn. 12).
2. Im Wege der Anspruchshäufung (§ 260 ZPO) kann der Arbeitnehmer neben einer Kündigungsschutzklage eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO als selbständigen prozessualen Anspruch erheben (Rn. 15).
3. Dieser sog. Schleppnetzantrag hat den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den beabsichtigten Beendigungstermin der daneben angegriffenen Kündigung hinaus bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zum Gegenstand. Er erfasst daher alle nach dem Vortrag der Parteien in Betracht kommenden Beendigungsgründe aus diesem Zeitraum. Die Rechtskraft einer diesem sog. Schleppnetzantrag stattgebenden Entscheidung steht einer auf vorgenannten Beendigungsgründen beruhenden Auflösung des Arbeitsverhältnisses entgegen (Rn. 16).
4. Stellt der Arbeitnehmer im Hinblick auf eine im Laufe des Rechtsstreits erklärte (Nach-)Kündigung neben dem allgemeinen Feststellungsantrag einen Kündigungsschutzantrag (sog. Punktualisierung), stellt das gemäß § 264 Nr. 2 ZPO keine Klageänderung dar. Der Arbeitnehmer verfolgt das ursprüngliche Klageziel weiter und konkretisiert es lediglich einschränkend, ohne den Streitgegenstand zu ändern (Rn. 17).
5. Das gilt auch für eine erst im Laufe des Berufungsverfahrens erklärte Kündigung. Punktualisiert der Arbeitnehmer insoweit einen in der Berufung angefallenen allgemeinen Feststellungsantrag, unterliegt er dabei nicht den Einschränkungen des § 533 ZPO (Rn. 18 ff.).
6. Greift der Arbeitnehmer eine im Laufe des Berufungsverfahrens erklärte Kündigung nicht mit einer gesonderten Klage vor dem Arbeitsgericht, sondern im Rahmen dieses Berufungsverfahrens an, muss er dies unter Wahrung der Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG tun (Rn. 23).
7. Mit einer im Berufungsverfahren angefallenen allgemeinen Feststellungsklage ist der Arbeitgeber allerdings nach Sinn und Zweck der § 4 Satz 1, § 7 Halbs. 1 KSchG hinreichend davor gewarnt, dass der Arbeitnehmer sich gegen alle weiteren Kündigungen wenden will. Ein Vertrauen auf den Eintritt der Fiktionswirkung des § 7 KSchG kann er nicht mehr entwickeln. Daher wahrt der Arbeitnehmer bereits mit einer solchen allgemeinen Feststellungsklage die Klageerhebungsfrist des § 4 Satz 1 KSchG, auch wenn er diese im Berufungsverfahren erst nach Ablauf von drei Wochen nach Kündigungszugang punktualisiert (Rn. 23 ff.).
(Orientierungssätze)