Koalitionsverhandlungen und Steuern

Bekanntermaßen haben sich die Parteien, die die sog. „Ampel-Koalition“ bilden, nicht nur während der Koalitionsverhandlungen Stillschweigen auferlegt und sich erstaunlicherweise auch daran gehalten. Insofern sind inhaltlich keine Informationen nach außen gedrungen, auch nicht zur Steuerpolitik. Dabei ist gerade dieses Politikfeld, nicht nur durch internationale Entwicklungen, von entscheidender Bedeutung. Sorgen doch erst die Steuern dafür, dass Regierungen handlungsfähig sind. Darüber hinaus ist auch in den letzten zwei Legislaturen das Thema Steuern nicht im Fokus der Handelnden gewesen. Was ist also zu erwarten, bzw. was ist nötig?

Werden die Wahlprogramme nach dem Thema Steuern durchleuchtet, so zeigt sich, dass die Grünen und die SPD vor allem Spitzenverdiener stärker zur Kasse bitten wollen. Das Wahlprogramm der FDP geht in eine andere Richtung. Nach diesem sollen die Steuerzahler eher entlastet werden. Die Sondierungsgespräche führen zu einer grundsätzlichen Absage an Steuererhöhungen. Dies soll sowohl für die Einkommensteuer, Erbschaftsteuer, Mehrwertsteuer und Unternehmenssteuern gelten. Unter Ziffer 9 des Papiers mit der Überschrift „Ergebnis der Sondierungen zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP findet sich, dass der Kampf gegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Steuervermeidung intensiviert werden soll. Ferner wird sich aktiv für die Einführung der globalen Mindestbesteuerung eingesetzt. Neue Substanzsteuern sollen ebenso wenig eingeführt werden wie die bereits angesprochenen Steuererhöhungen. Dagegen soll die Konjunktur einen Schub durch sog. „Superabschreibungen“ für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung erhalten. Die Steuerbürokratie soll spürbar verringert werden, indem Schwellenwerte erhöht und volldigitalisierte Verfahren eingeführt werden.

Die Ausgestaltung der „Superabschreibung“ ist noch nicht bekannt, so äußert sich bereits das DIW sehr kritisch. Unter dem Titel Ampel-Pläne zu „Superabschreibungen“ können sich Investitionen und Wachstum erhöhen, finanzpolitische Spielräume würden aber enger. Es ist zu lesen, dass eine Reduzierung der Abschreibungsdauer von Investitionen von zehn auf vier Jahre kurz- bis mittelfristig zwar das Wirtschaftswachstum und die privaten Investitionen fördern, aber in Folge dessen ergäbe sich ein staatliches Defizit von bis zu 40 Mrd. Euro. Insofern wären „etwas höhere Unternehmenssteuersätze nötig“.

Der BDI sieht die Pläne der Ampel, auf zusätzliche Steuerbelastungen zu verzichten, tendenziell als zu wenig an. Der Standort Deutschland benötige dagegen eher eine grundlegende Reform der Unternehmenssteuern, um die Attraktivität als Standort für Unternehmen in Zukunft zu gewährleisten. Stillstand in der Steuerpolitik in der kommenden Legislatur sieht der BDI als herbe Enttäuschung für die deutsche Wirtschaft an.

Von dem allseits kritisierten Problem, dass der sog. Mittelstandsbauch angegangen wird, ist nichts zu vernehmen. Hier könnte ein neuer Vorschlag des DIW für Bewegung sorgen. So wird vorgeschlagen, den Grundfreibetrag auf 11 300 € zu erhöhen. Der Tarifverlauf soll so geändert werden, dass der Spitzensteuersatz statt bei 58 000 € erst ab einem Bruttojahreseinkommen von 67 000 € greifen soll. Im Gegenzug soll der Spitzensteuersatz von 42 % auf 45 % steigen.

Die Grenze, ab der er greift, soll dagegen von 58 000 € auf 67 000 € angehoben werden. Der Solidaritätszuschlag soll erst ab dem Betrag von 67 000 € einbehalten werden. Ein kinderloser Single mit einem Einkommen von 24 000 € käme so in den Genuss von einer jährlichen Ersparnis von 240 €. Die Entlastung wirke sich ab einem Einkommen von 127 000 € bei Ledigen und 254 000 € bei Verheirateten nicht mehr aus. So sei sichergestellt, dass Besserverdiener nicht mehr in den Genuss der Steuersenkung kämen. Die Gegenfinanzierung soll dadurch sichergestellt werden, dass der Reichensteuersatz von 45 % auf 47 % steigt und bereits ab einem Einkommen von 200 000 € bei Ledigen statt bisher 280 000 € (bei Verheirateten 400 000 € statt 560 000 €) erhoben wird. Dies führte dazu, dass ein Single mit einem Bruttogehalt von 195 000 € im Jahr 2000 € mehr Einkommensteuer zahlen müsste. Die Gesamtbilanz des Vorschlags führt zu einem Entlastungsbetrag von 16 Mrd. € und bei den Reichen zu einer Mehrbelastung von 4 Mrd. € mithin in der Summe ein Verzicht auf finanzielle Mittel seitens des Staates von 12 Mrd. €.

Der Koalitionsvertrag ist erstaunlich unkonkret. Lediglich die „Superabschreibung“ ist enthalten.

Es bleibt spannend, welche konkreten Maßnahmen die Ampel angehen wird!

Professor Dr. iur. Michael Stahlschmidt lehrt an der FHDW Paderborn Steuerrecht, Rechnungswesen und Controlling und ist Ressortleiter des Ressorts Steuerrecht des Betriebs-Berater und Schriftleiter Der Steuerberater, Frankfurt am Main/Medebach.