Mit Beschluss vom 29. Oktober 2024 (Az. 3 V 1270/24 Ew,F) hat der 3. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass für die Aussetzung der Vollziehung der Grundsteuerwertfeststellung ein besonderes Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen erforderlich ist, welches sich im Streitfall jedoch nicht feststellen ließ.
Der Antragsteller ist Berechtigter eines durch Bebauung ausgenutzten Teilerbbaurechts. Hierfür erließ das Finanzamt eine Grundsteuerwertfeststellung auf den 1. Januar 2022 und setzte zugleich den Grundsteuermessbetrag auf den 1. Januar 2025 fest. Über die vom Antragsteller eingelegten Einsprüche ist bisher nicht entschieden worden. Nachdem der außergerichtliche Antrag auf Aussetzung der Vollziehung erfolglos blieb, beantragte der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung bei Gericht. Zur Begründung trug er vor, dass das neue Recht zur Grundsteuerwertermittlung verfassungswidrig sei.
Der 3. Senat hat den Antrag abgelehnt. Dabei ließ der Senat offen, ob im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide aufgrund einer möglichen Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Grundlagen zur Grundsteuerwertfeststellung bestehen. Dem Antragsteller habe es jedenfalls an einem das öffentliche Interesse am Gesetzesvollzug überwiegenden besonderen Aussetzungsinteresse gefehlt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erfordere die Aussetzung der Vollziehung bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit eines dem Verwaltungsakt zugrundliegenden formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes grundsätzlich, dass ein besonderes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestehe, dem Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukomme. Im Rahmen dieser Interessenabwägung komme es einerseits auf die Bedeutung des durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung der Vollziehung für den Gesetzesvollzug sowie das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung an.
Vorliegend sei dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers kein Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Gesetzesvollzug einzuräumen gewesen. Die Grundsteuerwertfeststellung sowie die Grundsteuermessbetragsfestsetzung würden nicht zu drohenden irreparablen Nachteilen des Antragstellers führen. Demgegenüber bestehe ein öffentliches Interesse am Gesetzesvollzug zur Sicherung einer geordneten Haushaltsführung. Eine faktische Außerkraftsetzung der sog. Grundsteuer B würde im Geltungsbereich des sog. „Bundesmodells“ für einen nicht absehbaren Zeitraum zu Einnahmeausfällen der hebeberechtigten Kommunen in Milliardenhöhe führen. So hätten sich im Jahr 2023 die Einnahmen aus der Grundsteuer B auf ca. 15,08 Milliarden Euro belaufen. Auch bei der konkret hebeberechtigten Kommune mache die Grundsteuer 15 % der gesamten kommunalen Einnahmen aus und sei damit von erheblicher Bedeutung. Es sei derzeit nicht ersichtlich, dass die Kommune die konjunkturunabhängigen Grundsteuereinnahmen durch konjunkturabhängige Steuern (Gewerbesteuer; Anteil Einkommen- und Umsatzsteuer) kompensieren könne. Aufgrund der Konjunkturunabhängigkeit und der eigenen Hebesatzkompetenz sei die Grundsteuer auch die einzige Einnahmequelle, die die Kommune planbar selbst steuern könne. Für die Gewichtung des öffentlichen Interesses könne der vorläufige Rechtsschutz auch nicht auf einzelne Steuerpflichtige beschränkt werden. Vielmehr sei zu erwarten, dass bei Häufungen stattgebender Aussetzungsbeschlüsse eine Vielzahl der Steuerpflichtigen ebenfalls unter Zuhilfenahme von Musteranträgen gerichtliche Aussetzung der Vollziehung beantragen werde. Die Aussetzung käme daher einer temporären Vorwegnahme des Verwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts gleich.
Der 3. Senat hat die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen.
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