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BStBK: Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz

Inhalt des Schreibens:

(…) Vorbemerkung:

Die Bundessteuerberaterkammer unterstützt das Ziel des Gesetzes, die Digitalisierung der Justiz mittels Anpassung der Verfahrensordnungen weiter zu fördern. So kann der gezielte Einsatz von digitaler Technologie dazu beitragen, die demografische Entwicklung abzufedern sowie das Funktionieren und die Akzeptanz von Justiz und Verwaltung auch in Zeiten einer sich verändernden Gesellschaft zu gewährleisten.

Positiv bewertet die Bundessteuerberaterkammer deshalb die Ausweitung des Schriftformersatzes, da gerade bei Übersendung von Dokumenten über einen vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis die Funktionen der Schriftform auch im Rahmen zunehmender Digitalisierung gewahrt werden.

Durch den Betrieb der Steuerberaterplattform und des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) unterstützt die Bundessteuerberaterkammer ihrerseits die weiter fortschreitende Digitalisierung der Justiz und der öffentlichen Verwaltung. Damit steht für den Berufsstand der Steuerberater ein vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis zur Verfügung. Mit der

Steuerberaterplattform und dem beSt wurde dem Berufsstand der Steuerberater die digitale

Infrastruktur bereitgestellt, die dieser benötigt, um seine besondere Rolle als Organ der Steuerrechtspflege effektiv auszufüllen sowie diese rechtssicher, für alle Partner erkennbar und nachvollziehbar nachzuweisen.

Die Steuerberaterplattform ermöglicht dem Berufsträger den Zugang zu Diensten des elektronischen Rechtsverkehrs sowie perspektivisch auch zu Diensten der Wirtschaft im Auftrag seines Mandanten. Dabei kann er bei allen Diensten dasselbe Authentisierungsmedium, den Personalausweis mit Online Ausweisfunktion, verwenden (Single-SignOn) und verknüpft dabei die persönliche, digitale Identität mit dem Berufsträgerattribut aus dem Berufsregister.

Essentiell dafür ist u. a. die Schaffung einer Identitätsföderation zwischen Steuerberaterplattform und Organisationskonto, um Identitätsinformationen auszutauschen. Anderenfalls gelingt es dem Berufsstand nicht, über das Organisationskonto beispielsweise den Nachweis der Vollmacht oder der Berufsträgereigenschaft zu erbringen.

Die Bundessteuerberaterkammer begrüßt daher die Bestrebung, auch die ElektronischerRechtsverkehr-Verordnung (ERVV) im Hinblick auf die weitere Digitalisierung der Justiz zu überarbeiten und für neue Technologien zu öffnen.

Jedoch schreitet die technische Entwicklung gerade im IT-Sektor in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit voran. Gleichzeitig stellen neue Technologien den Gesetzgeber vor die Herausforderung, die Gesetzgebung an diese neuen Technologien anzupassen bzw. mit der fortschreitenden Entwicklung Schritt zu halten.

Es ist daher von herausragender Bedeutung, Gesetzesvorhaben so zu gestalten, dass diese technologieoffen bleiben und nicht nur den aktuellen Stand der Technik abbilden, sondern auch der fortschreitenden technischen Entwicklung Raum lassen. Die Bundessteuerberaterkammer tritt dafür ein, sich nicht auf ein bestimmtes Verfahren für den elektronischen Zugang zu Justiz und Verwaltung festzulegen, sondern es den Beteiligten von Verfahren zu ermöglichen, dynamisch und innovativ auf neue Technologien zu reagieren.

Um eine hohe Akzeptanz zu gewährleisten, muss weiterhin die Interoperabilität mit anderen Diensten in der EU sichergestellt werden. Aktuelle Vorhaben der EU für eine europäische digitale Identität müssen daher in aktuellen Gesetzesvorhaben bereits antizipiert werden, um zukünftig den Gesetzgebungsaufwand zu verringern und widerstreitende Normgebung auf EU- und Bundesebene zu verringern.

Im Einzelnen: Artikel 43 (Änderung der ERVV): zu Nummer 3 (Änderung von § 13) Die Bundessteuerberaterkammer unterstützt grundsätzlich den Ansatz der Technologieoffenheit. Auch im Hinblick auf das Identifizierungsmittel für das OZG-Organisationskonto und damit für den elektronischen Zugang zu Justiz und Verwaltung sollte der Ansatz der Technologieoffenheit Anwendung finden. Ein Identifizierungsmittel für digitale Dienste muss auch für künftige Anwendungsfälle und technische Entwicklungen gerüstet sein.

Das ELSTER-Verfahren in der ERVV als Identifizierungsmittel für das OZG-Organisationskonto zuzulassen, kann daher nur ein erster Schritt sein. Keinesfalls darf dies aber dazu führen, dass ausschließlich das Verfahren nach § 87a Abs. 6 AO für den elektronischen Zugang zu Justiz und Verwaltung hinterlegt bleibt. Dies würde nicht nur den Gesetzgeber, sondern auch die Nutzer und ihre Vertreter in ihrer Möglichkeit beschränken, dynamisch auf neue Technologien zu reagieren.

Mit der vorgesehenen Änderung des § 13 Abs. 1 Nr. 2 ERVV wird das Verfahren nach § 87a Abs. 6 AO (ELSTER-Verfahren) als Identifizierungsmittel für das OZG-Organisationskonto und damit für den elektronischen Zugang zu Justiz und Verwaltung zugelassen. Das Verfahren nach § 87a Abs. 6 AO erreicht aktuell ein Sicherheitsniveau „substantiell“ im Sinne des Artikels 6 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 und nicht das Sicherheitsniveau „hoch“. Vor diesem Hintergrund sieht das OZG-Änderungsgesetz auch ein Auslaufen der Nutzungsmöglichkeit eines Identifizierungsmittels auf dem Sicherheitsniveau „substantiell“ mit Ablauf einer Frist von 5 Jahren nach Inkrafttreten des OZG-Änderungsgesetzes vor.

Bereits nach den Vorgaben des OZG-Änderungsgesetzes wäre das nun mit dem Referentenentwurf in § 13 Abs. 1 Nr. 2 ERVV benannte Verfahren nach § 87a Abs. 6 AO schon im fünften auf das Inkrafttreten des OZG-Änderungsgesetzes folgenden Jahres wieder obsolet. Gerade die in der Begründung des Referentenentwurfs aufgeführte weite Verbreitung des Verfahrens nach § 87a Abs. 6 AO führt nach Ansicht der Bundessteuerberaterkammer zu einem derzeit nicht kalkulierbarem Aufwand, sobald das Verfahren nach § 87a Abs. 6 AO auf das Sicherheitsniveau „hoch“ i. S. d. Art. 8 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 umzustellen wäre.

Unabhängig davon, welche Lösungen umgesetzt werden, sollte jede Lösung dahin gehen, dass sich Nutzerkonten im OZG-Kontext gegenseitig vertrauen und die Inhalte föderieren.

Dies kann nach Ansicht der Bundessteuerberaterkammer nur unter den Voraussetzungen gelingen, dass die Lösungen intermediärsfähig sind, ein Berechtigungskonzept beinhalten sowie die Möglichkeit bieten, über Attribute vertrauensbildende Eigenschaften (beispielsweise die Berufsträgereigenschaft) rechtssicher zu hinterlegen.

Statt das Identifizierungsmittel nach § 87a Absatz 6 AO in § 13 I Nr. 2 ERVV fest im Gesetz zu verankern, schlägt die Bundessteuerberaterkammer eine Verweisung auf den § 3 Onlinezugangsgesetz (in der Fassung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für ein OZGÄnderungsgesetz vom 26. Mai 2023) vor.

(BStBK v. 28.11.2023)