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Lindner: “Es ergeben sich keine neuen Verteilungsspielräume“

Ergebnisse der 165. Steuerschätzung

Den Ergebnissen der 165. Steuerschätzung zufolge entwickeln sich die Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen unter Berücksichtigung der seit Mai in Kraft getretenen Steuerrechtsänderungen mit einem Volumen von 916,1 Mrd. Euro in diesem Jahr schlechter als noch in der Mai-Schätzung erwartet. Dies dürfte maßgeblich auf die schwächere Entwicklung der Wirtschaftsleistung zurückzuführen sein. Im nächsten Jahr, für das eine konjunkturelle Erholung erwartet wird, wurde der Schätzansatz gegenüber Mai nur wenig nach oben angepasst. Für die Jahre ab 2025 werden zwar insgesamt begrenzte Mehreinnahmen erwartet. Beim Bund stehen dem aber aufgrund einer Verschiebung ab dem Jahr 2026 deutlich höhere EU-Abgaben gegenüber. Das führt zu massiven Belastungen des Bundeshaushalts in den Folgejahren.

Bundesfinanzminister Christian Lindner: „Die Konjunkturschwäche zeigt sich im Schätzergebnis. Es ergeben sich keine neuen Verteilungsspielräume. Mehr denn je sind wir aufgefordert, klug zu haushalten und zu priorisieren. Jetzt ist die Zeit, mutige Entscheidungen bei der Ausgabenplanung zu treffen.
Das Schätzergebnis ist ein klarer Handlungsauftrag. Wir müssen die wirklich wichtigen Aufgaben in den Blick nehmen. Wir müssen weiterhin die Inflation bekämpfen, unsere Wachstumskräfte stärken und die Transformation vorantreiben. Nur so wird es gelingen, nachhaltiges Wachstum zu schaffen. Es ist Voraussetzung für langfristig stabile Staatsfinanzen.“

Ergebnisse der Steuerschätzung

Auf Basis der unten aufgeführten Annahmen und der Kassenentwicklung im laufenden Jahr werden die Steuereinnahmen in diesem Jahr etwas niedriger ausfallen als noch in der Steuerschätzung vom Mai 2023 prognostiziert. Für das Jahr 2024 liegt die Einnahmeerwartung nur knapp über dem Wert vom Frühjahr. In den folgenden Jahren sind dann etwas höhere Mehreinnahmen zu verzeichnen.

Die Differenz zum Ergebnis der Mai-Steuerschätzung insgesamt resultiert vollständig aus Schätzabweichungen und damit der auf Basis der Herbstprojektion der Bundesregierung unterstellten Entwicklung der Bemessungsgrundlagen sowie der Aufkommensentwicklung im laufenden Jahr. Die neu einbezogenen Rechtsänderungen verändern nur die Aufteilung der Steuereinnahmen auf die Gebietskörperschaften.

Das Gesamtergebnis für den Bund wird von einem Sondereffekt beeinflusst. Die Abführungen des Bundes an die EU werden in den Jahren 2023 bis 2025 geringer ausfallen als für die Mai-Steuerschätzung angesetzt. Im Gegensatz dazu werden höhere Abführungen in den Jahren 2026 und 2027 erwartet. Das ist auf spätere Mittelabflüsse aus den EU-Strukturfonds zurückzuführen. Unter anderem daraus ergibt sich für den Bund insgesamt in den Jahren 2023 bis 2025 eine zusätzliche positive Abweichung vom Mai-Ergebnis. In den Jahren 2026 und 2027 wird das Ergebnis des Bundes hingegen dadurch um 5 Mrd. Euro (2026) bzw. 3,9 Mrd. Euro (2027) gemindert.

Aufgrund der neu einbezogenen Steuerrechtsänderungen – dem KiTa-Qualitätsgesetz und dem Pauschalentlastungsgesetz – kommt es zu Umverteilungen vom Bund zugunsten der Länder. Der vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf für das Wachstumschancengesetz ist noch nicht in der Schätzung enthalten. In der Haushaltsplanung ist dafür aber bereits eine Vorsorge getroffen.

Die Ergebnisse der Steuerschätzung für die Jahre 2023 bis 2028 werden in Anlage 1 [pdf, 133KB] differenziert nach Bund, Ländern, Gemeinden und EU aufgeführt. Anlage 2 [pdf, 191KB] stellt die Abweichungen zwischen den Ergebnissen der aktuellen Steuerschätzung und der letzten Steuerschätzung vom Mai 2023 dar. Die gegenüber der vorangegangenen Schätzung vom Mai 2023 neu zu berücksichtigenden Gesetze und sonstigen Regelungen sind in der Fußnote 1 zu Anlage 2 dargestellt.

Grundlagen der Steuerschätzung

Der Steuerschätzung liegen die gesamtwirtschaftlichen Eckwerte der Herbstprojektion 2023 der Bundesregierung zugrunde (s. Tabelle 1). Gegenüber den Annahmen in der Frühjahrsprojektion 2023, die Basis der letzten Steuerschätzung im Mai waren, hat sich die kurzfristige realwirtschaftliche Einschätzung verschlechtert. Die Weltwirtschaft hat sich schwächer entwickelt als im Frühjahr unterstellt. Das ist in Deutschland über den Außenhandel zu spüren. Dazu halten auch die Belastungen durch die Energiepreiskrise noch an. Konjunkturindikatoren wie Produktion und Umsätze deuten auf eine derzeit noch schwache Entwicklung der Wirtschaftsleistung hin, sodass von einem Rückgang des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts (BIP) in diesem Jahr um 0,4 % ausgegangen wird.

Zur Jahreswende dürfte die wirtschaftliche Entwicklung dann wieder besser ausfallen und im weiteren Verlauf an Dynamik gewinnen. Dies gilt vor allem für den privaten Konsum: Rückläufige Inflationsraten dürften in Kombination mit deutlich anziehenden Löhnen und einer grundsätzlich robusten Arbeitsmarkt¬lage wieder für Kaufkraftgewinne und zunehmende Ausgaben sorgen. Für das Jahr 2024 wird vor diesem Hintergrund ein Zuwachs des realen BIP von 1,3 % erwartet. Die Erholung dürfte sich in 2025 mit +1,5 % fortsetzen. Für die Jahre ab 2026 und 2027 wird dann von ähnlichen Zuwachsraten ausgegangen wie im Frühjahr (das Jahr 2028 ist erstmals Teil des Schätzzeitraums).

Die Verzögerung der allgemein erwarteten wirtschaftlichen Erholung schlägt sich aber nicht in einer entsprechenden Abwärtsrevision der für die Steuern relevanten nominalen Eckwerte gegenüber Frühjahr nieder. Das liegt zum einen an der seitdem erfolgten Aufwärtsrevision des BIP-Niveaus durch das Statistische Bundesamt (höhere Basis). Zum anderen hat sich zwar die Verbraucherpreisinflation ungefähr so entwickelt wie im Frühjahr projiziert. Der BIP-Deflator, der die Preisentwicklung der von der Wirtschaft erbrachten Produktionsleistung misst, ist jedoch – auch aufgrund deutlich rückläufiger Importpreise – stärker gestiegen als bisher unterstellt. Im Ergebnis ergeben sich leicht höhere Zuwachsraten beim nominalen BIP als im Mai.

Für die einzelnen Steuern sind die Veränderungen mit Blick auf die Bemessungsgrundlagen zum Frühjahr wie folgt: Aus der Anpassung von privaten Konsumausgaben, Wohnungsbauinvestitionen und steuerbelasteten staatlichen Ausgaben, relevant für die Steuern vom Umsatz, ist in der Summe keine merkliche Veränderung für dieses und kommendes Jahr gegeben. Bei der Lohnsteuer wird der Anstieg der Bruttolöhne und -gehälter in diesem Jahr offenbar durch die breite Nutzung der steuerfreien Inflationsausgleichsprämie kompensiert. Aus den erwarteten starken Schwankungen bei den Unternehmens- und Vermögenseinkommen in diesem und im kommenden Jahr, die u.a. auf die technische Verbuchung der Preisbremsen für Gas, Wärme und Strom zurückzuführen sind, kann nicht unmittelbar auf die Entwicklung der gewinnabhängigen Steuern im Schätzzeitraum geschlossen werden. Die Kassenentwicklung bei der Körperschaftsteuer und vor allem der veranlagten Einkommensteuer ist aber im bisherigen Jahresverlauf – im Einklang mit der gedämpften wirtschaftlichen Entwicklung – schwächer ausgefallen als im Mai prognostiziert.

Tabelle 1: Entwicklung nominaler Kenngrößen im Schätzzeitraum
Veränderung gegenüber Vorjahr in Prozent202320242025202620272028
Bruttoinlandsprodukt+6,5+4,4+3,5+2,7+2,7+2,7
Bruttolöhne u. -gehälter+6,4+5,5+3,4+2,7+2,7+2,7
Unternehmens- und Vermögenseinkommen+11,6-0,4+2,2+2,8+2,5+2,8

(PM Nr. 22/2023 v. 26.10.2023 – mit Abbildungen)