„Die Herausforderung ist das nachhaltige Geschäftsmodell“
Im November 2022 hat die EU eine Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen beschlossen. Auf die nichtfinanzielle Berichtspflicht (NFRD) folgt nun die Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD. Davon werden sehr viel mehr Unternehmen erfasst als bisher. Welche Folgen das hat, erläutert Prof. Daniel Graewe im Interview. Er berät als Rechtsanwalt Unternehmen zu ESG-Themen und ist Direktor des Instituts für angewandtes Wirtschaftsrecht an der HSBA Hamburg School of Business Administration.
GREEN.WORKS: Herr Prof. Graewe, was sind die wichtigsten Inhalte der CSRD, was muss von den Unternehmen berichtet werden?
Prof. Daniel Graewe: Die CSRD verlangt von den Unternehmen, zu Umwelt, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen zu berichten, aber auch zur Achtung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung.
„Wenn die Unternehmen ihrer Berichtspflicht nicht nachkommen, können sie ihren Jahresabschlussbericht nicht korrekt aufstellen.“
Prof. Dr. Daniel Graewe
GREEN.WORKS: Welche Unternehmen sind von den Regeln betroffen?
Prof. Daniel Graewe: Insgesamt wurden die Regeln ausgeweitet, so dass nun auch kleine und mittelständische Unternehmen betroffen sind. Das sind also Unternehmen mit 20 Millionen Euro Bilanzsumme, 40 Millionen Euro Umsatz oder mehr als 250 Beschäftigten. Zwei der drei Merkmale müssen erfüllt sein, um unter die neuen Vorgaben zu fallen. Was vorher 15.000 Unternehmen in der gesamten EU betroffen hat, betrifft jetzt 50.000 Unternehmen.
GREEN.WORKS: Welche Strafen und Sanktionen erwarten Unternehmen bei Nichteinhaltung?
Prof. Daniel Graewe: Es gibt ganz konkrete Folgen. Denn wenn die Unternehmen ihrer Berichtspflicht nicht nachkommen, können sie ihren Jahresabschlussbericht nicht korrekt aufstellen. Infolgedessen bekommen sie etwa kein oder nur ein eingeschränktes Testat des Wirtschaftsprüfers und das kann auch bis zu einer strafrechtlichen Verantwortung führen. Aber ohne Testat können Unternehmen vor allem Probleme bei der Refinanzierung bekommen oder dabei, neue Geschäftspartner zu finden. Ganz abgesehen von der negativen Presse.
GREEN.WORKS: Ab wann genau gilt die Berichtspflicht denn überhaupt?
Prof. Daniel Graewe: Sie muss umgesetzt werden ab dem Geschäftsjahr 1. Januar 2024, gestaffelt nach Unternehmensgröße. Die EU-Mitgliedsstaaten haben Zeit bis zum 6. Juli 2024, das nationale Recht umzusetzen. Ab dem 1.1.24 gilt sie dann zunächst für die Unternehmen, die schon der vorherigen Berichtspflicht unterliegen. Für die Unternehmen, für die die Regelung neu ist, ist der 1. Januar 2025 der Stichtag und ab 2026 unterliegen auch die kapitalmarktorientierten kleinen und mittleren Unternehmen der neuen Berichtspflicht.
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GREEN.WORKS: Wie stellt man sich als Unternehmen richtig auf, um den vielen Anforderungen der CSRD zur Nachhaltigkeit gerecht zu werden?
Prof. Daniel Graewe: Am besten wäre es, sich als Unternehmen die Standards zur nicht-finanziellen Berichterstattung („ESRS“) jetzt schon einmal anzuschauen und zu überlegen, wie man die im geforderten Bericht anzugebenden Informationen überhaupt im eigenen Unternehmen ermitteln und darstellen kann. Denn das sind keine Zahlen, die man auf Knopfdruck herausbekommt. Daten zu Themen wie der Mitarbeiterzufriedenheit, der Kreislaufwirtschaft oder dem Verhältnis zu Stakeholdern können nicht so einfach gemessen werden. Da bedarf es Einiges an Vorbereitung. Zwar agieren schon viele Unternehmen an vielen Stellen nachhaltig, allerdings nicht strategisch und ohne zentrale Datenerfassung oder Controlling. Auch das kann und muss verbessert werden. Nicht zuletzt sollten auch alle einfach umzusetzenden Aktivitäten in Richtung ESG, die noch nicht durchgeführt werden, rechtzeitig angeschoben werden. Das fängt im Kleinen an mit weniger Wasserverbrauch, geht über Maßnahmen der flexiblen Arbeitszeit bis hin zur Aufstellung eines unternehmerischen Leitbildes.
GREEN.WORKS: Was sind die größten Herausforderungen, die für die Unternehmen durch die neuen CSRD-Regelungen entstehen?
Prof. Daniel Graewe: Herausfordernd wird die neue Berichtspflicht vor allem für Unternehmen, die jetzt viel investieren müssen, um überhaupt erst nachhaltig zu werden. Denn sie wissen nicht, ob es sich am Ende für sie rentiert. Ebenso bei Unternehmen, deren Geschäftsmodell grundsätzlich nicht nachhaltig ist. Etwa ein Unternehmen, das Energie aus fossilen Rohstoffen gewinnt. Denn dieses muss sein gesamtes Modell überarbeiten und droht auf lange Sicht eventuell sogar aus dem Markt auszuscheiden. Die Herausforderung liegt also nicht beim Berichten selbst, sondern bei der Aufstellung eines nachhaltigen Geschäftsmodells.
GREEN.WORKS: Haben die Unternehmen schon ausreichend verstanden, was da auf sie zukommt?
Prof. Daniel Graewe: Der Mittelstand wird schon seit längerer Zeit immer wieder an die Belastungsgrenze gebracht, durch zahlreiche neue Regulierungen und andere externe Faktoren wie etwa die Coronapandemie. Deshalb beschäftigen sich die Unternehmen jetzt sehr stark mit dem Sammeln und Berichten der Daten, haben sich aber noch keine Gedanken über einen möglichen nachhaltigen Umbau des Geschäftsmodells gemacht. Das kann zum Problem werden, wenn in Zukunft bei jeder unternehmerischen Entscheidung die Nachhaltigkeit mitgedacht werden muss. Hier haben einige Unternehmen also noch Verbesserungspotential.
GREEN.WORKS: Die neuen Regeln sollen für mehr Klimaschutz in den Unternehmen sorgen. Inwiefern kann die CSRD denn dazu beitragen, das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen?
Prof. Daniel Graewe: Die neue Pflicht trägt in jedem Fall etwas zum Klimaschutz bei. Denn um etwas berichten zu können, müssen Unternehmen auch etwas zum Berichten haben – dafür müssen sie sich nachhaltiger aufstellen. Die Berichte schauen sich dann beispielsweise Banken oder auch Verbraucher an und wenn dort Daten fehlen, macht das keinen guten Eindruck. Dann vergeben Banken etwa keine Finanzierung mehr oder dem Unternehmen gehen die Aufträge aus. So sind die Unternehmen unter Zugzwang, klimaneutral zu werden. Nicht zuletzt wegen drohender Klimaklagen. Die neue Regelung wird also eine große Bedeutung für den Klimaschutz haben.
GREEN.WORKS: Ist die neue Regelung eine Verbesserung zu vorherigen vergleichbaren Regeln bezüglich Umweltberichten?
Prof. Daniel Graewe: Sie sind in erster Linie ein Ausbau. Ich würde nicht sagen, dass sie besser sind, sondern strenger und weitergehend. Aber Europa kann das Klima nicht allein retten. Wir belasten unsere Wirtschaft mit den neuen Regeln stark und produzierendes Gewerbe wandert teilweise ins Ausland ab, wo es weniger strenge Regeln gibt. Das ist die Problematik, vor der wir stehen und niemand weiß, ob die europäische Wirtschaft das schafft. Das muss bei der Bewertung berücksichtigt werden.
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GREEN.WORKS: Was erwarten Sie von der neuen Regelung, wird sie gut umsetzbar sein und ihr Ziel von mehr Nachhaltigkeit erreichen?
Prof. Daniel Graewe: Ein positiver Aspekt wird sein, dass alle Aktivitäten zur Nachhaltigkeit in den Unternehmen ab sofort strukturiert erfasst werden. Zusätzliche Maßnahmen in Richtung ESG wird es an einigen Stellen sicherlich auch geben. Kurzfristig werden die neuen Regeln also definitiv etwas bringen, auch bei der Transparenz für Verbraucher. Dadurch werden die Unternehmen in die nachhaltige Richtung gelenkt. Wir müssen in der Zukunft dann sehen, wie die einzelnen Unternehmen mit den Regeln klarkommen, viele operieren ja schon an der Belastungsgrenze, ich sehe das auch kritisch. Besonders für solche, die bisher nicht besonders nachhaltig sind. Für die Nachhaltigkeit sind all diese Aspekte aber durchaus als positiv zu bewerten.