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BMF-Schreiben (Entwurf): „Einzelwertberichtigung bei Kreditinstituten“

Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder sind bei Kreditinstituten Einzelwertberichtigungen (EWB) von Kundenforderungen (§ 15 der Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute vom 11. Dezember 1998 – RechKredV – BGBl. I S. 3658) steuerlich nur anzuerkennen, soweit sie im Einklang mit den nachfolgenden Grundsätzen gebildet werden:

I. Maßstäbe der EWB von Kundenforderungen

1 Geldforderungen sind in der Steuerbilanz gemäß § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 1 EStG ebenso wie in der Handelsbilanz gemäß § 253 Absatz 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB) grundsätzlich mit ihren Anschaffungskosten anzusetzen. Diese entsprechen in der Regel ihrem Nennwert.

2 Ist der Teilwert einer Forderung niedriger als ihr Nennwert, weil zweifelhaft ist, ob die Forderung in Höhe des Nennwerts erfüllt werden wird (Ausfallrisiko), so kann statt des Nennwerts der niedrigere Teilwert angesetzt werden, wenn die Wertminderung voraussichtlich dauerhaft ist (§ 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 EStG). Zum Begriff der voraussichtlich dauernden Wertminderung wird auf das BMF-Schreiben vom 2. September 2016 (BStBl I S. 995) verwiesen.

3 Bei dem Teilwert handelt es sich um einen ausschließlich steuerrechtlichen Wertbegriff. Er tritt auf Grund des Bewertungsvorbehalts (§ 5 Absatz 6 EStG) für die Steuerbilanz zwingend an Stelle der handelsrechtlichen Werte. Ihm steht kein entsprechender handelsrechtlicher Wertbegriff gegenüber. Der Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Absatz 1 Nummer 1 Satz 3 EStG).

4 Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung ist bei Kundenforderungen als Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens gegeben, wenn die Minderung bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz oder dem vorangegangenen Verkaufszeitpunkt anhält. Handelsrechtliche Abschreibungen von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens, die nach dem strengen Niederstwertprinzip des § 253 Absatz 4 HGB in der Handelsbilanz vorgenommen werden müssen, aber nur einer vorübergehenden Wertminderung bedürfen, dürfen nicht in die steuerliche Gewinnermittlung (nachfolgend Steuerbilanz) übernommen werden.

5 Für die Umstände, die zur Bildung einer Wertberichtigung durch eine Teilwertabschreibung berechtigen, trägt das Kreditinstitut die Beweislast. Das Kreditinstitut muss belegen, dass seine Teilwertschätzung eine objektive betriebliche Grundlage hat. An den folgenden Bilanzstichtagen ist das Wertaufholungsgebot des § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 3 i. V. m. Nummer 1 Satz 4 EStG zu beachten.

1. EWB dem Grunde nach

6 Bei der Bewertung von Forderungen ist der Grundsatz der Einzelbewertung (§ 252 Absatz 1 Nummer 3 HGB) zu beachten. Gegenstand der Betrachtung ist daher das spezielle Ausfallrisiko des jeweiligen Vertragspartners.

7 Sind Forderungen mit einem über das latente Ausfallrisiko hinausgehenden akuten Ausfallrisiko behaftet, kann diesem Umstand im Wege der EWB Rechnung getragen werden. Die Frage, wann ein über das latente Ausfallrisiko hinausgehendes akutes Ausfallrisiko vorliegt, richtet sich in erster Linie nach der Bonität des Schuldners.

EWB (zweifelhafte Forderungen)Pauschalwertberichtigung (PWB) (werthaltige Forderungen)
EWBPauschalierte Einzelwertberichtigung (pEWB) 
akutes Ausfallrisikolatentes Ausfallrisiko
vorliegendes BMF-SchreibenBMF-Schreiben vom 10. Januar 1994 (BStBl I S. 98)

8 Für eine EWB dem Grunde nach reichen bloße Vermutungen oder pessimistische Beurteilungen der künftigen Entwicklung, für die am Bilanzstichtag kein greifbarer Anhaltspunkt vorliegt, nicht aus. Es müssen beim Schuldner bereits Merkmale erkennbar sein, die auf einen nicht vollen Eingang der Forderung schließen lassen. Es muss daher eine Zahlungsstörung vorliegen, die am Bilanzstichtag bereits eine gewisse Zeit besteht und mindestens bis zur Bilanzaufstellung anhält.

9 Kriterien für eine EWB dem Grunde nach sind stets:

a) 90 Tage ununterbrochener Zahlungsverzug;

b) drei aufeinanderfolgende rückständige Raten je Darlehenskonto;

c) Insolvenzantrag; 3

d) Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO durch den Schuldner oder

e) Tod des Schuldners bei überschuldetem Nachlass. Die Kriterien müssen am Bilanzstichtag vorliegen. Eine Zahlungsstörung im Sinne von a) und b) ist am Bilanzstichtag nicht gegeben, wenn die vertraglich vereinbarten Zahlungen wieder regelmäßig geleistet werden. Davon ist auszugehen, wenn bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz mindestens drei aufeinander folgende vertraglich vereinbarte Zahlungen geleistet worden sind.

10 Zieht das Kreditinstitut andere Kriterien zur Feststellung einer akuten Zahlungsstörung heran, hat es nachprüfbar aufzuzeichnen, dass am Bilanzstichtag der Teilwert der einzelnen Forderung dauerhaft wertgemindert ist.

11 EWB betreffen Forderungen, die dem Grunde nach bestehen und in die Bilanz aufzunehmen sind, deren Erfüllung aber zweifelhaft ist. Hiervon abzugrenzen sind solche Forderungen, die bilanziell bereits dem Grunde nach nicht anzusetzen sind.

12 In Abgrenzung zur EWB ist eine Forderung insbesondere dann bilanziell nicht anzusetzen, wenn

a) ein schwebendes Geschäft vorliegt,

b) sie unter einer aufschiebenden Bedingung steht und die Bedingung noch nicht eingetreten ist,

c) der Schuldner zu Recht die Einrede der Verjährung erhoben hat oder damit fest zu rechnen ist oder d) sie bestritten ist oder damit fest zu rechnen ist und über den Anspruch noch nicht rechtskräftig entschieden wurde oder eine Einigung zwischen den Parteien noch nicht zustande gekommen ist.

13 Während ein Ansatz bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zwingend ausscheidet, besteht bei EWB das unter Randnummer 2 beschriebene Wahlrecht für eine Wertberichtigung. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn nicht anzusetzende Forderungen in der Bilanz mit einem Erinnerungswert von null ausgewiesen werden, soweit sie auch in der Handelsbilanz als Merkposten enthalten sind.

2. EWB der Höhe nach

14 Der Teilwert einer Forderung (§ 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 i. V. m. Nummer 1 Satz 3 EStG) ist der Wert, den ein Erwerber des ganzen Betriebes am Bilanzstichtag für die Forderung bezahlen und zu dem der Veräußerer des ganzen Betriebes sie abgeben würde (BFH-Urteil vom 4. Dezember 1956 – I 99/56 U, BStBl III 1957 S. 16). Obergrenze für den Ansatz des 4 Teilwerts sind die Anschaffungskosten. Wertuntergrenze ist der losgelöst vom Unternehmen zu erzielende Einzelveräußerungspreis (BFH-Urteil vom 30. Januar 1980 – I R 89/79, BStBl II S. 327).

15 Ein (wegen des Ausfallrisikos) unter ihrem Nennbetrag liegender Teilwert von Geldforderungen kann im Allgemeinen innerhalb dieser Grenzen nur im Wege der Schätzung ermittelt werden. Dabei kommt dem Ermessen / der Einschätzung des Kaufmanns besondere Bedeutung zu. Maßgebend ist, ob ein vorsichtig bewertender Kaufmann nach der allgemeinen Lebenserfahrung aus den jeweiligen Umständen des Einzelfalls die Annahme eines – teilweisen – Forderungsausfalls herleiten darf. Die Zahlungsfähigkeit (Bonität) und die Zahlungswilligkeit eines Schuldners sind dabei individuell nach dessen Verhältnissen zu ermitteln.

16 Allerdings muss die Schätzung eine objektive Grundlage in den am Bilanzstichtag gegebenen Verhältnissen finden. Bloße Vermutungen oder Beurteilungen der künftigen Entwicklung, für die am Bilanzstichtag kein greifbarer Anhalt vorliegt, reichen nicht aus. Wegen der Schwierigkeiten, ein Ausfallwagnis als einen am Bilanzstichtag nicht sicher vorhersehbaren künftigen Umstand zu beurteilen, können entsprechende betriebliche Erfahrungen der Vergangenheit einen wertvollen Anhaltspunkt für die Schätzung bieten, solange sich die Verhältnisse nicht wesentlich geändert haben (BFH-Urteil vom 20. August 2003 – I R 49/02, BStBl II S. 941).

17 Soweit die Vielzahl einzelner Erkenntnisbausteine des Kaufmanns aus der Vergangenheit letztlich ihre softwaretechnische Umsetzung in EDV-gestützten Systemen findet, können diese Systeme Basis für eine EWB sein. Die einzelnen Bausteine dieser differenzierten Systeme sind Ausdruck des EDV-technisch umgesetzten kaufmännischen Erkenntnisstands. Die Ermittlung solcher EDV-gestützten EWB ist vom Kreditinstitut zu dokumentieren und maschinell nachprüfbar bereitzustellen. Zu den nötigen Aufzeichnungen gehört insbesondere die Verfahrensdokumentation gemäß Tz. 10.1 der Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) (BMF-Schreiben vom 28. November 2019, BStBl I S. 1269).

18 Für die Schätzung des Teilwerts sind die Verhältnisse am Bilanzstichtag (Stichtagsprinzip) maßgebend (BFH-Urteil vom 25. August 1983 – IV R 218/80, BStBl II 1984 S. 33). Dabei sind bis zum Tag der Bilanzerstellung erlangte Kenntnisse über den Wert von Forderungen zum Bilanzstichtag zu berücksichtigen. Als Tag der Bilanzerstellung ist der Tag maßgebend, an dem die Handelsbilanz vom Vorstand (Geschäftsführer) unterschrieben wurde (BFH-Urteil vom 15. September 2004 – I R 5/04, BStBl II 2009 S. 100), spätestens jedoch der letzte Tag des dritten auf den Bilanzstichtag folgenden Monats (§ 26 Absatz 1 Kreditwesengesetz (KWG)). Auch der Umstand einer späteren (teilweisen) Erfüllung der Forderung kann deren Wert zum Bilanzstichtag „aufhellen“. Der Wertermittlung zugrunde zu legen ist er jedoch nur, wenn er spätestens am Tag der Bilanzerstellung verwirklicht worden ist. Nach dem Tag der 5 Bilanzerstellung eingetretene Umstände oder erlangte Kenntnisse sind unbeachtlich (BFH-Urteil vom 20. August 2003 – I R 49/02, BStBl II S. 941).

a) Allgemeine Schätzungsgrundlagen

19 Die Möglichkeit zur Bildung einer EWB dem Grunde nach (Randnummern 6 bis 13) erlaubt in der Regel nicht die sofortige vollständige Abschreibung einer Forderung. Die Forderung ist mit ihrem wahrscheinlichen Wert anzusetzen.

20 Die Wertberichtigungsquote ist aus den institutsspezifischen Erfahrungen der Vergangenheit zu ermitteln. Hierbei hat das Kreditinstitut alle Faktoren zu dokumentieren, die den Wert der Forderung am Bilanzstichtag beeinflussen. Hierzu gehören insbesondere der Wert vorhandener Sicherheiten, die Dauer der Zahlungsstörung und der Umfang noch zu erwartender Tilgungsanteile. Die GoBD sind zu beachten (BMF-Schreiben vom 28. November 2019, a. a. O.). Bei Nichtvorlage dieser Unterlagen gehen die Unsicherheiten zu Lasten des Kreditinstituts.

21 Bei der Bemessung der jeweiligen EWB ist dabei beispielsweise zu berücksichtigen, dass

a) auch im Fall eines Insolvenzantrags regelmäßig keine vollständige Abschreibung möglich, sondern maximal nur auf die Höhe der zu erwartenden Insolvenzquote abzuschreiben ist. Bei Ansatz der Insolvenzquote ist jedoch zu beachten, dass im Einzelfall Sicherheiten zu Gunsten der Bank vorhanden sein können, die nicht in die Insolvenzquote fallen (§§ 49 f. InsO, abgesonderte Befriedigung). In diesen Fällen scheidet ein Ansatz allein nach der Insolvenzquote aus;

b) durch eigene Beitreibungsmaßnahmen des Kreditinstituts noch Zahlungseingänge auf die zu bewertende Kreditforderung erzielbar sind;

c) durch den möglichen Verkauf wertberichtigter oder abgeschriebener Forderungen an andere Institute oder Inkasso-Unternehmen nicht unerhebliche Kaufpreise zu erzielen sind oder

d) eine Restschuldversicherung greifen kann.

22 In die Wertberichtigungsquote sind alle noch zu erwartenden Zahlungseingänge auf die zu bewertende Forderung einzubeziehen. Dabei sind die Erfahrungen der Vergangenheit hinsichtlich der konkret zu bewertenden Forderung zu beachten. Nachträgliche Zahlungseingänge müssen der ursprünglichen Forderung nachvollziehbar zugeordnet werden. Die Einbeziehung dieser Zahlungen in die Wertberichtigungsquote ist vom Kreditinstitut nachzuweisen. Sollte ein solcher Nachweis nicht erbracht werden, ist dies im Rahmen der Schätzung zu berücksichtigen. Dabei sind auch bankenspezifische Erfahrungen der Vergangenheit für vergleichbare 6 Forderungen zu berücksichtigen, solange sich die Verhältnisse nicht wesentlich geändert haben.

b) Unbesicherte Forderungen

23 Für die Höhe der EWB bei unbesicherten Forderungen gelten die allgemeinen Schätzungsgrundlagen (Randnummern 19 bis 22).

24 Der Teilwert bei unbesicherten Forderungen ist wie folgt zu ermitteln:

Forderung nominal ./. noch zu erwartende Tilgungsanteile = Wertberichtung Forderung nominal ./. Wertberichtigung = Teilwert der Forderung

c) Besicherte Forderungen

25 Bei besicherten Forderungen gelten ebenfalls die allgemeinen Schätzungsgrundlagen (Randnummern 19 bis 22). Bei der Ermittlung einer EWB ist zunächst der Nennbetrag der Forderung um den Wert der Sicherheiten am Bilanzstichtag zu mindern (Blankoanteil der Forderung). Eine EWB ist maximal in der Höhe möglich, in der der Blankoanteil der Forderung nicht durch zu erwartende sonstige Tilgungsanteile des Schuldners gedeckt ist. Der Teilwert einer besicherten Forderung entspricht der Summe aus Sicherheitenwert und zu erwartenden sonstigen Tilgungsanteilen.

26 Der Teilwert bei besicherten Forderungen ist daher wie folgt zu ermitteln:

Forderung nominal ./. Sicherheiten = Blankoanteil Blankoanteil ./. noch zu erwartende sonstige Tilgungsanteile = Wertberichtigung Forderung nominal ./. Wertberichtigung = Teilwert der Forderung

27 Hierbei sind alle Sicherheiten zu erfassen, die der Forderung direkt (enger Sicherheitenzusammenhang, konkrete Zweckerklärung) oder indirekt (weiter Sicherheitenzusammenhang, globale Zweckerklärung) als Sicherheit dienen. Bei der Teilwertermittlung sind auch solche Sachen oder Rechte als Sicherheiten einzubeziehen, die das Kreditinstitut am Bilanzstichtag in seinem Besitz oder seiner Verfügungsmacht hat und auf die sich ein AGB-Pfandrecht des jeweiligen Kreditinstituts erstreckt. Sicherheiten sind grundsätzlich mit ihrem Verkehrswert (z. B. § 194 Baugesetzbuch) zu bewerten. Weitere Abzüge vom Verkehrswert können nur dann vorgenommen werden, wenn sich aus den betrieblichen Erfahrungen der Vergangenheit 7 für die jeweilige Sicherheitenverwertung nachweisbare Kosten ergeben haben, die tatsächlich zu einem geringeren Verwertungserlös führten.

Im Einzelnen gilt zudem:

aa) Grundschulden

28 Grundschulden sind mit 100 Prozent der eingetragenen Grundschuld zuzüglich des im Grundbuch individuell eingetragenen dinglichen Zinssatzes für drei Jahre nach Zinslaufbeginn, höchstens in Höhe des Verkehrswerts der mit dieser Grundschuld belasteten Immobilie unter Berücksichtigung der Verwertungskosten anzusetzen.

29 Noch valutierende Vorlasten sind ebenfalls unter Berücksichtigung dinglicher Zinsen zu berücksichtigen und deshalb vom Sicherheitenwert abzuziehen.

30 Abschläge auf den Verkehrswert im Rahmen der Beleihungswertermittlung des Kreditinstituts sind steuerlich unbeachtlich. Ist die Verkehrswertermittlung nicht auf den Bewertungsstichtag, sondern auf einen früheren Zeitpunkt datiert, so ist der ermittelte Verkehrswert gegebenenfalls auf den Bewertungsstichtag umzurechnen.

bb) Bürgschaften

31 Bürgschaften sind unter steuerlichen Gesichtspunkten mit ihrem Nominalbetrag anzusetzen, solange keine Gründe vom Kreditinstitut nachgewiesen worden sind, dass sich die Werthaltigkeit der Bürgschaft seit der Kreditvergabe bis zum Bewertungsstichtag geändert hat.

cc) Sicherungsübereignungen

32 Sicherungsübereignete Wirtschaftsgüter sind mit ihrem Verkehrswert anzusetzen. Aus Vereinfachungsgründen kann dieser aus den linear fortgeführten Anschaffungs-/Herstellungskosten abgeleitet werden, soweit dies nicht offensichtlich zu einem unzutreffenden Ergebnis führt.

dd) Bankguthaben, Wertpapierdepots u.a.

33 Bankguthaben sind mit dem Nennwert am Bilanzstichtag anzusetzen.

34 Wertpapierdepots sind mit dem Depotwert am Bilanzstichtag anzusetzen.

d) Kündigung und Fälligstellung der Forderung

35 Auch in Fällen der Kreditkündigung und handelsrechtlichen Abschreibung ist der Teilwert der Forderung in der Steuerbilanz nach den vorgenannten Grundsätzen zu jedem Bilanzstichtag neu zu bestimmen.

36 Eine Forderung aus einem gekündigten Bankdarlehen, bei dem wegen fehlender Solvenz des Schuldners nur noch mit dem Eingang des den nominalen Forderungsbetrag unterschreitenden Erlöses aus der Sicherheitenverwertung und nicht mehr mit Zinszahlungen gerechnet werden kann, ist dabei auf den Betrag des zu erwartenden Erlöses zu reduzieren und mit dem kreditinstitutsspezifischen Refinanzierungssatz auf den Zeitpunkt abzuzinsen, zu dem mit dem Eingang des Erlöses zu rechnen ist (BFH-Urteil vom 24. Oktober 2006 – I R 2/06, BStBl II 2007 S. 469).

3. Besonderheiten bei pEWB

37 Forderungen können ebenso wie andere gleichartige Wirtschaftsgüter zu Sammelposten in der Bilanz zusammengefasst und pauschal wertberichtigt werden, wenn die Gemeinsamkeiten die Unterschiede überwiegen und die individuelle Behandlung schwierig oder unzumutbar erscheint (BFH-Urteil vom 16. Juli 1981 – IV R 89/80, BStBl II S. 766).

38 Sachverhalte, in denen eine individuelle Betrachtung der einzelnen Kreditforderung erforderlich ist (wie beispielsweise unter § 18 KWG fallende Sachverhalte, Beitreibungsfälle, an die Rechtsabteilung abgegebene Fälle, sog. „Schwarzbereich“), sind von einer pEWB ausgenommen.

39 Bei Massenkreditverfahren erscheint eine strikte Einzelbewertung der Forderungen in der Praxis nicht durchführbar, so dass hier die akuten Risiken durch pEWB abgebildet werden können.

40 Die Bewertung vorhandener Sicherheiten kann nicht in einem pEWB-Verfahren erfolgen. Die Grundsätze der Randnummern 25 bis 36 gelten entsprechend. Eine pEWB ist daher nur möglich, soweit der Nennbetrag der Forderung den Wert der Sicherheiten zuzüglich zu erwartender sonstiger Tilgungsanteile am Bilanzstichtag übersteigt.

a) Bildung homogener Gruppen

41 Dem Einzelbewertungsgrundsatz wird in Fällen der pEWB dann entsprochen, wenn Einzelforderungen mit gleichen Merkmalen zu homogenen Risikogruppen / Portfolios zusammengefasst und anhand einheitlicher (objektiver) Kriterien mit einem bestimmten EWB-Satz belegt werden. Die Gruppenbildung muss den institutsspezifischen Belangen gerecht werden und die jeweilige Risikogruppe / das jeweilige Portfolio muss hinreichend groß und repräsentativ sein.

42 Dabei dürfen pEWB jedoch ausschließlich auf die zahlungsgestörten Forderungsbestände angewandt werden, für die eine EWB dem Grunde nach möglich wäre (akutes Ausfallrisiko).

43 Bei der Bildung von pEWB sind insbesondere die von den Kreditinstituten vorgehaltenen Daten der Finanzverwaltung nachvollziehbar offen zu legen. b) Methoden der pEWB

44 Die konkrete Ermittlung der jeweiligen Wertberichtigungsquoten hat insgesamt nach einem einheitlichen Verfahren auf der Grundlage der institutsspezifischen Erfahrungen der Vergangenheit (i. d. R. der letzten fünf Jahre) zu erfolgen. Das Verfahren muss durch das Kreditinstitut ausreichend dokumentiert und durch die Finanzverwaltung nachvollziehbar und überprüfbar sein.

45 Hierbei können IT-gestützte Verfahren verwendet werden. Die steuerliche Anerkennung dieser Wertberichtigungsquoten steht dabei unter dem Vorbehalt, dass keine zukünftigen Entwicklungen der Kreditforderungen antizipiert werden dürfen und die Angemessenheit der Wertberichtigungsquoten jährlich überprüft wird (Backtesting). Die Ergebnisse dieser Angemessenheitsprüfung sind der Finanzverwaltung im Rahmen der Prüfung nachzuweisen.

c) Scoringverfahren

46 Scoringverfahren können steuerlich nur dann anerkannt werden, wenn die unter den Randnummern 37 bis 45 genannten Kriterien erfüllt sind.

d) Abbildung latenter Ausfallrisiken in einem pEWB-System

47 Soweit latente Risiken im Rahmen eines Gruppenbewertungsverfahrens abgebildet werden sollen, kann ein solches Verfahren im konkreten Einzelfall den individuellen Verhältnissen 10 besser Rechnung tragen. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn die so ermittelte Wertberichtigung die maximal zulässige Pauschalwertberichtigungsquote nach dem Berechnungsschema des BMF-Schreibens „Pauschalwertberichtigung bei Kreditinstituten“ vom 10. Januar 1994 (a. a. O.) nicht überschreitet.

II. Steuerliches Vereinfachungsverfahren

48 Anstelle einer Einzelbewertung nach Abschnitt I kann das Kreditinstitut einheitlich für Forderungen im Sinne des § 15 der Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute vom 10. Februar 1992 (RechKredV) die folgende standardisierte EWB mit festen Wertberichtigungsquoten wählen, deren Berechnung an der Dauer der Zahlungsstörung (Zahlungsverzug) ausgerichtet ist.

49 Die Entscheidung über die Anwendung des steuerlichen Vereinfachungsverfahrens kann für jedes Wirtschaftsjahr bis zur erstmaligen elektronischen Übermittlung der Bilanz gemäß § 5b Absatz 1 EStG an die Finanzverwaltung getroffen werden. Eine Inanspruchnahme danach ist für dieses Wirtschaftsjahr dann nicht mehr möglich. Wählt das Kreditinstitut das steuerliche Vereinfachungsverfahren, ist es für dieses Wirtschaftsjahr an diese Entscheidung gebunden.

50 Das steuerliche Vereinfachungsverfahren umfasst Forderungen, die einzeln wertberichtigt oder pauschaliert einzelwertberichtigt werden können. Es ist auf den gesamten in Randnummer 48 genannten Forderungsbestand nur einheitlich anzuwenden. Der Wertansatz der Summe dieser Forderungen in der Steuerbilanz darf den zulässigen Ansatz ihrer Summe in der Handelsbilanz nicht unterschreiten.

51 Das Vereinfachungsverfahren kann nur in Anspruch genommen werden, wenn das Kreditinstitut die Zahlungsstörung und die Einordnung der jeweiligen Forderung als besichert oder unbesichert für die Finanzverwaltung nachprüfbar elektronisch dokumentiert.

1. Zahlungsverzug

52 Das Merkmal Zahlungsverzug im Rahmen des vorliegenden Vereinfachungsverfahrens ist für jede einzelne Forderung separat zu ermitteln. Ein Zahlungsverzug liegt vor, wenn ein Schuldner seine Schuld bis zur vom Gläubiger eingeräumten oder festgelegten Frist nicht vollständig bezahlt. 11 2. Zahlungsverzug von unter 90 Tagen

53 Soweit bei einer Kreditforderung ein Zahlungsverzug von unter 90 Tagen besteht, ist die Forderung mit dem Nennwert anzusetzen. Für diese Kundenforderungen können PWB gemäß BMF-Schreiben vom 10. Januar 1994 (a. a. O.) gebildet werden.

3. Zahlungsverzug von mindestens 90 Tagen

54 Ab einem ununterbrochenen Zahlungsverzug am Bilanzstichtag von 90 Tagen ergibt sich die Wertberichtigungsquote durch ratierliche Verteilung der Wertberichtigung im Wertberichtigungszeitraum. Hierbei wird bei unbesicherten Forderungen ein Wertberichtigungszeitraum von insgesamt 360 Tagen und bei besicherten Forderungen ein Zeitraum von 660 Tagen unterstellt. Als unbesichert gelten auch Forderungen für die zwar ein AGB-Pfandrecht vereinbart ist, das Kreditinstitut am Bilanzstichtag aber keine pfändbaren Sachen oder Rechte des Kunden in seinem Besitz hat.

55 Bei unbesicherten Forderungen beginnt die Wertberichtigung mit 10 Prozent und erhöht sich alle 30 Tage um weitere 10 Prozent bis zu einer vollständigen Abschreibung nach Ablauf von 360 Tagen Zahlungsverzug.

56 Bei besicherten Forderungen beginnt die Wertberichtigung mit 1 Prozent und erhöht sich alle 30 Tage um weitere 1 Prozent bis sich nach Ablauf von 660 Tagen Zahlungsverzug eine Abschreibung von maximal 20 Prozent des Nominalwerts der Forderung auf den pauschalen Sicherheitenwert ergibt. Eine Einzelermittlung der jeweiligen Sicherheitenwerte und zukünftigen Tilgungsleistungen ist bei Anwendung des steuerlichen Vereinfachungsverfahrens ausgeschlossen. Die Höhe des jeweiligen Sicherheitenwerts ist für die Einordnung als besicherte Forderung unerheblich. Als Sicherheit im Rahmen des Vereinfachungsverfahrens gilt auch der Abschluss einer Restschuldversicherung, unabhängig vom Umfang der abgesicherten Risiken.

57 Sind bei besicherten Forderungen alle vorhandenen Sicherheiten verwertet, ist die Forderung vollständig abzuschreiben.

4. Übersicht über das steuerliche Vereinfachungsverfahren

58

Zahlungsverzug am Bilanzstichtag in TagenWertberichtigungsquote in Prozent 
< 90entsprechend den Regelungen des BMF-Schreibens vom 10. Januar 1994 (a. a. O.) 
 Unbesicherte ForderungenBesicherte Forderungen
ab 90101
ab 120202
ab 150303
ab 180404
ab 210505
ab 240606
ab 270707
ab 300808
ab 330909
ab 36010010
ab 390 11
ab 420 12
ab 450 13
ab 480 14
ab 510 15
ab 540 16
ab 570 17
ab 600 18
ab 630 19
Ab 660 20

III. Anwendungsregelung

59 Das BMF-Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden.

60 Das Vereinfachungsverfahren aus Abschnitt II darf erst für nach der Veröffentlichung des BMF-Schreibens im Bundessteuerblatt endende Wirtschaftsjahre in Anspruch genommen werden. Es ist letztmals für vor dem 1. Januar 2031 endende Wirtschaftsjahre anzuwenden. Es ist eine Evaluierung des BMF-Schreibens mit dem Ziel einer praxistauglichen Verlängerung vorgesehen.

Schlussbestimmungen

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Ab sofort steht es für eine Übergangszeit auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen (http://www.bundesfinanzministerium.de) unter der Rubrik Themen ‐ Steuern ‑ Steuerarten ‐ Einkommensteuer zur Verfügung.