Krisenbewältigung fordert die öffentlichen Haushalte weiter heraus
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Der Stabilitätsrat tagte am 16. Dezember 2022 unter dem Vorsitz des Bundesministers der Finanzen, Christian Lindner, und der Ministerin der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz, Doris Ahnen.
Die durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine verursachte und andauernde Energiekrise beeinträchtigt die konjunkturelle Entwicklung und zieht – nach den erforderlichen Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie – eine weitere erhebliche Belastung für die öffentlichen Haushalte nach sich. Bund und Länder arbeiten in dieser außergewöhnlichen Lage gemeinsam daran, die negativen Auswirkungen der Energiekrise auf die Volkswirtschaft abzufedern.
„Wir haben in der Krise enorme Anstrengungen unternommen, um die Menschen zu entlasten und Strukturbrüche zu vermeiden. Die Entlastungspakete, deren Kosten hauptsächlich der Bund trägt, sind richtig und notwendig. Diese Entlastungen und insbesondere der Abwehrschirm spiegeln sich im Bundeshaushalt wieder und beeinflussen das gesamtstaatliche Defizit. Spätestens wenn die Maßnahmen ab dem Jahr 2024 auslaufen, werden wir eine Normalisierung der Staatsfinanzen sehen. Auch angesichts der enormen Herausforderungen ist haushaltspolitische Stabilität wichtiger denn je. Nur so werden wir unsere finanzielle Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit bewahren. Um unseren Wohlstand zu sichern, müssen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Das schaffen wir nur, indem wir in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes investieren, bürokratische Hemmnisse beseitigen und unser Steuerrecht attraktiv gestalten. Dafür müssen wir stärker als bisher Ausgaben priorisieren. Für diesen Prozess ist der Stabilitätsrat eine wertvolle Hilfe, der die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte im Blick behält.“
Bundesminister der Finanzen, Christian Lindner
„Bund und Länder haben umfangreiche Maßnahmen beschlossen und dafür auch kreditfinanziert Mittel zur Bewältigung der multiplen Krisen bereitgestellt. Das ist richtig, denn Bevölkerung wie Privatwirtschaft dürfen in einer solch angespannten Lage nicht alleingelassen werden. Die Schuldenbremse ermöglicht uns dieses flexible Handeln, da sich der Staat in einer außergewöhnlichen Notlage befindet. Neben der akuten Krisenbekämpfung besteht die Notwendigkeit, die ökologische Transformation hin zur Klimaneutralität beschleunigt voran zu bringen. Auch das erfordert neben Investitionen aus der Privatwirtschaft hohe staatliche Ausgaben. Und auch darauf müssen wir Antworten finden. Die Herausforderung für die nächsten Jahre ist entsprechend groß.“
Die Ministerin für Finanzen des Landes Schleswig-Holstein, Monika Heinold
„In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist der Staat als Stabilitätsanker gefragt. Gemeinsames Ziel von Bund und Ländern muss es daher sein, aktiv zur Stabilisierung unserer Volkswirtschaft beizutragen. Es gilt, jetzt Vorsorge zu treffen, um allen staatlichen Ebenen verlässliche Rahmenbedingungen zu geben und einem dauerhaften und tiefen Abschwung der Wirtschaft entgegenzutreten. Entscheidend ist daher, dass wir konkrete Krisenhilfen sicherstellen, die Handlungsfähigkeit des Staates in Krisensituationen verbessern und zur Krisenvorsorge den Strukturwandel zur Reduktion der Energieabhängigkeit beschleunigen. So kommt Deutschland gestärkt durch die Krise.“
Der Minister der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Marcus Optendrenk
Im laufenden Jahr könnte das gesamtstaatliche strukturelle Defizit bei 2 ½ % des BIP liegen und im Jahr 2023 auf bis zu rund 3 ¼ % des BIP ansteigen. Wie schon in den beiden Vorjahren ist die Überschreitung des mittelfristigen Haushaltsziels, d.h. des strukturellen Defizits von 0,5 % des BIP, auch in den Jahren 2022 und 2023 aufgrund der europäischen Ausnahmeregel zulässig. Die Vorgabe, auf dem Anpassungspfad hin zum mittelfristigen Haushaltsziel das strukturelle Defizit als Richtwert um 0,5 Prozentpunkte pro Jahr abzubauen, hält Deutschland zwar im Durchschnitt der Jahre 2024 bis 2026 ein. Gleichwohl sind durch die Entwicklung in den letzten Monaten die Herausforderungen für Deutschland, die gesamtstaatlichen Defizitvorgaben in den nächsten Jahren einzuhalten, spürbar gestiegen.
Das erhöhte gesamtstaatliche Defizit ist in starkem Ausmaß auf die temporären Maßnahmen zur Bewältigung der Energiekrise in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zurückzuführen. Diese sind unabdingbar, um private Haushalte und Unternehmen – unter Beibehaltung von Anreizen zum Energiesparen – zeitlich befristet gezielt zu entlasten und die Energieversorgung sicherzustellen. Auf diese Weise werden bleibende volkswirtschaftliche Schäden vermieden. Derzeit sieht der Stabilitätsrat auch vor dem Hintergrund der bestehenden Unsicherheiten davon ab, Maßnahmen zur Rückführung des überhöhten Finanzierungsdefizits zu empfehlen.
Der Beirat des Stabilitätsrates hält die Ergebnisse der Finanzprojektion für vertretbar. Auf Basis der derzeitigen finanzpolitischen Beschlüsse und der bisher günstigen Entwicklung im laufenden Jahr könnten die Defizite für das laufende und das kommende Jahr jedoch niedriger als vom Stabilitätsrat erwartet ausfallen. Die Projektion der Staatsfinanzen ist nach Einschätzung des Beirats derzeit außergewöhnlich unsicher. Vor dem Hintergrund der hohen strukturellen Defizitquote in Deutschland bis 2026 setzt sich der Beirat für eine Umsetzung der Empfehlungen der EU-Kommission für eine weniger expansive nationale Finanzpolitik beziehungsweise zielgerichtetere Maßnahmen ein.
Der Stabilitätsrat hat bei der Überwachung der Einhaltung der grundgesetzlichen Schuldenbremse festgestellt, dass sich aus seinem an den europäischen Vorgaben orientierten harmonisierten Analysesystem für die Jahre 2022 und 2023 beim Bund und bei allen Ländern keine Beanstandungen ergeben.
Der Stabilitätsrat hat sich turnusgemäß auch mit der Haushaltsüberwachung zur Vermeidung drohender Haushaltsnotlagen befasst. Die Indikatoren für die Freie Hansestadt Bremen sind weiterhin auffällig. Der Stabilitätsrat stellt auf der Grundlage des Berichts des Evaluationsausschusses fest, dass dort trotz der zwischenzeitlichen Verbesserungen der Kennziffern eine Haushaltsnotlage droht. Bremen wird dem Stabilitätsrat zu seiner Sitzung zum Jahresende 2023 Vorschläge für ein Sanierungsprogramm vorlegen.
Die Beschlüsse und die Beratungsunterlagen werden veröffentlicht unter: www.stabilitaetsrat.de.