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Referentenentwurf einer Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV)

Gz: IV B 5 – S1341/20/10003 :002 DOK: 2022/0647616

Die Bundessteuerberaterkammer bedankt sich für die Möglichkeit zum o. g. Entwurf Stellung zu nehmen:

Mit dem Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz – AbzStEntModG) vom 2. Juni 2021 (BGBl. I 2021, S. 1259) wurden die Regelungen zum Fremdvergleichsgrundsatz an die aktuellen OECD-Verrechnungspreisleitlinien angepasst und neu strukturiert. Dadurch verweisen die entsprechenden Regelungen der bisherigen Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) nicht mehr auf die aktuelle Fassung des Gesetzes oder wurden durch die Aufnahme ins Gesetz obsolet.

Daher begrüßen wir grundsätzlich, dass durch den nun vorgelegten Referentenentwurf die Regelungen der FVerlV mit den gesetzlichen Bestimmungen in Einklang gebracht und Unklarheiten sowie Anwendungsprobleme der bisherigen Fassung beseitigt werden sollen. Dabei soll sich die neue Verordnung ausweislich der Begründung zum Referentenentwurf im Wesentlichen an der bisherigen FVerlV orientieren.

Zwar orientiert sich der Referentenentwurf stark an der aktuellen FVerlV. Allerdings enthält der Referentenentwurf teilweise drastische Verschärfungen insbesondere in Bezug auf den Tatbestand einer Funktionsverlagerung, die teilweise nicht im Einklang mit dem Gesetz stehen. Eine Begründung für eine solche Ausweitung ist nicht ersichtlich und dem Verordnungsentwurf nicht zu entnehmen.

Eine weitere Verschärfung ergibt sich hinsichtlich der Nachweisführung. Denn nach den Ausführungen des Verordnungsentwurfs soll eine reine Glaubhaftmachung in Bezug auf Funktionsverdopplungen, auf eine Begrenzung des Kapitalisierungszeitraums oder auf Schadensersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche nicht mehr ausreichen; stattdessen soll der Steuerpflichtige künftig Nachweise erbringen. Auch diese Verschärfungen stehen vielfach Abt. Steuerrecht und Rechnungslegung nicht mit dem Gesetzeswortlaut bspw. nach § 1 Abs. 3b Satz 2 AStG im Einklang und führen zu einer den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen entgegenstehenden Beweislastumkehr.

Unsere Anmerkungen zu den einzelnen Regelungen können Sie den nachstehenden Ausführungen entnehmen.

Zu § 1 FVerlV-E

Während die Definition einer Funktion in § 1 Abs. 1 FVerlV-E dem bisherigen Wortlaut entspricht, soll die Definition der Funktionsverlagerung an die Neufassung des § 1 Abs. 3b AStG angepasst werden, wonach es für das Vorliegen einer Funktionsverlagerung nunmehr ausreicht, dass Wirtschaftsgüter oder sonstige Vorteile verlagert werden. Dabei bleiben die Unschärfen hinsichtlich der Termini „Funktion“ und „Funktionsverlagerung“ allerdings weiterhin bestehen, sodass die bestehenden Rechtsunsicherheiten bezüglich des Vorliegens einer Funktion bzw. einer Funktionsverlagerung nicht gemindert werden.

Zudem sollen die Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen einer Funktionsverlagerung nach den Ausführungen des Referentenentwurfs im Vergleich zu der neuen Gesetzesfassung erheblich ausgeweitet werden. Denn im Gegensatz zum Gesetzeswortlaut soll eine Funktionsverlagerung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV-E vorliegen, „[…] wenn eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der gegebenenfalls mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile ganz oder teilweise übertragen oder überlassen wird, so dass das übernehmende Unternehmen diese Funktion ausüben oder eine bestehende Funktion ausweiten kann.“

Dies hätte zur Konsequenz, dass durch das Hinzufügung des Wortes „gegebenenfalls“ die Übertragung bzw. Überlassung von Wirtschaftsgütern nach Ansicht des Verordnungsgebers kein Tatbestandsmerkmal mehr sein soll, obgleich ohne eine solche Übertragung oder Überlassung nach dem Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 3b AStG gerade keine Funktionsverlagerung vorliegt. Sollte es nach Ansicht des Verordnungsgebers nicht weiterhin erforderlich sein, dass Wirtschaftsgüter oder Vorteile übertragen werden, würden die Tatbestandsvoraussetzungen in Abweichung vom Gesetzeswortlaut erheblich ausgeweitet werden.

Auch eine Übertragung bzw. Überlassung einer Funktion im Ganzen soll ausweislich des Referentenentwurfs nicht mehr nötig sein; vielmehr soll bereits die „teilweise“ Übertragung bzw. Überlassung ausreichen, um den Tatbestand einer Funktionsverlagerung zu verwirklichen. Falls hiermit auch Teilfunktionen miterfasst werden sollen, würde der bereits bislang vollkommen unscharfe Begriff der Funktion so weit ausgehöhlt, dass die Ermittlung einer „Nicht-Funktion“ in der Praxis zusätzlich erschwert würde. Aus der gesetzlichen Änderung im § 1 Abs. 3b AStG ergeben sich solche Ausweitungen des Tatbestandes einer Funktionsverlagerung jedenfalls nicht.

Des Weiteren soll die Funktionseinschränkung beim verlagernden Unternehmen nach Auffassung des Verordnungsgebers offenbar nicht mehr Tatbestandsmerkmal einer Funktionsverlagerung sein. Denn die bisherige kausale Bedingung „damit das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist, und dadurch die Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird“ soll ausweislich des § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV-E in „[…]so dass das übernehmende Unternehmen diese Funktion ausüben oder eine bestehende Funktion ausweiten kann“ geändert werden. Während dem Austausch des „damit“ durch „so dass“ keine praktische Bedeutung zukommen dürfte, erscheint es hingegen fraglich, weshalb der Verordnungsgeber die Funktionseinschränkung bei dem verlagernden Unternehmen aus dem Tatbestand herauszunehmen und eine Ausweitung einer bestehenden Funktion beim übernehmenden Unternehmen nun zu einer Funktionsverlagerung zu erheben beabsichtigt.

Der Gedanke einer Funktionseinschränkung wird zwar in § 1 Abs. 5 Satz 1 FVerlV-E aufgeführt, wonach keine Funktionsverlagerung vorliegt, „[…] wenn es innerhalb von fünf Jahren nach Aufnahme der Funktion durch das übernehmende Unternehmen zu keiner Einschränkung der Ausübung der betreffenden Funktion beim verlagernden Unternehmen kommt, obwohl die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 erfüllt sind (Funktionsverdoppelung).“ Kommt es innerhalb dieses Zeitraums zu einer solchen Einschränkung, liegt nach § 1 Abs. 5 Satz 2 FVerlV-E „[…] insgesamt eine Funktionsverlagerung vor, es sei denn, der Steuerpflichtige weist nach, dass diese Einschränkung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Funktionsverdoppelung steht.“ Nach den bisherigen Regelungen in der FVerlV reicht hier die Glaubhaftmachung des Steuerpflichtigen aus. Diese Verschärfung führt zu einer Umkehr der Beweislast, die nicht in Einklang mit den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen steht und deshalb abzulehnen ist. Auch gemäß § 1 Abs. 3b Satz 2 AStG reicht bspw. die Glaubhaftmachung für den Nachweis aus, dass die verbleibende Escape-Regel erfüllt ist.

Von der Bestimmung des Einigungsbereichs auf Grundlage des Transferpakets kann nach § 1 Abs. 3b Satz 2 AStG abgesehen werden, wenn „[…] weder wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren.“ In § 1 Abs. 3 FVerlV-E wird nunmehr nur noch die Wesentlichkeit von immateriellen Wirtschaftsgütern definiert. Sonstige Vorteile hat der Verordnungsgeber in dem Referentenentwurf indes aus der Wesentlichkeitsbetrachtung ausgeschlossen. Sollten damit nun bereits schon unwesentliche sonstige Vorteile für die Transferpaketbesteuerung ausreichen, wäre dies eine weitere erhebliche Verschärfung. Davon könnten u. a. die Übertragungen von Routinefunktionen betroffen sein. Dies ist zudem problematisch, da der Terminus „sonstige Vorteile“ nicht definiert wird und damit unklar bleibt.

Insgesamt werden durch die vorgesehenen Änderungen die Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen einer Funktionsverlagerung deutlich ausgeweitet. Insbesondere in Betriebsstättenfällen oder bei Personalentsendungen ergeben sich hieraus eine Reihe ungeklärter Fragen. Dies führt zu drastischen Verschärfungen zu Lasten des Steuerpflichtigen, geht teilweise über das Gesetz hinaus und ist darum abzulehnen. Zudem fehlt eine Begründung für eine solche Ausweitung. Es erscheint fraglich, ob dies von der Ermächtigung durch das Gesetz gedeckt ist. Zudem regen wir an, die derzeitige Regelung des § 1 Abs. 7 FVerlV in den Verordnungsentwurf aufzunehmen, um künftige Unsicherheiten und Diskussionen hinsichtlich des Vorliegens von Funktionsverlagerungen nicht zu verschärfen.

Zu § 2 FVerlV-E

Bei der Ermittlung des Einigungsbereichs, aus welchem sich der Wert des Transferpakets bestimmt, sollen nach § 2 Satz 1 FVerlV-E künftig auch Steuereffekte berücksichtigt werden.

Diese Auffassung hat die Finanzverwaltung bereits in den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung (BMF-Schreiben v. 13. Oktober 2010, Tz. 128) dargelegt. Die Frage, ob diese Steuereffekte nach Maßgabe des international geltenden Fremdvergleichs bei der Bewertung zu berücksichtigen sind, ist jedoch international bis heute nicht Konsens, sondern höchst umstritten. Darum beurteilen wir eine Aufnahme in die FVerlV-E kritisch. Zudem wird der Begriff „Steuereffekte“ in dem Verordnungsentwurf nicht weiter definiert und bleibt damit in seiner Reichweite unklar. Ebenso bleibt offen, wie konkret Steuereffekte zu berücksichtigen sind.

Zu § 3 FVerlV-E

Die derzeit in § 4 FVerlV enthaltenen Regelungen zu Bestandteilen des Transferpakets sollen größtenteils in § 3 FVerlV-E übernommen werden. Ersatzlos gestrichen werden soll dabei die Regelung des bisherigen § 4 Abs. 2 FVerlV, wonach auf Antrag des Steuerpflichtigen von einer Nutzungsüberlassung auszugehen ist, wenn Zweifel bestehen, ob hinsichtlich des Transferpakets oder einzelner Teile eine Übertragung bzw. eine Nutzungsüberlassung anzunehmen ist. Diese Streichung soll ausweislich der Begründung keine Verschärfung darstellen. Sondern mangels konkreten Regelungsgehalts nicht mehr benötigt werden; die dort bislang angesprochenen Zweifelsfälle sollen durch die zutreffende Anwendung des übrigen geltenden Steuerrechts zuverlässig geregelt werden.

Wir regen an, von einer Streichung abzusehen, da diese eindeutigen Regelungen für die Praxis eine erhebliche Vereinfachung und Rechtssicherheit bedingt, im Zweifel eine Lizenzierung der Funktionsverlagerung anstelle einer Einmalzahlung anzunehmen. Die avisierte Streichung könnte künftig zu erhöhten Unsicherheiten führen.

Zu § 4 FVerlV-E

§ 4 FVerlV-E zum Kapitalisierungszinssatz entspricht größtenteils dem bisherigen § 5 FVerlV.

Nach § 4 Satz 3 FVerlV-E soll sich die Bemessung des funktions- und risikoadäquaten Zuschlags bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes dabei nicht wie bislang auf unternehmensübliche Vergleichsparameter beziehen, sondern sowohl für das übernehmende als auch für das verlagernde Unternehmen unter Berücksichtigung der jeweils zur Risikobeurteilung relevanten Umstände in vergleichbaren Fällen zwischen fremden Dritten bemessen werden.

Ausweislich der Verordnungsbegründung soll durch diese „klarstellende“ Neufassung herausgestellt werden, dass der anzuwendende Risikozuschlag sich nicht nur auf „unternehmensübliche“ Vergleichsparameter bezieht, sondern einen Transaktionsbezug aufweisen muss, den auch fremde Dritte in ihre Überlegungen einbeziehen würden, sodass der Risikozuschlag „marktüblich“ ist. Dies mag zwar durchaus nachvollziehbar und sinnvoll erscheinen. Es ist aber fraglich, ob in der Praxis stets eine Ermittlung eines vom Kapitalmarkt abgeleiteten risikoadäquaten Zuschlags für einzelne Funktionen tatsächlich möglich und diese Regelung mithin praktikabel ist.

Zu § 5 FVerlV-E

In der Verordnungsbegründung wird festgestellt, dass § 5 FVerlV-E dem bisherigen § 6 FVerlV entspricht. Diese Beurteilung geht leider fehl. Vielmehr beinhalten die Regelungen zum Kapitalisierungszeitraum dahingehend eine Verschärfung, dass ein unbegrenzter Kapitalisierungszeitraum zu Grunde zu legen ist, wenn der Steuerpflichtige keine Gründe für einen bestimmten, von den Umständen der Funktionsausübung abhängigen Kapitalisierungszeitraum nachweist.

Demgegenüber ist nach der derzeitigen Fassung des § 6 FVerlV die Glaubhaftmachung bzw. Nichtersichtlichkeit solcher Gründe ausreichend. Es fehlt aber an einer Begründung für diese Verschärfung, die in der Praxis durch den Steuerpflichtigen regelmäßig nicht zu erfüllen sein wird. Diese Erhöhung der Beweislastschwelle würde zu erheblichen Problemen führen, da der Verordnungsentwurf auch keine Hinweise gibt, wie ein solcher Nachweis zu führen ist. Wir regen an, den Wortlaut des bisherigen § 6 FVerlV beizubehalten und keine zusätzliche Verschärfung hinsichtlich der Nachweisführung vorzusehen.

Zu § 7 FVerlV-E

Nach der Verordnungsbegründung entspricht § 7 FVerlV-E dem bisherigen § 8 FVerlV mit redaktionellen Folgeanpassungen. Die Regelungen in § 7 FVerlV-E zu Schadensersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüchen enthalten allerdings ebenfalls eine drastische Verschärfung hinsichtlich der Nachweispflichten des Steuerpflichtigen.

Während in Satz 1 des § 7 FVerlV-E auch weiterhin auf die Glaubhaftmachung des Steuerpflichtigen abgestellt wird, soll der Steuerpflichtige gemäß Satz 2 des § 7 FVerlV-E aber zusätzlich einen Nachweis erbringen statt wie bislang glaubhaft zu machen. Auch diese Verschärfung erfolgt ohne weitere Begründung. Und führt zu einer Umkehr der Beweislast, die nicht in Einklang mit den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen steht und deshalb abzulehnen ist. Auch nach § 1 Abs. 3b Satz 2 AStG reicht bspw. die Glaubhaftmachung aus.