In der „Eingabe 002/2022“ (vom 14.01.2022) der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) heißt es:
Vorschläge der Bundessteuerberaterkammer zu den internationalen Aspekten der Modernisierung der Betriebsprüfung
Sehr geehrte Damen und Herren,
neben dem bereits adressierten Reformbedarf der Betriebsprüfung auf nationaler Ebene besteht bei den Rechtsinstituten für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ebenfalls Optimierungsbedarf. Zunehmend werden kooperative Verfahren angewendet, die auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Steuerpflichtigen und den Finanzverwaltungen abzielen, um durch ein hohes Maß an Transparenz und gesteigertes Vertrauen effiziente Verfahren zu gewährleisten.
Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es aus Sicht der Steuerpflichtigen und deren Berater einem Plus an Rechtssicherheit. Nationale Rechtsgrundlagen müssen für alle Verfahren geschaffen werden. Um ressourcenschonend arbeiten zu können, sollten die Verfahren zudem beschleunigt werden und rechtlich bindende Ergebnisse erzielen. Sowohl die Antrags- und Mitwirkungsrechte als auch die verfahrensrechtliche Stellung der Steuerpflichtigen müssen erheblich ausgeweitet werden.
Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen sollten die Zugangsschwellen zu den kooperativen Verfahren verringert werden. Sie verfügen in der Regel nicht über ein Netzwerk international tätiger Beratungsunternehmen, repräsentieren aber quantitativ den weitaus größten Teil der von diesen Verfahren betroffenen Steuerpflichtigen.
Zur Verbesserung der Durchführung von Joint Audits und Vorabverständigungsverfahren sowie der Einführung von Cooperative Compliance-Ansätzen ins nationale Recht hat die Bundessteuerberaterkammer Vorschläge erarbeitet, die wir in der Anlage im Einzelnen darstellen.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. (…)
Vorschläge der Bundessteuerberaterkammer zu den Internationalen Aspekten der Modernisierung der Betriebsprüfung
Modernisierung der Betriebsprüfung: Internationale Aspekte
I. Ausgangssituation
Mit dem Umfang grenzüberschreitender Aktivitäten von Unternehmen nehmen deren internationalen Besteuerungskonflikte zu. Oftmals betreffen diese die Betriebsstättenbesteuerung und Verrechnungspreisfragestellungen. Unternehmen haben aufgrund abweichender Regelungsgefüge in den unterschiedlichen Staaten bzw. abweichende Auslegungen bilateraler Verträge oder supranationaler Verlautbarungen Schwierigkeiten, Doppelbesteuerung zu vermeiden. Den Finanzverwaltungen stehen Informationen in einem Umfang zur Verfügung, der noch vor einiger Zeit undenkbar war. Für grenzüberschreitend tätige Unternehmen und ihre Berater ist es daher von großer Bedeutung, dass es bei Besteuerungskonflikten effiziente Verfahren und einheitliche Standards für eine möglichst frühzeitige Streitvermeidung bzw. für eine bindende Streitbeilegung und damit Rechtssicherheit bei der Besteuerung gibt.
Das BEPS-Projekt der OECD hat in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit der Finanzverwaltungen auf das Thema gelenkt. Im Jahr 2016 hat die OECD mit ihrer Agenda für mehr Rechtssicherheit in der Besteuerung („Tax Certainty Agenda“) begonnen, Empfehlungen zur Verbesserung der Streitvermeidungs- und Streitbeilegungsmechanismen zu erarbeiten. Zu den Streitvermeidungsmechanismen zählen Vorabverständigungsverfahren (Advance Princing Agreements – APA), Joint Audits sowie das International Compliance Assurance Programme (ICAP). Im Hinblick auf Streitbeilegungsmechanismen ist insbesondere das Verständigungsverfahren (Mutual Agreement Procedure – MAP) hervorzuheben.
Auf EU-Ebene gibt es seit einigen Jahren ebenfalls Initiativen. Zuletzt hat sich die EU[1]Kommission in ihrem Maßnahmenpaket für eine faire und einfache Besteuerung vom 15. Juli 2020 der Thematik angenommen. Darin kündigt die Kommission u. a. ein europäisches Cooperative Compliance-Pilotprojekt an. Dieses umfasst ein an ICAP angelehntes Programm für multinationale Unternehmen (European Trust and Cooperation Approach – ETACA) und eine Initiative für kleine und mittlere Unternehmen, deren Pilotphase 2022 starten soll.
Deutlich wird aus diesen Initiativen, dass kooperative Elemente international immer stärker in den Fokus rücken. Diese sind aus Sicht der Bundessteuerberaterkammer zu begrüßen, da sie einen wesentlichen Beitrag zu zeitnaher Rechtssicherheit leisten können. Insbesondere Joint Audits und Vorabverständigungsverfahren/Advance Pricing Agreements (APA), aber auch das ICAP sowie die vergleichbaren Initiativen auf EU-Ebene sind dabei von zentraler Bedeutung.
II. Zentrale Reformvorschläge
Bei den benannten Rechtsinstituten besteht aus Perspektive der Unternehmen und ihrer Berater erheblicher Optimierungsbedarf. Kooperative Verfahren zielen darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen so auszugestalten, dass gegenseitiges Vertrauen gesteigert und Transparenz geschaffen wird. Dafür bedarf es eines Kulturwandels, insbesondere der Neuausrichtung des eigenen Selbstverständnisses der Finanzverwaltung weg von der klassischen Eingriffs- eigenen Selbstverständnisses der Finanzverwaltung weg von der klassischen Eingriffsverwaltung hin zu einem kooperativen Steuervollzug. Im Verhältnis zu anderen Staaten bedarf es eines Einigungswillens und eines lösungsorientierten Vorgehens. Die Ziele können nur erreicht werden, wenn den Verfahren ein hohes Maß an Rechtssicherheit innewohnt. Um effiziente, ressourcensparende Verfahren führen zu können, ist eine Verzahnung der Informationsbasis und damit ein Abbau von Informationsasymmetrien notwendig.
Die Bundessteuerberaterkammer erhebt daher folgende zentrale Forderungen zur Verbesserung und Spezifizierung der aufgezeigten Streitvermeidungs- bzw. Streitbeilegungsverfahren:
̵ Die Schaffung nationaler Rechtsgrundlagen für alle kooperativen Verfahren ist unerlässlich, um Rechtssicherheit zu erlangen.
̵ Die Antrags- und Mitwirkungsrechte der Steuerpflichtigen müssen erheblich ausgeweitet und die verfahrensrechtliche Stellung der Steuerpflichtigen muss gestärkt werden.
̵ Eine Beschleunigung der Verfahren und rechtsverbindliche Ergebnisse sind erforderlich, um sowohl auf Seiten der Steuerpflichtigen als auch auf Seiten der Finanzverwaltung effizienter arbeiten zu können und Ressourcen einzusparen.
̵ Es sollte darauf hingewirkt werden, einen Einigungszwang für alle kooperativen Verfahren einzuführen. Nur so können bei den Verfahrensbeteiligten Ressourcen eingespart werden.
̵ Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen müssen die Zugangsschwellen zu den kooperativen Verfahren verringert werden, denn sie verfügen in der Regel nicht über ein Netzwerk international tätiger Beratungsunternehmen – quantitativ repräsentieren sie aber den weitaus größten Teil der von diesen Verfahren betroffenen Steuerpflichtigen.
Insgesamt ist ein Ausbau kooperativer Verfahren zu begrüßen. Dieser sollte zunächst gegenüber wichtigen Handelspartnern, auch gegenüber wichtigen Drittstaaten, erfolgen und sukzes-sive erweitert werden. Der Ausbau von Kompetenzzentren für Joint Audits sollte forciert werden, um die Verfahren effizienter auszugestalten.
III. Reformvorschläge im Einzelnen
Im Folgenden werden die Verfahren einer Detailbetrachtung unterzogen und die Verbesserungsvorschläge spezifiziert.
1. Joint Audits
a. Rechtslage
Joint Audits sind eine Form von gemeinsam durchgeführten steuerlichen Außenprüfungen bei grenzüberschreitenden Geschäftsvorfällen und Sachverhalten im internationalen Steuerrecht. Es handelt sich um koordinierte Außenprüfungen von Finanzverwaltungen von zwei oder mehr Staaten, die auf zwischenstaatlicher Amtshilfe beruhen. Rechtsgrundlage für Joint Audits innerhalb der EU ist die EU[1]Amtshilferichtlinie (Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011), die in Deutschland im EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG) umgesetzt wurde. Ergänzt werden diese Regelungen durch § 117 AO. Mit Drittstaaten ist eine Zusammenarbeit über die Art. 26 OECD-MA entsprechenden Regelungen des jeweiligen DBA sowie das Amtshilfeübereinkommen (Convention on mutual administrative assistance in tax matters) vom 16. Juli 2015 (Art. 8, 9) als Echtzeit-Informationsaustausch möglich.
Eine weitere Änderung der Amtshilferichtlinie im Bereich der direkten Steuern (DAC 7; Richtlinie 2021/514/EU des Rates vom 22. März 2021) sieht im neuen Art. 12a eine ausdrückliche, rechtsverbindliche Regelung zu Joint Audits vor. Die Umsetzung ins nationale Recht muss bis zum 31. Dezember 2023 erfolgen.
Es muss sich um deckungsgleiche Prüfungszeiträume handeln und die zu beurteilenden Zeiträume müssen verfahrensrechtlich noch änderbar sein. Eine Mindestgrenze bezüglich Umsatz oder Gewinn oder einen Mindestumfang bezüglich des zu prüfenden Sachverhalts gibt es nicht. Grundsätzlich können alle Prüffelder bei internationalen Sachverhalten dem Joint Audit unterzogen werden.
b. Ziele der Joint Audits
Joint Audits stellen für Steuerpflichtige und die Finanzverwaltung gleichermaßen eine Chance dar, die Prüfung grenzüberschreitender Konstellationen effizienzsteigernd auszugestalten. Ziel dieser gleichzeitigen bzw. gemeinsamen Prüfungen ist es, zu einer einvernehmlichen Feststellung des entscheidungserheblichen (grenzüberschreitenden) Sachverhalts zu gelangen. Streitvermeidung ist gegenüber einer späteren Streitbeilegung eine ressourcensparende Vorgehensweise.
Aus Sicht der Steuerpflichtigen und ihrer Berater sollte durch Joint Audits frühzeitig und (möglichst) unbürokratisch Rechtssicherheit geschaffen werden. Die zeitnahe Ermittlung von grenzüberschreitenden steuerlich relevanten Sachverhalten in einem einheitlichen Verfahren mit den betroffenen Finanzverwaltungen minimiert das Risiko einer Doppelbesteuerung, von Zinsen, Verjährungsproblemen und zwischenzeitlichem Informationsverlust. Positiv zu sehen ist ferner, dass die Steuerpflichtigen die gewünschten Dokumente und Informationen den beteiligten Finanzverwaltungen nur einmal zur Verfügung stellen müssen.
Dadurch wird auch das Vertrauen zwischen den Steuerpflichtigen und den Steuerverwaltungen gestärkt.
c. Reformvorschläge der Bundessteuerberaterkammer
Antrags- bzw. Initiativrecht des Steuerpflichtigen
Initiiert wird das Joint Audit von einer der beteiligten Steuerverwaltungen. Es kommt lediglich zustande, sofern die Finanzverwaltungen der beteiligten Staaten zustimmen.
Steuerpflichtige sollen vor dem Auskunftsaustausch im Wege eines Joint Audits angehört werden (§ 117 Abs. 4 Satz 3 AO i. V. m. § 91 AO). Die Anhörung soll den Steuerpflichtigen die Möglichkeit geben, bestehende Einwendungen, falls es sie gibt, rechtzeitig geltend zu machen. Die Anhörungsfrist steht im Ermessen der Finanzbehörden und beträgt i. d. R. vier Wochen.
Steuerpflichtige haben kein Antragsrecht, um ein Joint Audit durchzuführen. Sie können lediglich ihr Interesse an der Durchführung bei der zuständigen Finanzverwaltung äußern. Aus Sicht der Bundessteuerberaterkammer muss den Steuerpflichtigen da-her ein Initiativrechtrecht eingeräumt werden. Steuerpflichtige können dadurch ein ermessensfehlerfreies Vorgehen der Staaten bei der Initiierung von Joint Audits verlangen.
In Anlehnung an § 89a AO könnte ein Antrags- bzw. Initiativrecht in einer eigens für Joint Audits geschaffenen Rechtsgrundlage wie folgt lauten:
Erfolgt zwischenstaatliche Amts- oder Rechtshilfe im Rahmen grenzüberschreitender Steuerprüfungen durch Finanzbehörden unter Beteiligung einer oder mehrerer ausländischer Finanzbehörden (Joint Audits) soll die zuständige Behörde nach § 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Finanzverwaltungsgesetzes im Einvernehmen mit der zuständigen obersten Landesfinanzbehörde oder der von dieser beauftragten Behörde
nach den Bestimmungen dieser Vorschrift auf Antrag des Steuerpflichtigen
(Antragsteller) einen Joint Audit mit der zuständigen Behörde des anderen Vertrags[1]staates einleiten. Hinsichtlich des sachlichen Umfangs des Joint Audit gilt § 194 AO
entsprechend. Satz 1 gilt nur, wenn
1. die Gefahr einer Doppelbesteuerung bezüglich eines bestimmten Sachverhalts besteht und
2. es möglich ist,
a) die Doppelbesteuerung durch einen Joint Audit zu vermeiden und
b) eine übereinstimmende Auslegung innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Vereinbarungen, innerstaatlich anwendbarer Rechtsakte der Europäischen Union sowie des EU-Amtshilfegesetzes mit der zuständigen Behörde des anderen Vertragsstaates zu erreichen.
Eine zunehmende Durchführung von Joint Audits dient der Streitvermeidung bei Konflikten, die ansonsten nachträglich im Verständigungsverfahren entschieden werden oder für die in der Praxis häufig auch der innerstaatliche Rechtsweg beschritten wird. Insofern würden zwar zusätzlich Ressourcen für Joint Audits benötigt, jedoch würden diese durch die frühzeitig erfolgende Streitvermeidung im Rahmen eines Joint Audits überkompensiert. Sollte dem Steuerpflichtigen kein Initiativrecht eingeräumt werden, sollten Daten darüber erhoben werden, in wie vielen Fällen die Ablehnung der Durchführung eines Joint Audits zu einem Verständigungsverfahren geführt hat und wie viel Zeit zwischen der Ablehnung des Initiativantrags bis zur tatsächlichen Streitbeilegung bzw. Beendigung des Verfahrens vergangen ist.
- Zustimmung der Steuerpflichtigen
Steuerpflichtige sollten in das Zustandekommen des Joint Audits weitergehend einbezogen werden. Bislang wird das Joint Audit von einer der beteiligten Finanzverwaltungen initiiert und alle beteiligten Steuerverwaltungen müssen der Durchführung zu-stimmen. Steuerpflichtige werden lediglich vor dem Auskunftsaustausch angehört (§ 117 Abs. 4 Satz 3 AO i. V. m. § 91 AO).
Um dem Leitbild einer vertrauensvollen Kooperation in stärkerem Maße nachzukommen und den Informationsstand der Steuerpflichtigen im Verfahren effizienzsteigernd nutzen zu können, sollte die Anhörung der Steuerpflichtigen ausgeweitet werden. Die Durchführung eines Joint Audits sollte ebenso von der Zustimmung der Steuerpflichtigen wie von der Zustimmung der Finanzverwaltungen abhängen.
Ein Grund, der aus Sicht der Steuerpflichtigen der Durchführung eines effizienten Joint Audits entgegenstehen könnte, wäre die fehlende Beteiligung eines in einer Verrechnungspreiskonstellation sachverhaltsrelevanten Staates in einem multilateralen Joint Audit. Dies könnte bei Antragstellung noch nicht abgesehen werden, wäre aber
der Qualität des Verhandlungsergebnisse bei entsprechender Bedeutung des nicht beteiligten Staates ggf. abträglich, da die gleiche Fragestellung im Verhältnis zu demselben erneut geklärt werden müsste.
- Mitteilung der Ablehnungsgründe
Die Steuerverwaltungen der einzelnen Staaten müssen dem Joint Audit zustimmen. Wenn die Zustimmung ausbleibt, erfolgt keine gemeinsame Prüfung. Um mehr Transparenz zu erzeugen, sollte in diesen Fällen gegenüber den Steuerpflichtigen dargelegt werden, aus welchen Gründen keine Einigung gefunden werden konnte.
Durch die transparente Kommunikation der Gründe wird ein stärkerer Druck/ein faktischer Zwang auf die Staaten ausgeübt, nur aus gewichtigen Gründen ein Joint Audit nicht zustande kommen zu lassen. Steuerpflichtige erhalten einen besseren Einblick in die Verhandlungspositionen der Staaten und können daraus Erkenntnisse für künftige Verfahren ableiten bzw. Beendigung des Verfahrens vergangen ist.
- Einigungszwang hinsichtlich Sachverhaltsfeststellung und Rechtsfolgen
Die beteiligten Staaten verfolgen u. U. divergierende Fiskalinteressen. Zudem müssen unterschiedliche Prüfungsansätze miteinander in Einklang gebracht werden. Am Ende des Joint Audit sollen die beteiligten Finanzbehörden ein abgestimmtes Ergebnisprotokoll fertigen. Dieses Protokoll enthält die gemeinsam festgestellten Tatsachen und eine rechtliche Beurteilung auf der Grundlage der jeweiligen nationalen Steuergesetze unter Berücksichtigung des geltenden DBA. Es dient als Grundlage für die Umsetzung der ermittelten Sachverhalte in Form von Betriebsprüfungsberichten in das jeweilige nationale Recht. Sollte das Joint Audit zu unterschiedlichen Beurteilungen über den Sachverhalt und dessen Würdigung im Hinblick auf das anwendbare DBA bei den beteiligten Prüfern führen und sich daraus eine Doppelbesteuerung ergeben, stehen dem Steuerpflichtigen der nationale Rechtsweg und anwendbare Verfahren zur Beseitigung der Doppelbesteuerung – z. B. Verständigungsverfahren – zur Verfügung.
Aufgrund des in der gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung ermittelten Sachverhalts kann ein Verständigungsverfahren jedoch regelmäßig schneller und effizienter durchgeführt werden.
Der im Joint Audit stattfindende Informationsaustausch zielt somit darauf ab, dass die Staaten den Sachverhalt gemeinsam ermitteln und auf Basis des einvernehmlich festgestellten Sachverhalts zu einer inhaltlichen und nicht nur zu einer diplomatischen Lösung kommen. Wünschenswert wäre es, wenn zudem ein Austausch hinsichtlich der Rechtsfolgen erfolgen müsste. Um den Aufwand zu vermeiden, dass bei einer fehlenden Einigung hinsichtlich des Sachverhaltes ein zusätzliches (wenn auch erleichtertes) Verständigungsverfahren notwendig wird, sollte die Einigung im Joint Audit nicht fakultativ bleiben sondern als Regel eingeführt werden In diesem Zusammen- nicht fakultativ bleiben, sondern als Regel eingeführt werden. In diesem Zusammenhang verweisen wir auf die Entwurfsfassung des Art. 12a Abs. 4 EU-AHiRL, welcher einen Einigungszwang vorsah (vgl. Art. 12a Abs. 7 EU-AHiRL im Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission vom 15. Juli 2020 – COM (2020) 314 final).
Solange kein Einigungszwang eingeführt wurde, sollte dem Steuerpflichtigen ein Ergebnisprotokoll übermittelt werden, aus dem eine Einigung in Teilbereichen bzw. die kritischen Bereiche ersichtlich werden.
Im Hinblick auf den Inhalt und die Bekanntgabe des Ergebnisprotokolls sollte im Rahmen einer gesetzlichen Normierung auf § 202 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO sowie § 202 Abs. 2 AO verwiesen werden.
- Bindungswirkung
Wie bei einer rein nationalen Außenprüfung wird das Ergebnis nur für den festgelegten Prüfungszeitraum festgestellt und ist nur für diesen Zeitraum bindend. Im Hinblick auf Folgeperioden ist es grundsätzlich möglich, ein auch rechtlich bindendes Vorabverständigungsverfahren durchzuführen. Da die Sachverhaltsermittlung entfällt und das Ergebnis schon feststeht, ist dieses ggf. schneller und kostengünstiger zu erreichen als ein klassisches Vorabverständigungsverfahren, wo diese Prozesse noch durchlaufen werden müssen.
Aus praktischer Sicht gibt es ggf. eine rein faktische Bindung für Folgeperioden, wenn der Sachverhalt unverändert bleibt. Diese Bindungswirkung sollte für den gleichen Sachverhalt zeitlich unbegrenzt festgeschrieben werden. Eine gesetzliche geregelte Bindungswirkung erzeugt Rechtssicherheit und wirkt sich ressourcensparend in künftigen Betriebsprüfungen aus.
- Wahrung des Steuergeheimnisses auch im Ausland
Im Rahmen des Joint Audits hat der Steuerpflichtige – wie bei einer rein nationalen Betriebsprüfung – mitzuwirken. Im Inland gelten grundsätzlich die Verfahrensvorschriften der AO. Vorbehaltlich der Zustimmung des Steuerpflichtigen nehmen die Prüfer aus dem anderen Mitgliedstaat bzw. Drittstaat im Inland ggf. nicht nur passiv, sondern aktiv an den Prüfungshandlungen teil. Das aktive Prüfungsrecht gem. § 10 Abs. 3 EUAHiG umfasst dabei bestimmte Ermittlungshandlungen wie die Prüfung von Aufzeichnungen und Personenbefragungen. Um die Wahrung des Steuergeheimnisses im Ausland zu gewährleisten, sollte aus Sicht der Bundessteuerberaterkammer sichergestellt werden, dass die im Rahmen der Joint Audits ausgetauschten Informationen nicht in einem automatischen Informationsaustausch verwendet werden. Über während des Joint Audits ausgetauschte Informationen bzw. Materialien müssen Steuerpflichtige zwingend informiert werden. Beim Datenschutz ist innerhalb der EU der rechtliche Standard der Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen.
- Schaffung von mehr Transparenz
Da die kooperativen Verfahren darauf angelegt sind, dass Steuerpflichtige und Finanzverwaltung sich in den gemeinsamen Prozess einbringen und eine kooperative Streitkultur gepflegt wird, ist eine größtmögliche Transparenz erforderlich.
Die Ergebnisse der Vorabverständigungsverfahren, Joint Audits und Verständigungsverfahren sind nicht öffentlich zugänglich. Die Bundessteuerberaterkammer schlägt eine anonymisierte Veröffentlichung vor. Diese würde Transparenz erzeugen und eine eine anonymisierte Veröffentlichung vor. Diese würde Transparenz erzeugen und eine Auswertung ermöglichen, inwiefern die Ergebnisse auf einer rechtstechnischen bzw. diplomatischen Einigung beruhen. Die Steuerpflichtigen unterliegen zunehmenden Offenlegungspflichten (z. B. CbCR) und mit der Veröffentlichung von Ergebnissen aus Verständigungsverfahren käme die Finanzverwaltung dieser Entwicklung ebenfalls nach.
Die entstehende Datenbank kann durch Steuerpflichtige, aber auch durch die Finanzverwaltung und insbesondere die Kompetenzzentren genutzt werden. Da auf diesem Weg Erfahrungen gebündelt zugänglich gemacht werden, kann durch deren Auswertung eine bessere Informationsbasis geschaffen werden, was sich wiederum in beschleunigten und effizienteren Verfahren niederschlagen könnte.
Zudem wäre eine weitergehende statistische Auswertung wünschenswert. Diese sollte Informationen zu angenommenen bzw. angelehnten Anträgen und den beteiligten Staaten bieten. Auch eine Auswertung, wie viele abgelehnte Joint Audits in einem Verständigungsverfahren münden, wäre zur Einschätzung der Bedeutung von Joint Audits hilfreich.
- Nationale Rechtsgrundlage
Eine einheitliche Rechtsgrundlage, die Anlass, Zweck und die Grenzen des durch ein Joint Audit verwirklichten Informationseingriffs regelt, fehlt. Bislang werden international verschiedene Rechtsgrundlagen kombiniert, was zu Rechtsunsicherheiten führen kann. Es ist zu begrüßen, dass durch die Umsetzung der DAC7 eine nationale Rechtsgrundlage geschaffen wird. Positiv hervorzuheben ist insbesondere, dass durch die Einführung von Fristen (i. d. R. 60 Tage) eine Beschleunigung des Verfahrens intendiert wird. Weiterhin werden die Joint Audits jedoch zwischen den Staaten vereinbart, ohne dass dem Steuerpflichtigen dabei eine proaktive Rolle zukäme.
Daher sollte die Umsetzung der DAC7 aus Sicht der Bundessteuerberaterkammer durch die oben genannten Punkte erweitert werden. Um der Problematik voneinander
abweichender Rechtsgrundlagen in den einzelnen Staaten zu begegnen, sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, eine noch weitreichendere Harmonisierung auf Unionsebene voranzubringen.
Ausbau des Verfahrens gegenüber wichtigen Handelspartnern Das BZSt erwartet, dass die vorhandenen Instrumente des Informationsaustauschs und insbesondere auch die Möglichkeiten von Joint Audits in den kommenden Jahren intensiver genutzt und an Bedeutung gewinnen werden. Dazu gehört auch ein Ausbau der Aktivitäten gegenüber Drittstaaten. Es geht davon aus, dass Joint Audits eine Schlüsselrolle bei der Kostensenkung, der Beschleunigung der Verfahren und der frühzeitigen Gewährleistung der Rechtssicherheit spielen werden.
Dies befürwortet auch die Bundessteuerberaterkammer. Die internationale Zusammenarbeit der Finanzverwaltungen hat sich bereits bewährt, weshalb einige Länder für den Bereich Joint Audits sog. Kompetenzzentren eingerichtet haben.
Dadurch soll das Fachwissen gebündelt, eine einheitliche Koordinierung gewährleistet werden und ein verstärkter Erfahrungsaustausch stattfinden. Zudem können Ressourcen effizient eingesetzt werden. Kompetenzzentren für weitere Staaten, insbesondere auch wichtige Drittstaaten, einzurichten, sollte forciert und sukzessive ausgeweitet werden.
2. Vorabverständigungsverfahren/Advance Pricing Agreement (APA)
a. Vorbemerkung
International wird ein APA als eine Vereinbarung zwischen einem oder mehreren Steuerpflichtigen und einer oder mehreren Steuerverwaltungen verschiedener Staaten über die künftige Anwendung von Verrechnungspreismethoden für bestimmte grenzüberschreitende Geschäftsvorfälle sowie deren steuerrechtliche Beurteilung bei Einhaltung festgelegter Bedingungen seitens des/der Steuerpflichtigen verstanden.
Nach deutschem Steuerrecht sind dagegen Steuervereinbarungen zwischen den Steuerpflichtigen und den deutschen Finanzbehörden unzulässig, sodass das APA in Deutschland anders definiert wird. Aus Sicht der deutschen Finanzverwaltung stellt ein APA das Ergebnis eines Vorabverständigungsverfahrens über Fragen der grenzüberschreitenden Gewinnabgrenzung mit (mindestens) einem anderen Staat dar (Vorabverständigungsvereinbarung), das mittels einer entsprechenden Vorabzusage national gegenüber dem Steuerpflichtigen umzusetzen ist. Nach deutschem Verständnis bilden also die Vorabverständigungsvereinbarung zwischen den Staaten und die anschließende Vorabzusage gegenüber dem Steuerpflichtigen gemeinsam das APA. Eine lediglich unilaterale Verrechnungspreiszusage auf Basis des § 89 Abs. 2 AO (verbindliche Auskunft) oder des § 204 AO (verbindliche Zusage im Anschluss an eine Außenprüfung) gilt unabhängig von der Frage, ob und ggf. unter welchen Bedingungen diese seitens der deutschen Steuerverwaltung erteilt werden dürfen, nicht als ein APA.
Bisher wurden als Rechtsgrundlage die auf Basis der dem Art. 25 Abs. 1 und 2 OECDMA entsprechenden Vereinbarungen in DBA für Beantragung und Durchführung von Vorabverständigungsverfahren zu Grunde gelegt. Durch das AbzStEntModG wurde mit § 89a AO eine nationale Rechtsgrundlage geschaffen. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen. Danach gilt die Möglichkeit ein Vorabverständigungsverfahren für alle grenzüberschreitenden Sachverhalte, nicht nur für grenzüberschreitende Gewinnabgrenzung/Gewinnzuordnung zu beantragen. Dar-über hinaus sieht die Neur[1]egelung vor, APA-Anträge unmittelbar mit koordinierten bilateralen und multilateralen
Außenprüfungen (Joint Audits) zu koppeln. § 89a AO wird für alle Anträge angewendet, die ab dem 9. Juni 2021 bei dem BZSt eingegangen sind. § 89a AO erhöht die Rechtssicherheit für den Steuerpflichtigen. Da jedoch die Einleitung und das Ergebnis eines Vorabverständigungsverfahrens ein zwischenstaatliches Verfahren ist, ist es weiterhin vom Willen und der Gesetzeslage der anderen beteiligten Staaten abhängig.
(Weitere) Verfahrensvorschriften gibt es in der AO derzeit nicht. Das Verfahren wird auf Grundlage eines vom BMF im Jahr 2006 veröffentlichen Merkblattes beantragt, durchgeführt und umgesetzt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass Verfahrenspartner des eigentlichen Vorabverständigungsverfahrens allein die beteiligten Vertragsstaaten sind. Ein Rechtsanspruch des Steuerpflichtigen auf die Durchführung eines Vorabverständigungsverfahrens besteht weiterhin nicht. Der Antragsteller wird lediglich über den Stand und Fortgang des Verfahrens informiert, eine aktive Einbindung erfolgt nur selten und ist verfahrensrechtlich nicht vorgesehen.
Werden die in einem APA festgelegten Bedingungen eingehalten, gelten die danach in Rechnung gestellten Verrechnungspreise als angemessen Infolgedessen können sich spätere Betriebsprüfungen darauf beschränken, ob der Steuerpflichtige seine Vereinbarungen eingehalten und die hiermit verbundenen Berichtspflichten erfüllt hat.
APAs werden nach Einschätzung der Bundessteuerberaterkammer stark an Bedeutung gewinnen, weil Verrechnungspreise bzw. die Gestaltung von grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen aufgrund der Ergebnisse des BEPS-Projekts, insbesondere der Ergebnisse zu den Aktionspunkten 8-10, weiter in den Fokus der Steuerverwaltungen rücken. Das zentrale Ziel der Aktionspunkte 8-10 ist die Schaffung einheitlicher internationaler Standards, die eine Gewinnabgrenzung, bei häufig besonders schwierigen Geschäftsvorfällen mit immateriellen Werten, gewährleisten sollen, um so die internationale Wettbewerbsneutralität und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu erreichen.
b. Reformvorschläge
Dass mit § 89a AO eine Rechtsgrundlage zur Durchführung von Vorabverständigungsverfahren eingeführt wurde, steht mit der Zielsetzung, Rechtssicherheit schaffen zu wollen, in Einklang und ist ausdrücklich zu begrüßen. Weiterhin besteht diesbezüglich jedoch Reformbedarf, sodass die neue nationale Rechtsgrundlage geschärft werden sollte.
- Beschleunigung des Verfahrens
Um die Wirksamkeit von APA zu steigern, muss das Verfahren effizienter ausgestaltet und insbesondere beschleunigt werden. Dafür sind angemessene Fristen einzuführen und die Kapazitäten im BZSt müssen hinreichend aufgestockt werden. Vergleich-bar zu Art. 12a Abs. 4 EU-AHiRL könnten Fristen von 60 Tagen nach Erhalt vorgesehen werden.
Der Antrag auf Vorabverständigungsverfahren ist durch den Steuerpflichtigen zu stellen, bevor der Sachverhalt verwirklicht wird. Der Zeitraum, für den die Einigung des Vorabverständigungsverfahrens gilt, beträgt in der Regel 5 Jahre. Es birgt neues Konfliktpotential, wenn die Sachverhaltsverwirklichung zu dem Zeitpunkt, an dem das Vorabverständigungsverfahren abgeschlossen wird, zu lange zurückliegt.
- Stärkere Beteiligung der Steuerpflichtigen im Verfahren
Steuerpflichtige können einen Antrag auf Vorabverständigungsverfahren stellen. Bislang sind sie darüber hinaus keine Beteiligten im Verfahren. Sie werden lediglich vom BZSt regelmäßig über den Verfahrensstand informiert.
Aus Sicht der Bundessteuerberaterkammer ist eine stärkere Beteiligung der Steuer[1]pflichten im Verfahren notwendig. Steuerpflichtige sollten an den Verhandlungen teil[1]nehmen und bei der Sachverhaltsklärung mitwirken. So werden Informationsasymmetrien abgebaut. Dies trägt dem Kooperationsgedanken Rechnung, steigert die Akzeptanz und beschleunigt die sachgerechte Entscheidungsfindung. Eine faire Beteiligung der Steuerpflichtigen ist unabdinglich, um den angestrebten Kulturwandel zu unterstützen.
- Einigungszwang
Bislang besteht zwischen den beteiligten Staaten kein Einigungszwang. Um den Aspekten der Rechtssicherheit und Effizienz des Verfahrens Rechnung zu tragen, sollte mit möglichst vielen Staaten ein Konsens zum Einigungszwang angestrebt werden, um zu vermeiden, dass gescheiterte APAs anschließend zur Durchführung eines Verständigungsverfahrens führen.
Zunächst könnte in den DBA-Verhandlungen darauf hingewirkt werden, einen Einigungszwang in DBA mit den Staaten aufzunehmen, mit denen ohnehin schon eine Schiedsklausel vereinbart wurde. Eine Ausdehnung auf wichtige Handelspartner ist darüber hinaus wünschenswert.
Kann keine Einigung erzielt werden, muss den Steuerpflichtigen die Begründung dafür mitgeteilt werden. Wie bei den Joint Audits sollten auch hier Daten darüber erhoben werden, wie häufig ein gescheitertes APA zur Durchführung eines Verständigungsverfahrens führt.
- Kopplung der Gebühr an den Gegenstandswert
Gemäß § 89a Abs. 7 Satz 5 f. AO beträgt die Gebühr für ein APA 30.000 € sowie 15.000 € für jeden Verlängerungsantrag. Sofern es sich bei dem Antrag nicht um einen Verrechnungspreisfall handelt, beträgt die Gebühr lediglich ein Viertel der Gebühren.
Die starren Gebühren sind unverhältnismäßig und verhindern, dass kleine und mittlere Unternehmen am Vorabverständigungsverfahren teilnehmen können. Gerade diesen sollten aber kooperative Verfahren gleichermaßen offenstehen.
Die Bundessteuerberaterkammer hält eine Anpassung der gegenwärtigen Regelung für unabdingbar und fordert eine Reform der Gebühren. Befürwortet wird ein gestaffeltes System, dessen Gebühren sich am Gegenstandwert orientieren, dessen Obergrenze aber weiterhin bei 30.000 € liegt.
Nicht nur für den Steuerpflichtigen, auch für die Finanzverwaltung ist eine Vorabverständigung vorteilhaft, da diese den Aufwand in der Betriebsprüfung verringert und einer nachträgliche Streitbeilegung vorgreift.
- Transparenz
Die Ergebnisse der Vorabverständigungsverfahren sollten ebenfalls veröffentlicht werden (s. o. bei den Reformvorschlägen zu den Joint Audits).
- Sicherstellung des Steuergeheimnisses im Ausland
Hinsichtlich der Wahrung des Steuergeheimnisses im Ausland wird ebenfalls auf die Ausführungen zu Joint Audits verwiesen.
3. Cooperative Compliance Programme
a. Vorbemerkung
Mit dem International Compliance Assurance Programme (ICAP) und dem EU Cooperative Compliance Programme wird die Betriebsprüfung durch neue kooperative Programme weiterentwickelt. Diese sollen Instrumente darstellen, durch die Rechts- und Planungssicherheit sowie effizientere grenzüberschreitende Betriebsprüfungen geschaffen werden und eine Reduzierung des globalen Ressourceneinsatzes in Außenprüfungen erreicht wird.
Die OECD führt mit dem International Compliance Assurance Programme (ICAP) ein neues Kooperationsprogramm zur Weiterentwicklung von Betriebsprüfungen ein. Das ICAP-Pilotprojekt wurde im Jahr 2018 durchgeführt und mit dem Folgeprogramm ICAP 2.0 im Frühjahr 2019 von 8 auf 19 Staaten ausgeweitet, darunter auch Deutschland. Im Pilotprogramm war Deutschland nur Beobachter. Mit der Veröffentlichung des ICAP-Handbook im Februar 2021 können nun die Finanzverwaltungen aller 53 Mitgliedstaaten des Forum Steuerverwaltung der OECD an ICAP teilnehmen. Teilnahmeanträge sind zum 31. März 2022 und 30. September 2022 möglich.
Aufgrund der Erfahrungen des ersten Pilotprojekts wurde der Anwendungsbereich erweitert und umfasst neben den schon im Pilotprojekt enthaltenen Betriebsstätten und Verrechnungspreisfragestellungen auch andere relevante Ertragsteuerthemen wie Quellensteuern, DBA-Anwendung oder hybride Gesellschaftsstrukturen. Zudem wurde eine Bewerbungsphase für die Unternehmen vor dem eigentlichen Verfahren eingebaut und die vorzulegende Dokumentation stärker auf die Zielsetzung des ICAP ausgerichtet.
Unternehmen können an dem Programm teilnehmen, wenn die Muttergesellschaft und die von der Transaktion betroffene Tochtergesellschaft in teilnehmenden Staaten ansässig sind. Da ein CbCR als Teil des Dokumentationspakets erforderlich ist, kommt dies zudem für Konzerne mit einem konsolidierten Gruppenumsatz über 750 Mio. € in Frage.
Trotz ICAP ist die Durchführung einer Außenprüfung nicht ausgeschlossen, wenn Hinweise für einen Verstoß gegen die Compliance-Regeln vorliegen. Vor diesem Hintergrund kann keine Rechtssicherheit erreicht werden. Vielmehr wird ein Diskurs mit den Steuerverwaltungen geführt und als Ergebnis erhält der Steuerpflichtige eine Risikoeinschätzung der beteiligten Finanzverwaltungen. Diese stellt einen Hinweis darauf dar, wie wahrscheinlich eine künftige Prüfung der Risiken ist.
Rechtssicherheit ist zwar damit nicht gegeben. Doch gibt es durchaus andere positive Effekte. ICAP könnte sich bei international tätigen Unternehmen in den teilnehmenden Staaten als ein neuer globaler Vorprüfungsstandard für Ertragsteuern durchsetzen und damit den Ressourceneinsatz in Außenprüfungen reduzieren. Schließlich kann der sog.
Tax Assurance Letter auch gegenüber unbeteiligten Finanzverwaltungen von Bedeutung sein, da es sich um schriftlich bestätigte Rechtsauffassungen anderer Finanzverwaltungen handelt.
Auch das Cooperative Compliance Programme auf Unionsebene stellt die Zusammenarbeit, das gegenseitige Vertrauen und die Transparenz zwischen Steuerverwaltungen und Steuer-pflichtigen in den Mittelpunkt. Im Kern wird hier ein präventiver Dialog angestrebt, der eine einvernehmliche Lösung grenzüberschreitender Steuerfragen im Bereich der Körperschaftsteuer ermöglichen soll.
ETACA (European Trust and Cooperation Approach) richtet sich an große Unternehmen und ist an ICAP angelehnt. Im Januar 2022 soll eine Pilotphase des Projekts beginnen.
Die Pilotphase der Initiative für kleine und mittlere Unternehmen ist für das Jahr 2022 geplant. Voraussichtlich wird das Pilotprojekt auf Betriebsstätten- und Verrechnungspreisfragestellungen beschränkt. Die Kommission bereitet zusammen mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten die Pilotierung auf Basis des bestehenden Rechts vor. Das Programm soll Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 250 Mio. € offenstehen.
b. Forderungen
– Schaffung einer Rechtsgrundlage und von Rechtssicherheit
Um die Teilnahme am ICAP und künftig auch den Programmen auf EU-Ebene rechtssicher auszugestalten, muss eine nationale Rechtsgrundlage dafür geschaffen werden. Diese muss umfassend ausgestaltet werden und Lösungen für die bereits oben bei den Joint Audits angesprochenen Themen bieten. Um die Teilnahme an den Programmen attraktiv zu gestalten und aus Sicht der Finanzverwaltung ressourcen[1]sparend vorzugehen, sollte sichergestellt werden, dass eine niedrige Risikoeinschätzung im Programm dazu führt, dass die betroffenen Steuerthemen nicht im Rahmen der Betriebsprüfung erneut aufgegriffen und ggf. abweichend bewertet werden.
Auch hier wäre eine verbindliche Zusage wie nach einer Außenprüfung nach §§ 204 ff. AO wünschenswert.
- Öffnung für kleinere Unternehmen
Die Arbeiten an einem Cooperative Compliance Programme für kleine und mittlere Unternehmen können uneingeschränkt begrüßt werden. Gerade kleine und mittlere Unternehmen sind auf ein hohes Maß an Rechtssicherheit angewiesen und sollten in gleichem Maße wie große Unternehmen Zugang zu kooperativen Programmen erhalten. Bei der Ausarbeitung des Konzepts für kleine und mittlere Unternehmen sollte berücksichtigt werden, dass der Ressourceneinsatz der Unternehmensgröße angemessen sein muss.
IV. Fazit
Die Streitvermeidung und -beilegung und damit einhergehend die Schaffung früher Rechtssicherheit haben auf internationaler Ebene in den vergangenen Jahren stetig an Bedeutung gewonnen. Im Grundsatz geht es darum, dass es besser sei „einen Unfall zu vermeiden, als den Rettungsdienst zu bemühen“. Dieser bildhafte Vergleich bringt auf den Punkt, dass in der Vergangenheit zu wenig daran gearbeitet wurde, eine faire Einmalbesteuerung von Beginn an sicherzustellen. Instrumente zur Streitbeilegung wie Verständigungs- und Schiedsverfahren sollten im Idealfall nur ausnahmsweise zur Anwendung kommen.
Die Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen – unter direkter Einbeziehung des Steuerpflichtigen und seines Beraters – sollte aber aus mehreren Gründen schon früher ansetzen. Dies gibt dem Steuerpflichtigen – im Gegensatz zu einem Verständigungsverfahren – die Möglichkeit, auf den Verlauf des Verfahrens Einfluss zu nehmen, indem er Hintergrundinformationen zu bestimmten Sachverhaltskonstellationen gibt oder gesellschaftsrechtliche Strukturen erläutert. Hierdurch lassen sich Missverständnisse vermeiden bzw. aufklären, so dass Streitigkeiten von vornherein vermieden und Ressourcen gezielter und damit effektiver genutzt werden können.
Im Ergebnis könnten Joint Audits, Vorabverständigungsverfahren und Programme wie das ICAP Instrumente sein, mit denen eine frühe Abstimmung zwischen den Steuerverwaltungen und den Steuerpflichtigen ermöglicht wird. Dadurch entsteht faktisch ein hohes Maß an Rechtssicherheit.
(BStBK, „Eingabe 002/2022“ vom 14.01.2022)