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Umsatzsteuer-Digitalpaket: BSTBK bittet BMF in ihrer Eingabe um Klarstellungen zu Praxisproblemen des Berufsstandes

In der „Eingabe 003/2022″ (vom 28.01.2022) der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) heißt es:

Eingabe zu Praxisproblemen des Berufsstands im Zusammenhang mit dem Umsatzsteuerdigitalpaket

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit der Umsetzung der zweiten Stufe des Umsatzsteuerdigitalpakets zum 1. Juli 2021 sahen sich zahlreiche Unternehmen und Steuerberater mit der kurzfristigen Anpassung ihrer Arbeitsprozesse aufgrund von diversen gesetzlichen Neuregelungen konfrontiert.

Zwar hat das am 1. April 2021 durch das BMF veröffentlichte Anwendungsschreiben (Gz. III C – S 7340/19/10003 :22) in vielen Anwendungsfragen bereits eine erste Abhilfe schaffen können. Ungeachtet dessen erreichen uns aus dem Berufsstand aber nach wie vor viele Nachfragen sowohl in materieller als auch verfahrensrechtlicher Hinsicht.

Im Folgenden haben wir daher auszugsweise einige Themenkomplexe zusammengetragen, zu denen der Berufsstand um eine verwaltungsseitige Klarstellung bzw. Stellungnahme bittet:

I. Zeitpunkt der Steuerentstehung bzw. Leistungszeitpunkt in Fernverkaufsfällen

1. Ausgangsproblematik

Im Berufsstand stellt sich vielfach die Frage, wie bei Fernverkäufen der Leistungserbringungszeitpunkt zu bestimmen ist. Grundsätzlich sehen die §§ 13 Abs. 1 Nr. 1 lit.

g), 16 Abs. 1d UStG zwar vor, dass die Meldung der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe im Zeitpunkt der Leistungserbringung zu erfolgen habe. Unklar ist insoweit aber, wann die Leistung als erbracht gelten soll. Zwar enthält das UStG Aussagen zur Bestimmung des Leistungsortes, nicht hingegen zum Leistungszeitpunkt.

Auch das o. g. BMF-Schreiben vom 1. April 2021 schweigt zu dieser Rechtsfrage.

Denkbar scheint es aus Sicht der Bundessteuerberaterkammer insoweit, dass die Regelung des § 3c Abs. 1 UStG hinsichtlich des Leistungszeitpunktes im Lichte des § 3 Abs. 6 UStG auszulegen bzw. anzuwenden ist. Dann käme als Leistungszeitpunkt bei innergemeinschaftlichen Fernverkäufen der Beginn der Beförderung oder Versendung, vgl. § 3 Abs. 6 UStG, in Betracht. Wird hingegen § 3c Abs. 1 UStG zur Bestimmung des Leistungszeitpunktes herangezogen, wäre dieser vielmehr beim Ende der Beförderung oder Versendung der gelieferten Waren beim nichtunternehmerischen Kunden anzusiedeln. Einhergehend mit der bisherigen Linie der Finanzverwaltung, nach der bei der Anwendung der Vorschriften in § 3 Abs. 6 bis 8 UStG sowohl Leistungsort als auch Leistungszeitpunkt zusammenfallen, ist es nach unserem Dafürhalten im Ergebnis nur konsequent, dies auch für die Fernverkaufsregel nach § 3c Abs. 1 UStG anzunehmen.

Leistungszeitpunkt kann nach alledem nur die Verschaffung der Verfügungsmacht beim Endverbraucher sein.

2. Folgeproblematiken

Die Frage nach dem Leistungszeitpunkt stellt sich etwa auch hinsichtlich der Behandlung von Anzahlungen im Rahmen der Ist-Versteuerung. Fraglich ist demnach, ob hier den Grundsätzen zu innergemeinschaftlichen Lieferungen entsprechend Anzahlungen für die Meldung unbeachtlich sein sollen. Nach Auffassung der Bundessteuerberaterkammer muss hier aus Praktikabilitätsgründen im Grundsatz die Ist-Versteuerung gelten.

Auch in Fällen, in denen die Steuersätze bei der Versendung bzw. bei Erhalt der Ware auseinanderfallen, ist eine genaue Bestimmung des Leistungszeitpunktes von immenser Bedeutung. Im Übrigen besteht auch im Hinblick auf sog. Dauerleistungen (wie bspw. Zeitungsabonnements mit wiederkehrenden Lieferungen für einen vereinbarten Leistungszeitraum) gerade auch im Kontext zu den anderen Mitgliedstaaten keine bekannte harmonisierte umsatzsteuerliche Bestimmung des Leistungszeitpunktes.

Dasselbe gilt für die Festlegung des zutreffenden anzuwendenden Zeitpunkts für die Erfassung von Entgeltänderungen (insb. Entgeltminderungen aufgrund von Retouren oder Mängeln), da bislang unklar geblieben ist, ob sich etwaige Meldungen von Entgeltänderungen in zeitlicher Hinsicht auf den Rücksendezeitpunkt bzw. den Rücknahmezeitpunkt oder alternativ den Rückzahlungszeitpunkt zu beziehen haben. Daneben stellt sich angesichts ökologischer und wirtschaftlicher Unverhältnismäßigkeit im Versandhandel vielfach auch die Frage, ob im Fall des Vorliegens geringwertiger aber mangelhafter Warenlieferungen innerhalb der EU im Sinne eines nachhaltigen Handelns gegenüber den Kunden auf eine Rücksendeverpflichtung ggf. verzichtet werden kann, ohne den Tatbestand eines innergemeinschaftlichen Verbringens auszulösen.

Wir bitten um eine Klarstellung zum verwaltungsseitigen Verständnis hinsichtlich der angesprochenen Problemfälle.

II. Organschaft im OSS-Verfahren

Unklarheiten bestehen im Berufsstand auch im Hinblick auf die Anwendung des OSSVerfahrens (EU-Regelung) bei der umsatzsteuerlichen Organschaft. So geht aus dem o. g. BMF-Schreiben vom 1. April 2021 nicht eindeutig hervor, ob ein umsatzsteuerlicher Organkreis in Deutschland beim BZSt eine einzige OSS-Meldung für den gesamten Organkreis abzugeben hat bzw. ob jede Organgesellschaft eines Organkreises im OSSVerfahren (EU-Regelung) selbständig melden muss.

Im Berufsstand stellt sich zudem die Frage, ob der Schwellenwert in Höhe von 10.000,00 € für jede Organgesellschaft einzeln anwendbar ist bzw. ob dieser nur für einen ganzen Organkreis gelten soll. Sollte Letzteres der Fall sein, könnte dies eine Ungleichbehandlung bzw. Schlechterstellung deutscher Steuerpflichtiger gegenüber anderen EU-Mitgliedstaaten, die keine Gruppenbesteuerung kennen, bedeuten.

Aus Sicht der Bundessteuerberaterkammer sollte eine Klarstellung seitens der Finanzverwaltung dahingehend erfolgen, dass die einzelnen Organgesellschaften jede für sich eine Erklärung abzugeben haben. Eine andere Sichtweise im Sinne einer „Zusammenfassung“ zu einem zur Meldung Verpflichteten könnte aus Praktikabilitätsgründen auch deshalb problematisch sein, weil aus Erwägungen der Betriebsprüfung hinterher ggf. wieder eine Zersplitterung in den Organträger und einzelne Organgesellschaften zu erfolgen hätte.

III. Bereitstellung von Daten im IOSS-Verfahren bei der Nutzung von Vermittlern im Drittland

Im Rahmen der Nutzung des IOSS-Verfahrens im Drittland besteht vielseits die Problematik, dass dort regelmäßig Vermittler zwischengeschaltet werden müssen.

Oftmals stimmen aber die durch die Vermittler übermittelten Daten nicht mit den Umsätzen, die bei der Einfuhr angemeldet wurden, überein. Zur Sicherstellung einer korrekten Übermittlung von Steuerdaten muss den Händlern daher zeitnah die Möglichkeit zur Einsichtnahme in die Daten eingeräumt werden.

Derzeit verhält es sich so, dass weder der jeweilige Vermittler noch der Nutzer des IOSS-Verfahrens an diese Daten gelangen können, um einen entsprechenden Abgleich, den auch die Finanzverwaltung vornimmt (vgl. zur derzeitigen Vorgehensweise S. 69 der Erläuterungen zu den Mehrwertsteuervorschriften für den elektronischen Rechtsverkehr unter https://ec.europa.eu/taxation_customs/system/files/2020-12/vatecommerceexplanatory_28102020_de.pdf), durchführen zu können.

Die Europäische Kommission selbst weist auf das Erfordernis der Einführung eines direkten Datenaustauschs im Zusammenhang mit elektronischen Schnittstellen im IOSS-Verfahren hin und erklärt, dass eine solche mittelfristig geplant sei (vgl. S. 89 des Leitfadens für Mitgliedstaaten und für den Handel unter https://www.zoll.de/SharedDocs/Downloads/DE/Links-fuer-Inhaltseiten/Fachthemen/Reise-Post/ec_europa_leitlinien_zum_eingang_von_waren.pdf?__blob=publicationFile&v=3).

Die Bundessteuerberaterkammer erbittet eine Positionierung der Finanzverwaltung, ob und wann mit einer Bereitstellung der entsprechenden Datensätze im IOSS-Verfahren mit Drittlandsbezug zu rechnen ist. (…)

(BStBK, „Eingabe 003/2022“ vom 28.01.2022)