1. Art. 205 der Richtlinie 2006/112 ist dahin gehend auszulegen, dass er keine Steuerschuldverlagerung auf einen Dritten, sondern nur eine akzessorische Haftung bezüglich einer noch nicht erloschenen Steuerschuld eines (noch) existierenden Steuerschuldners erlaubt. Die Festsetzung einer Haftungsschuld nach Abschluss des Insolvenzverfahrens und Erlöschen des Steuerpflichtigen ist von Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie daher nicht gedeckt.
2. Art. 205 in Verbindung mit Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie ermöglicht auch die Inanspruchnahme des Leistungsempfängers, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er mit seinem Umsatz in einen Betrug seines Vertragspartners involviert ist oder sich selbst missbräuchlich verhält. Die bloße Nichtzahlung der erklärten Steuer stellt aber keinen Mehrwertsteuerbetrug dar. Sofern dem Leistungsempfänger kein missbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden kann, begründet allein die Tatsache, dass er wusste oder hätte wissen müssen, dass sein Vertragspartner die erklärte Steuer nicht zahlen würde, keine Haftung seinerseits.
GA’in Kokott, Schlussanträge vom 4.9.2025 – C-121/24