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OLG Hamm: Steuerberater, Lohnbuchführung, GmbH, Gesellschafter-Geschäftsführer, Sozialversicherung, Beschäftigung, Sperrminorität …

… Nebenpflicht, Schadensverhütungspflicht, konsolidierte Schadensbetrachtung

OLG Hamm, 8.4.2022 – 25 U 42/20

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird das am 15.07.2020 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 105.846,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.05.2019 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung angeblicher Ansprüche der Klägerin auf Auskunft, Abrechnung und Auszahlung empfangener Rückzahlungen sowie Abtretung von Rückzahlungsansprüchen wegen im Zeitraum vom 01.09.2014 bis zum 31.12.2017 geleisteter Beiträge zur privaten Krankenversicherung gegen

– A bezüglich der bei der Z, Adresse01, zu Versicherungsnummer VN01

– K bezüglich der bei der W, Adresse02, zu Service-Nr. VN02

– C bezüglich der bei der Z, Adresse01, zu Versicherungsnummer VN03

jeweils unterhaltenen Krankenversicherung.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren Schäden zu erstatten, die ihr daraus entstehen, dass die Beklagte sie nicht darauf hingewiesen hat, dass sie zu der Frage der Sozialversicherungspflicht der Gesellschafter-Geschäftsführer sozialversicherungsrechtlichen Rat einholen sollte, woraufhin der Gesellschaftsvertrag dahingehend geändert worden wäre, dass den Gesellschaftern eine Sperrminorität eingeräumt worden wäre, wobei die Erstattung der Schäden Zug um Zug zu erfolgen hat gegen Abtretung angeblicher Ansprüche der Klägerin auf Auskunft, Abrechnung und Auszahlung empfangener Rückzahlungen sowie Abtretung von Rückzahlungsansprüchen wegen im Zeitraum vom 01.09.2014 bis zum 12.12.2018 geleisteter Beiträge zur privaten Krankenversicherung gegen

– A bezüglich der bei der Z, Adresse01, zu Versicherungsnummer VN01

– K bezüglich der bei der W, Adresse02, zu Service-Nr. VN02

– C bezüglich der bei der Z, Adresse01, zu Versicherungsnummer VN03

jeweils unterhaltenen Krankenversicherung.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten und die weitergehende Anschlussberufung der Klägerin werden abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund dieses Urteils insgesamt vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche, die die Klägerin gegen die Beklagte, ihre vormalige, u. a. mit der Lohnbuchhaltung betraute Steuerberaterin, geltend macht, nachdem sie von der B (im Folgenden: B) im Anschluss an eine Betriebsprüfung zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für ihre drei Geschäftsführer – gleichzeitig zu gleichen Anteilen Gesellschafter der Klägerin – verpflichtet wurde.

Wegen der Darstellung des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen mit der Maßgabe, dass der Beitragsbescheid der B vom 17.12.2018 über insgesamt 106.435,36 EUR die Klägerin zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die drei Gesellschafter-Geschäftsführer i.H.v. 105.846,80 EUR verpflichtete; die weitergehende Zahlungsverpflichtung i.H.v. 588,56 EUR betraf eine Mitarbeiterin D der Klägerin. Des Weiteren ist zu ergänzen, dass die gegen den Bescheid vom 17.12.2018 erhobene Klage in dem Verfahren Sozialgericht Münster, S 14 BA 88/19, in dem die Beklagte beigeladen war, durch – infolge Rechtsmittelverzicht unter Zustimmung der Beklagten – rechtskräftiges Urteil des Sozialgerichts Münster vom 16.12.2020 (Bl. 467 ff.) abgewiesen wurde. Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird ebenfalls auf das Urteil des Landgerichts verwiesen.

Das Landgericht hat dem Zahlungsantrag ganz überwiegend stattgegeben, nämlich i.H. des Nachzahlungsbetrags aus dem Bescheid vom 17.12.2018 von 106.435,36 EUR. Allein die Säumniszuschläge i.H.v. 568,54 EUR hat es nicht als Schaden berücksichtigt. Zudem hat es den Feststellungsantrag abgewiesen.

Die Beklagte habe eine vertragliche Nebenpflicht verletzt, die sich aus dem Mandat zur Lohnbuchführung ergeben habe. Im Rahmen der Lohnbuchführung habe der Steuerberater zu prüfen, ob eine Befreiung von der Versicherungspflicht in Betracht komme, wenn Beiträge nicht abgeführt würden. Ergäben sich dabei tatsächliche Unklarheiten oder sozialversicherungsrechtliche Schwierigkeiten, so habe er Rückfrage zu halten bzw. auf die Hinzuziehung eines fachlich geeigneten Beraters hinzuwirken.

Solche sozialversicherungsrechtlichen Zweifel hätten sich bereits aus der Stellung der Geschäftsführer der Klägerin als geschäftsführende Minderheitsgesellschafter ergeben, für deren sozialversicherungsrechtliche Behandlung es angesichts der Neugründung der Klägerin keine jahrelang unbeanstandete, nur fortzusetzende Unternehmenspraxis gegeben habe. Bereits im Zeitpunkt der Gründung habe in der Rechtsprechung des BSG eine umfangreiche Kasuistik existiert, wobei die Sozialversicherungspflicht die Regel gewesen sei. Gerade die sozialversicherungsrechtliche Einordnung von Minderheitsgesellschaftern sei hoch umstritten gewesen. Die Beklagte hätte daher der Klägerin raten müssen, externen Rat einzuholen, bevor sie die Gesellschafter-Geschäftsführer zur Sozialversicherung gemeldet habe.

Wenn die Beklagte einen solchen Rat erteilt hätte, hätte die Klägerin einen entsprechenden externen Berater beauftragt, der dann eine rechtlich zutreffende Beratung erteilt und der Klägerin die Möglichkeit aufgezeigt hätte, dass durch Vereinbarung einer Sperrminorität auch Minderheitsgesellschafter sozialversicherungsfrei beschäftigt werden können. Eine solche Regelung hätten die Gesellschafter der Klägerin sodann getroffen. Hierfür spreche eine ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit, weil die Gesellschafter eine solche Regelung tatsächlich später in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen hätten.

Wäre von Beginn an eine solche Sperrminorität vereinbart worden, wären keine Sozialversicherungsbeiträge abzuführen gewesen. Die Klägerin hätte also nicht 106.435,36 EUR nachzahlen müssen. Allein hinsichtlich der Säumniszuschläge fehle es mangels Darlegung der Vorteile durch die längere Verfügbarkeit der nachgeforderten Beträge an einem Gesamtvermögensvergleich.

Andere Vorteile der Klägerin seien nicht zu berücksichtigen. Die Tatsache, dass die Sozialversicherungsbeiträge als Betriebsausgaben den Gewinn vermindert hätten, könne unberücksichtigt bleiben, da andererseits die Schadensersatzleistung als Einnahme zu versteuern sein werde.

Es könne dahinstehen, ob die Klägerin sich nach den Grundsätzen der konsolidierten Gesamtbetrachtung Vorteile der Gesellschafter anrechnen lassen müsse, denn solche seien nicht hinreichend konkret entstanden. Es stehe nicht sicher fest, wann, wie lange und in welcher Höhe diese tatsächlich Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen würden, zumal für den Gesellschafter K nicht absehbar sei, ob er noch die Mindestbeitragszeiten erreichen werde. Der Schutz aus der gesetzlichen Krankenversicherung habe ihnen keinen Vorteil vermittelt, da sie zeitgleich private Krankenversicherungen unterhalten hätten. Einen Anspruch auf Rückzahlung von Beiträgen aus den privaten Krankenversicherungen habe die Beklagte nicht dargetan; die von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen sprächen dagegen.

Ein Mitverschulden der Klägerin könne nicht festgestellt werden. Der Gesellschaftsvertrag sei noch vor Erlass der Nachzahlungsbescheide geändert worden.

Der Feststellungsantrag sei dagegen unbegründet. Dieser stelle nur darauf ab, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, die Klägerin auf die Sozialversicherungspflicht hinzuweisen. Eine solche Verpflichtung habe die Beklagte jedoch gerade nicht getroffen, sondern diese hätte nur raten dürfen, sozialversicherungsrechtlichen Rat einzuholen. Eine solch andere Pflichtverletzung stelle auch kein Minus dar, das Grundlage für eine Verurteilung sein könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten wie auch die Anschlussberufung der Klägerin.

Die Beklagte erhebt tatsächliche und rechtliche Einwendungen gegen das landgerichtliche Urteil. Der Sachverhalt sei nicht ausgeschöpft bzw. aufgeklärt worden. Rechtserheblicher Vortrag sowie Beweisantritte seien unberücksichtigt geblieben. Die Kammer habe eine eigene Entscheidung aus 2018 sowie obergerichtliche Rechtsprechung zu ähnlich gelagerten Fällen außer Acht gelassen. Im Einzelnen führt die Beklagte hierzu Folgendes aus:

Dem Zahlungsantrag der Klägerin hätte aus prozessualen Gründen nicht stattgegeben werden dürfen, da die Klägerin auch diesen nicht auf die Verletzung einer Hinweispflicht gestützt habe. Die Beklagte rügt als rechtlich fehlerhaft, dass die Verletzung der Nebenpflicht im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung nicht erwähnt werde.

Zudem seien die Gesellschafter bei Gründung der Klägerin nicht geschäftsunerfahren gewesen, da sie parallel die Gazellen GbR betrieben hätten und in diesem Zusammenhang unternehmerische Erfahrungen und Kenntnisse auch im Hinblick auf Steuern und Sozialversicherungspflicht erlangt hätten, was näher ausgeführt wird.

Das Landgericht sei eine tragfähige Begründung für die angenommene Hinweispflicht, nämlich eine Besonderheit aufgrund der Neugründung, die zu Unklarheiten oder Zweifeln geführt habe, schuldig geblieben. Die Begründung überzeuge schon deswegen nicht, weil es aufgrund der dauerhaft bestehenden Fortbildungspflicht des Steuerberaters nicht darauf ankommen könne, ob es sich um eine Neugründung oder ein laufendes Mandatsverhältnis handele.

Ferner hätte das Landgericht beachten müssen, dass in erster Linie dem beurkundenden Notar die Rechtsberatung als vertragliche Hauptpflicht oblegen hätte. Eine vertragliche Nebenpflichtverletzung sei deswegen für den von der Klägerseite reklamierten Schaden nicht ursächlich gewesen. Zudem stände der Inanspruchnahme der Beklagten § BGB/242.html">242 BGB entgegen. Die Klägerin müsse sich ferner die unterlassene und fehlerhafte Beratung des Notars gemäß § BGB/278.html">278 BGB bzw. § 166 BGB (analog) zurechnen lassen. Mangels Haftung der Beklagten greife das Haftungsprivileg des Notars nicht.

Die Beklagte habe ihre Pflichten erfüllt, indem sie die drei Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Einzugsstelle angemeldet habe. Dieses habe zur Folge, dass von Amts wegen ein Clearingverfahren gem. § 7a Abs. 1 SGB IV eingeleitet werde. Mehr habe die Beklagte im Rahmen der Lohnbuchhaltung nicht tun müssen. Zweifel oder Unklarheiten bei Übertragung des Mandats, wie vom Landgericht – ohne substantiierten Vortrag der Klägerseite und von der Beklagten bestritten – angenommen, habe es nicht gegeben. In das Clearingverfahren selbst sei der steuerliche Berater nicht involviert und auch zu Hilfeleistungen nicht befugt. In diesem Zusammenhang meint die Beklagte, dass die Klägerseite ein weit überwiegendes Mitverschulden wegen eines groben Verstoßes gegen die Sorgfaltspflicht in eigenen Angelegenheiten oder der Verletzung der für die Geschäftsführer als ordentliche Kaufleute nach § GmbHG/43.html">43 Abs. 1 GmbHG bestehenden Sorgfaltspflicht treffe, weil die Klägerin von sich aus aktiv ein Statusfeststellungsverfahren hätte betreiben müssen, um die notwendige Rechtssicherheit zu erlangen und um Schaden für die Klägerin frühzeitig abwenden zu können (BGH, Urteil vom 22.09.2020, II ZR 141/19).

Die Annahme einer Verpflichtung zu einem Hinweis sei widersprüchlich, wenn man andererseits davon ausgehe, dass der steuerliche Berater eine solche Prüfung rechtlicher Fragen nach § RDG/5.html">5 RDG nicht erbringen dürfe. Eine solche Pflicht werde auch in der Rechtsprechung verneint. Zudem habe im Jahr 2014 noch keine klare höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Sozialversicherungspflicht bestanden, sondern sei erst durch das Urteil vom 14.03.2018 (B 12 KR 13/17 R) erfolgt. Diese neue Rechtsprechung sei aus Gründen des Vertrauensschutzes gerade nicht auf frühere vertragliche Gestaltungen anzuwenden (BSG B 12 KR 25/10 RB 12 R 14/10 RB 12 KR 19/11 R). Es sei erstaunlich, dass die Klägerin sich nicht mit diesem Argument gegen den Bescheid der B zur Wehr gesetzt habe.

Die Beklagte bestreitet weiterhin, dass die Gesellschafter der Klägerin bereits bei der Gründung eine Sperrminorität vereinbart hätten. Dies sei eine Abrede, die verhindere, einen lästigen Minderheitsgesellschafter zu überstimmen. Dem Umstand, dass die Gesellschafter später eine solche Änderung haben beurkunden lassen, komme keine Indizwirkung zu. Dies sei allein geschehen, um die Haftpflichtversicherung der Beklagten in Anspruch zu nehmen. In dieses Bild passe auch die erhebliche Zeitverzögerung zwischen der Betriebsprüfung und der Beurkundung der Änderung des Gesellschaftsvertrages.

Die Beklagte beanstandet eine unzureichende Prüfung der Schadenshöhe durch das Landgericht. Nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 01.10.2020, IX ZR 228/19) sei eine konsolidierte Schadensbetrachtung vorzunehmen; es handele sich bei dem betroffenen Vermögen wirtschaftlich auch um dieselbe Vermögensmasse, da davon auszugehen sei, dass die drei geschäftsführenden Gesellschafter das Vermögen der GmbH gemeinsam aufgebracht hätten und die nachträglich gezahlten Sozialversicherungsbeiträge in das Vermögen der einzelnen Gesellschafter gelangten. Die vom Landgericht betriebene Amtsermittlung hinsichtlich etwaiger von den Gesellschaftern erworbener Rentenversicherungsansprüche sei unzulässig gewesen. Das Ergebnis werde bestritten und die Verwertbarkeit für die Berufungsinstanz gerügt. Das Landgericht hätte auch den Beweisantritten der Beklagten nachgehen müssen, dass die Gesellschafter die Beiträge zur privaten Krankenversicherung nachträglich hätten erstattet erhalten können, oder – entsprechend der Darlegungslast – Auflagen an die Klägerseite erteilen müssen. Es liege nur eine Bescheinigung der W bezüglich des Geschäftsführers K vor, die sich auch nicht mit dem Einwand der Doppelversicherung auseinandersetze. Auch sei der Vorteil zu berücksichtigen, dass den Gesellschaftern höhere monatliche Bezüge ausgezahlt worden seien, da keine Sozialversicherungsbeiträge einbehalten worden seien. Es seien nach dem konsolidierten Schadensbegriff nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 08.09.2016, IX ZR 255/13) auch die steuerlichen Auswirkungen auf der Ebene der Gesellschaft und der Gesellschafter in den Gesamtvermögensvergleich einzubeziehen. Bereits die Begründung von Rentenanwartschaften rechtfertige – nach Kapitalisierung – einen Abzug von der Schadensersatzforderung. Die Anwartschaften könnten durch weitere Zahlungen ggf. auszahlungsfähig gemacht werden; geschehe dies nicht, liege ein Mitverschulden nach § BGB/254.html">254 BGB vor. Hinsichtlich von den Gesellschaftern erworbener Rentenanwartschaften und/oder Rückzahlungsansprüche gegenüber der privaten Krankenkassen macht die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf Auskunft, Abrechnung und auch Abtretung bis zur Höhe der Klageforderung geltend. Ebenso macht sie ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Notar geltend.

Zur Höhe des Anspruchs erhält die Beklagte den ursprünglichen Berufungseinwand, dass bei der Ermittlung der Beiträge durch die B nicht die korrekten gezahlten Bezüge berücksichtigt worden sind, nicht mehr aufrecht. Allerdings behauptet sie unter näherem Sachvortrag, die Gesellschafter-Geschäftsführer hätten nicht ihre volle Arbeitskraft für die Leitung des Geschäftsbetriebes eingesetzt, sondern seien daneben bzw. bereits vor Gründung des Unternehmens in einem Umfang selbstständig tätig gewesen, dass sie aus den daraus erzielten Einkünften vollständig ihren gesamten Lebensunterhalt hätten bestreiten können. Es werde bestritten, dass im Prüfungsverfahren der B auf diese selbstständigen Tätigkeiten hingewiesen worden sei und sie Berücksichtigung gefunden hätten. Bei ordnungsgemäßem Vortrag und Nachweis wäre eine Sozialversicherungspflicht nicht festgestellt worden. Das sozialgerichtliche Urteil entfalte keine Bindungswirkung für den Senat.

Soweit die Klageabweisung durch die Anschlussberufung angegriffen wird, hält die Beklagte die Einwendungen der Klägerseite nicht für durchgreifend, zumal künftige Schäden angesichts der sich aus dem sozialgerichtlichen Urteil ergebenden bezifferten Zahlungsverpflichtung nicht dargelegt seien.

Die Beklagte beantragt,

abändernd die Klage abzuweisen

sowie

die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen

sowie

abändernd über den Ausspruch im angefochtenen Urteil hinausgehend festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr alle weiteren Schäden zu erstatten, die ihr daraus entstehen, dass die Beklagte sie nicht darauf hingewiesen hat, dass sie zu der Frage der Sozialversicherungspflicht der Gesellschafter-Geschäftsführer sozialversicherungsrechtlichen Rat einholen sollte.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat, mit näheren Ausführungen. Hierzu behauptet sie insbesondere, dass kein automatisches Clearingverfahren bei der B eingeleitet worden sei. Die Klägerin sei nicht angehört worden; weder ihr noch ihren Geschäftsführern seien Anhörungsbögen zugesandt worden. Es sei auch kein Feststellungsbescheid ergangen, der sonst auch in dem Prüfungsverfahren hätte berücksichtigt werden müssen. Die privaten Krankenversicherer der Gesellschafter-Geschäftsführer seien bereits vertraglich nicht verpflichtet gewesen seien, Beiträge zu erstatten; Bitten um freiwillige Erstattungen seien abgelehnt worden. Die Leitung des Betriebs habe die hauptberufliche Tätigkeit der Gesellschafter-Geschäftsführer dargestellt; die selbstständige Erwerbstätigkeit sei demgegenüber von untergeordneter Bedeutung gewesen, was näher ausgeführt wird. Im Übrigen stehe die Verpflichtung zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge aufgrund der Beiladung im sozialgerichtlichen Verfahren auch gegenüber der Beklagten rechtskräftig fest.

Mit der Anschlussberufung verfolgt die Klägerin den Feststellungsantrag in modifizierter Form weiter und vertritt die Rechtsansicht, dass bereits der erstinstanzliche Antrag zumindest in dieser Weise auszulegen gewesen sei. Die Klägerin habe ihre Ansprüche doch gerade auch auf die Verletzung einer Hinweispflicht gestützt, die darin gelegen habe, dass nicht auf die Notwendigkeit einer Prüfung der Sozialversicherungspflicht durch einen Dritten hingewiesen worden sei. Jedenfalls hätte das Landgericht einen Hinweis nach § ZPO/139.html">139 ZPO erteilen müssen. Es drohe weiterer Schaden wegen der auch im Jahr 2018 nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge, hinsichtlich derer aber noch keine Prüfung durch die B erfolgt sei.

Der Senat hat die Geschäftsführer der Klägerin im Termin vom 19.03.2021 persönlich angehört; hierzu wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 484 ff.) verwiesen. Ferner hat der Senat eine amtliche Auskunft der B zur Einleitung und Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens betreffend die Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin nach § 7a Abs. 1 S. 2 SGB IV eingeholt gemäß Beschluss vom 19.03.2021 (Bl. 490), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Zum Ergebnis der Auskunft wird auf die Schreiben der B vom 21.07.2021 betreffend A (Bl. 512), vom 24.08.2021 betreffend C (Bl. 520) sowie vom 21.10.2021 betreffend K (Bl. 525) verwiesen.

II. Die zulässige Berufung ist nur in geringem Umfang begründet; die zulässige Anschlussberufung ist überwiegend begründet.

Zu Recht hat das Landgericht einen Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § BGB/280.html">280 Abs. 1 BGB aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Steuerberatervertrages angenommen und die Beklagte zu einer Zahlung verurteilt, die lediglich geringfügig zu reduzieren und um eine Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung zu ergänzen war. Der Schadensersatzanspruch rechtfertigt auch den – allerdings ebenfalls durch die Zug um Zug-Verpflichtung eingeschränkten – Zuspruch auf den zulässigen Feststellungsantrag, den die Klägerin mit ihrer Anschlussberufung weiterverfolgt.

Im Einzelnen ist hierzu Folgendes auszuführen:

1. Berufung

Das Berufungsvorbringen der Beklagten lässt keine abweichende Beurteilung der Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu; der Höhe nach ist der von der Klägerin geltend gemachte Betrag gemäß Bescheid der B vom 17.12.2018 lediglich wegen des darin enthaltenen auf eine Mitarbeiterin der Klägerin entfallenden Betrages zu kürzen; ferner war die Klägerin auf das von der Beklagten geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht Zug um Zug zur Abtretung von angeblichen Ansprüchen im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern in Bezug auf die von ihnen unterhaltenen privaten Krankenversicherungen zu verpflichten.

a)

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte schuldhaft eine Nebenpflicht aus dem Steuerberatervertrag bezüglich der Lohnbuchführung verletzt hat.

aa)

Pflichten in Bezug auf den sozialversicherungsrechtlichen Status können sich für den Steuerberater bei Übernahme einer – auch bereits laufenden – Lohnbuchhaltung ergeben (Gräfe, in: Gräfe/Lenzen/Wollweber, Steuerberaterhaftung, 7. Aufl. 2021, Rn. 911). Der Steuerberater ist zwar zu einer Beratung in sozialversicherungsrechtlichen Fragen weder berechtigt noch verpflichtet (BGH, Urteil vom 12.02.2004, IX ZR 246/02 juris Rn. 12). Allerdings ist in diesem Zusammenhang ein Verstoß gegen eine vertragliche Schadensverhütungspflicht denkbar (BGH a. a. O.). So ist der Steuerberater grundsätzlich als zu einer Prüfung verpflichtet angesehen worden, ob für Arbeitnehmer eine Befreiung von der Versicherungspflicht in Betracht kommt, wenn Beiträge nicht abgeführt werden (BGH, Urteil vom 23.09.2004, IX ZR 148/03, juris Rn. 13 = DStR 2004, 1979, 1980 unter III. 1.). Sofern er bei der Prüfung einer Beitragspflicht oder bei der Berechnung der Höhe der abzuführenden Beiträge auf Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art stößt oder sich die Rechtslage unklar darstellt, darf er den sich stellenden sozialversicherungsrechtlichen Fragen nicht selbst nachgehen, sondern hat seinem Mandanten anheim zu stellen, einen mit den notwendigen Erfahrungen ausgestatteten Rechtsanwalt aufzusuchen (BGH a. a. O.; ebenso BGH, Urteil vom 12.02.2004, IX ZR 148/03 juris Rn. 13); alternativ könnte er raten, die Beitragspflicht bei dem Sozialversicherungsträger nach § 7a SGB IV oder § 28h Abs. 2 SGB IV selbst prüfen zu lassen (Zieglmeier DStR 2020, 230, 238; Gräfe a. a. O.; vgl. auch BGH, Urteil vom 06.06.2019, IX ZR 115/18 juris Rn. 3, 5, in dem die entsprechenden Ausführungen des Berufungsgerichts unbeanstandet geblieben sind).

bb)

Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung, der sich der Senat aufgrund eigener Prüfung anschließt, war die Beklagte bei Übernahme des Mandats Lohnbuchhaltung nicht zu einer Beratung in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht verpflichtet und musste deshalb auch nicht selbst prüfen, ob es sich bei der Tätigkeit der Gesellschafter-Geschäftsführer um eine Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV handelte; insbesondere hatte sie nicht zu prüfen, ob die Tätigkeit als selbstständig zu qualifizieren war. Allerdings hatte sie zu prüfen, ob eine Befreiung von der Versicherungspflicht in Betracht kam.

Dies war gerade unter Berücksichtigung des der Beklagten unstreitig im Rahmen des Erstgesprächs vom 19.06.2014 vorgelegten Gesellschaftsvertrags fraglich. Danach war die vorgefundene gesellschaftsrechtliche Konstellation dadurch gekennzeichnet, dass alle drei Gesellschafter zu je 1/3 Anteil am Kapital beteiligt waren und dementsprechend keiner von ihnen in der Lage war, sich ihm nicht genehmen Weisungen zu widersetzen.

Für derartige Fallgestaltungen gab es bereits zum Zeitpunkt der Übernahme der Lohnbuchhaltung Rechtsprechung des BSG, nach der grundsätzlich von einer Sozialversicherungspflicht auszugehen war, sofern der jeweilige Gesellschafter-Geschäftsführer nicht über eine Sperrminorität verfügte, die ihn in die Lage versetzte, Weisungen abzuwehren, oder sich aus dem Anstellungsvertrag eine im Wesentlichen weisungsfreie und wirtschaftlich für ein eigenes Unternehmen ausgeübte Tätigkeit ergab (z. B. BSG, Urteil vom 24.09.1992, 7 Rar 12/92, juris Rn. 18 m. w. N.).

Es kann letztlich dahingestellt bleiben, inwiefern der Beklagten die Rechtsprechung des BSG zur sozialversicherungsrechtlichen Stellung von Gesellschafter-Geschäftsführern im Einzelnen bekannt sein musste. Denn zumindest musste ihr bewusst sein, dass die Einordnung der Tätigkeit von Gesellschaftern als selbstständig oder nicht selbstständig zweifelhaft war. Sie musste wissen, dass sich die Beurteilung der Beschäftigung nach § 7 SGB IV richtet und nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts das Maß der persönlichen Abhängigkeit für die Abgrenzung zwischen selbstständiger oder nicht selbstständiger Tätigkeit entscheidend ist: Während die nicht selbstständige Tätigkeit durch die Eingliederung in einen fremden Betrieb bei gleichzeitigem Weisungsrecht des Arbeitgebers bezüglich Zeit, Dauer, Ort und Art der Tätigkeit gekennzeichnet ist, zeichnet sich demgegenüber die selbstständige Tätigkeit durch Übernahme des Unternehmerrisikos und die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft bei im Wesentlichen frei gestalteter Tätigkeit und Arbeitszeit im eigenen Betrieb aus (Rittweger, in: BeckOK Sozialrecht, 63. Ed., Stand: 01.12.2021, § 7 Rn. 4 m. w. N.).

Diese Maßstäbe gelten ohne Weiteres auch für die Gesellschafter einer GmbH und waren damit von der Beklagten für die Gesellschafter der Klägerin anzuwenden, die als Geschäftsführer für diese tätig werden sollten. Dabei musste sich die Frage aufdrängen, inwiefern angesichts des Vorhandenseins von drei in gleicher Weise beteiligten und damit gleichberechtigten Gesellschaftern eine freie Gestaltung der Tätigkeit der einzelnen Gesellschafter unabhängig von den beiden anderen Gesellschaftern möglich war. Dies war als sozialversicherungsrechtliche Schwierigkeit zu qualifizieren, die die Inanspruchnahme anwaltlichen Rats oder die Verweisung an die Einzugsstelle nach § 28h SGB IV nahe legte.

Hinzu kam, dass bei Übernahme der Lohnbuchhaltung noch keine Betriebsprüfung vorangegangen war, in der die sozialversicherungsrechtliche Einordnung unbeanstandet geblieben war, denn die Beklagte hatte die Lohnbuchhaltung im Zusammenhang mit der Neugründung der Klägerin übernommen.

Des Weiteren war die Einordnung in krankenversicherungsrechtlicher Hinsicht angesichts der sonstigen Betätigungen der Gesellschafter-Geschäftsführer, zu denen die Beklagte nunmehr näher ausführt, im Hinblick auf § 5 Abs. 5 SGB V fraglich.

Jedenfalls aufgrund einer Gesamtbetrachtung der vorgenannten Unsicherheiten musste die Beklagte die Klägerin deshalb darauf hinweisen, dass die Einholung anwaltlichen Rats oder die Einleitung eines Prüfungsverfahrens beim Sozialversicherungsträger im Interesse der Klägerin geboten war. Dies hat die Beklagte bereits nach ihrem eigenen Vortrag nicht getan.

Die Beklagte durfte sich entgegen ihrer Auffassung nicht darauf beschränken, im Rahmen der Meldung gemäß § 28a Abs. 3 S. 2 Nr. 1. e) SGB IV zusätzlich jeweils anzugeben, dass es sich um eine Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung handelt. Richtig ist, dass dieser Inhalt der Meldung dem Ziel dient, sofort durch das Statusfeststellungsverfahren verbindlich festzustellen, ob es sich um eine versicherungspflichtige Beschäftigung handelt oder nicht; dies folgt aus der Verpflichtung der Einzugsstelle nach § 7a Abs. 1 S. 2 SGB IV, einen Antrag auf Feststellung einer Beschäftigung zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers nach § 28a SGB IV ergibt, dass der Beschäftigte geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Allerdings musste die Beklagte pflichtgemäß im Interesse der Klägerin sicherstellen, dass der sozialversicherungsrechtliche Status ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer geklärt wurde. Diesen Anforderungen genügte sie nicht, indem sie die Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens in die Hände der Einzugsstelle legte, auch wenn diese gesetzlich zur Antragstellung verpflichtet war. Denn dies barg, wie der vorliegende Sachverhalt zeigt, das Risiko, dass eine Antragstellung seitens der Einzugsstelle – aus welchen Gründen auch immer – unterblieb. Nach den Feststellungen des Senats hat die Einzugsstelle für die Gesellschafter-Geschäftsführer nämlich keinen Antrag nach § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV gestellt. Laut den Auskünften der B, die von keiner der Parteien angezweifelt worden sind, hat vor der Betriebsprüfung jeweils kein Statusfeststellungsverfahren betreffend die Gesellschafter der Klägerin stattgefunden; dies entspricht dem Bescheid der B vom 17.12.2018, wonach ein Statusfeststellungsverfahren bei den Einzugsstellen oder bei der Clearingstelle der B nicht beantragt bzw. geführt wurde, und den Erklärungen der Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen der persönlichen Anhörung vom 19.03.2021. Die Beklagte hätte sich jedenfalls für eine pflichtgerechte Erfüllung des ihr erteilten Auftrags nicht auf eine Antragsstellung der Einzugsstelle verlassen dürfen und mindestens zeitnah zur Meldung abklären müssen, ob ein Statusfeststellungsverfahren eingeleitet worden war. Dies ist nicht geschehen.

b)

Hätte die Beklagte bei Übernahme des Mandats an einen sachkundigen Rechtsanwalt verwiesen oder zu einer eigenen Antragstellung der Klägerin i.S.v. § 7a SGB IV oder § 28h Abs. 2 SGB IV geraten, dann hätte sich unter Zugrundelegung des ursprünglich geschlossenen Gesellschaftsvertrages jeweils ergeben, dass die Tätigkeit der Gesellschafter-Geschäftsführer als Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV einzuordnen war, eine Sozialversicherungspflicht also bestand. Hierzu wäre es letztlich auch gekommen, wenn die Beklagte wegen der Einleitung des Statusfeststellungsverfahrens zeitnah Nachfrage gehalten hätte. Dann hätte sie in Erfahrung gebracht, dass ein solches Verfahren nicht eingeleitet worden war. Sofern das Verfahren nicht aufgrund der Nachfrage in Gang gesetzt worden wäre, hätte die Beklagte bei pflichtgemäßem Verhalten ebenfalls die Inanspruchnahme anwaltlichen Rats oder die Einleitung eines sozialversicherungsrechtlichen Verfahrens anheimstellen müssen, die jeweils ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ergeben hätten.

Die Gesellschafter hätten dieses Ergebnis zum Anlass genommen, den Gesellschaftsvertrag abzuändern und eine Sperrminorität zu vereinbaren, durch die verhindert wurde, dass sie sich ihnen nicht genehmen Weisungen beugen mussten. Dieser weitere Verlauf der Dinge entspricht, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, der deutlich überwiegenden Wahrscheinlichkeit, wodurch den durch § ZPO/287.html">287 ZPO abgemilderten Anforderungen für die Bejahung der haftungsausfüllenden Kausalität genügt wird. Für das behauptete Verhalten der Gesellschafter spricht zwar kein Anscheinsbeweis, da es angesichts der damit verbundenen Auswirkungen auf die Unternehmensführung nicht schon durch die Lebenserfahrung nahe gelegt wird. Allerdings konnte über die Vereinbarung einer Sperrminorität erreicht werden, dass die Tätigkeit der Gesellschafter-Geschäftsführer von der Sozialversicherungspflicht befreit war und somit keine Sozialversicherungsabgaben zu zahlen waren. Dies entsprach schon im Jahr 2014 der Rechtsprechung der Sozialgerichte; bereits in dem vorerwähnten Urteil des BSG vom 24.09.1992 (7 Rar 12/92, juris Rn. 18 m. w. N.) wurde die Vereinbarung einer Sperrminorität als in der Rechtsprechung des BSG entschiedene Konstellation bezeichnet, in der ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen ist. Mit der Vereinbarung der Sperrminorität gingen erhebliche finanzielle Vorteile für die neu gegründete Klägerin einher, so dass sie einem anzunehmenden Interesse der Klägerin und zugleich der an ihr wirtschaftlich beteiligten Gesellschafter entsprach. Indiz dafür, dass die Gesellschafter der Klägerin seinerzeit gemäß dieser Interessenlage gehandelt hätten, ist das entsprechende Verhalten bei Aufdeckung des Schadens. Die Argumentation der Beklagten, die Änderung des Gesellschaftsvertrags nur im Hinblick auf den beabsichtigten Steuerberaterregress vorgenommen zu haben, verfängt demgegenüber nicht. Es ist wenig nachvollziehbar, warum die Gesellschafter-Geschäftsführer sich für die Zukunft in der von der Beklagten beschriebenen Weise binden und wechselseitig erheblich und nur schwer reversibel in der Unternehmensführung einschränken sollten, um eine, wenn auch nicht unerhebliche, so doch begrenzte Schadensersatzforderung geltend machen zu können. Anders als die Beklagte sieht der Senat keine erhebliche Zeitverzögerung zwischen der Betriebsprüfung und der Änderung des Gesellschaftsvertrages, die gegen den angenommenen Kausalverlauf sprechen könnte. Die im August 2018 begonnene Betriebsprüfung endete mit dem Erlass des Nachzahlungsbescheids vom 17.12.2018, die Änderung des Gesellschaftsvertrags datiert vom 12.12.2018. Unabhängig davon war den Gesellschafter-Geschäftsführern auch eine gewisse Überlegungs- und Organisationszeit zuzubilligen.

Bei Vereinbarung einer Sperrminorität wären die Beschäftigungsverhältnisse der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht als sozialversicherungspflichtig eingeordnet worden, und die Klägerin hätte die auf die Person ihrer Geschäftsführer entfallenden Beiträge nicht nachzahlen müssen.

c)

Als Schaden kann die Klägerin die Nachzahlungsbeträge für ihre Gesellschafter von der Beklagten erstattet verlangen. Dies sind für den Gesellschafter A 42.783,89 EUR, für den Gesellschafter K 42.365,03 EUR und für den Gesellschafter C 20.697,88 EUR, insgesamt 105.846,80 EUR. Die Differenz i.H.v. 588,56 EUR zur Klageforderung i.H.v. 106.435,36 EUR entspricht dem Nachzahlungsbetrag für die Mitarbeiterin D, wie der Anlage der Berechnung der Beiträge nach § 28p Abs. 1 SGB IV bezüglich der DAK-Gesundheit als Einzugsstelle zu entnehmen ist. Um diesen Betrag war die geltend gemachte Schadenssumme zu kürzen.

aa)

Steuervorteile der Klägerin, wie sie sich aufgrund einer Gewinnminderung durch die Nachzahlung ergeben können, sind nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nicht anzurechnen, wenn auch die Schadensersatzleistung ihrerseits zu versteuern ist; etwas anderes würde nur gelten, wenn der Schädiger Umstände darlegt, die auf das Verbleiben außergewöhnlicher Steuervorteile schließen lassen (Gräfe, in: Gräfe/Wollweber/Schmeer Rn. 2135 m. w. N.). Hierzu hat die Beklagte keinen ausreichenden Vortrag unterbreitet, indem sie sich auf die Behauptung der Ersparnis von Körperschaft- und Gewerbesteuer aufgrund der Minderung des Gewinns durch die Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge beschränkt hat.

bb)

Etwaige Vorteile der Gesellschafter aus der Sozialversicherungspflicht sind für den im Rahmen der Schadensermittlung anzustellenden Gesamtvermögensvergleich nicht im Wege einer konsolidierten Schadensbetrachtung einzubeziehen. Die Voraussetzungen für eine konsolidierte Schadensbetrachtung liegen nicht vor.

Die konsolidierte Schadensbetrachtung stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass Bezugspunkt für den im Rahmen der Rechtsanwalts- und Steuerberaterhaftung erforderlichen Gesamtvermögensvergleich nur das Vermögen des Geschädigten und nicht dasjenige eines Dritten ist (BGH, Urteil vom 05.02.2015, IX ZR 167/13NJW 2015, 1373, 1374 Rn. 11; Urteil vom 08.09.2016, IX ZR 255/13NJW-RR 2017, 566, 567 Rn. 12 f.; Urteil vom 06.06.2019, IX ZR 115/18BeckRS 2019, 13442 Rn. 12; Urteil vom 01.10.2020, IX ZR 228/19NJW 2021, 1163, 1164 Rn. 15 ff.; Gräfe, in: Gräfe/Wollweber/Schmeer Rn. 1729). Anerkannt worden ist diese Ausnahme insbesondere im Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögenswerten an Familienangehörige oder innerhalb eines Unternehmensverbundes (BGH NJW-RR 2017, 566, 567 Rn. 13; NJW 2021, 1163, 1164 Rn. 19; Gräfe a. a. O.). Die Auswirkungen der Pflichtverletzung auf das Vermögen eines Dritten sind in der Schadensbetrachtung zu berücksichtigen, wenn die Einbeziehung der Vermögensinteressen des Dritten nach dem Inhalt des Beratungsvertrags geschuldet war; zusätzlich muss es sich bei dem Vermögen mehrerer unterschiedlicher Rechtsträger wirtschaftlich um dieselbe Vermögensmasse handeln (BGH NJW 2021, 1163, 1164 Rn. 15 ff., insbes. Rn. 16, 17). Maßgeblich für die Frage, ob die Vermögensinteressen Dritter bei der Steuerberatung zu berücksichtigen sind, ist der Inhalt des konkret erteilten Auftrages (BGH NJW 2015, 1373, 1374 Rn. 12; NJW-RR 2017, 566, 567 Rn. 13; BeckRS 2019, 13442 Rn. 12; NJW 2021, 1163, 1164 Rn. 15; Senat, Urteil vom 04.05.2021, I-25 U 26/19 juris Rn. 106 ff., insbes. Rn. 108, Gräfe a. a. O.).

In der Vergangenheit hat der 9. Zivilsenat des BGH für eine Einmann-GmbH und deren Gesellschafter eine konsolidierte Schadensbetrachtung abgelehnt; hier ging es um die Frage, ob der Schaden der Gesellschaft infolge der Anrechnung der zusätzlichen Steuerbelastung der Gesellschaft wegen einer verdeckten Gewinnausschüttung auf die persönliche Einkommensteuerschuld des Alleingesellschafters entfällt (BGH, Urteil vom 18.12.1997, IX ZR 153/96DStRE 1998, 334, 335 unter 4. b)). In einer neueren, bereits zitierten Entscheidung vom 06.06.2019 (IX R 115/18, BeckRS 2019, 13442) hat der 9. Zivilsenat für den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH die Möglichkeit einer konsolidierten Schadensbetrachtung im Zusammenhang mit der Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen abhängig vom erteilten Auftrag hingegen in Erwägung gezogen. Auch der 23. Zivilsenat des OLG Düsseldorf ist in seinem Hinweisbeschluss vom 09.07.2020 zu einer solchen Fallkonstellation von einer konsolidierten Schadensbetrachtung ausgegangen (I-23 U 70/20BeckRS 2020, 23810, Rn. 15). Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 04.05.2021 eine konsolidierte Schadensbetrachtung bezüglich einer GmbH und ihrer Gesellschafter bei Versäumnissen des Steuerberaters betreffend das steuerliche Einlagekonto i.S.v. § 27 KStG vorgenommen, weil die streitgegenständliche Beratungspflicht im Wesentlichen auf den Schutz der Interessen der Gesellschafter abgezielt habe, die am Ende die tatsächlichen Steuerpflichtigen gewesen seien (I-25 U 26/19, juris Rn. 108).

Der Inhalt des im vorliegenden Rechtsstreit in Rede stehenden Auftrags zur Lohnbuchhaltung war indes nicht darauf gerichtet, auch die Vermögensinteressen der Gesellschafter der Klägerin zu berücksichtigen. Die Beklagte war, wie ausgeführt, zu einer Beratung der Klägerin in sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten nicht verpflichtet; eine solche Beratungspflicht hat hingegen offenbar das OLG Düsseldorf seinen Ausführungen zugrunde gelegt (a. a. O.). Die angenommene Schadensverhütungspflicht ergab sich als Nebenpflicht aus dem einfachen Auftrag zur Lohnbuchhaltung. Aufgrund dieses Auftrags hatte die Beklagte dafür Sorge zu tragen, dass die Klägerin ihren öffentlichrechtlichen Pflichten im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Abgaben nachkam. Nach den maßgeblichen öffentlichrechtlichen Regelungen sind die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten sowie der Beitrag aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung als Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen, § 28d S. 1 SGB IV; Gleiches gilt für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten, § 28d S. 2 SGB IV. Diesen Gesamtsozialversicherungsbeitrag hat der Arbeitgeber zu zahlen, § 28e Abs. 1 S. 1 SGB IV. Er hat im Ausgleich gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags, § 28g S. 1 SGB IV, der nur durch – zeitlich grundsätzlich auf die drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen begrenzten – Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden kann, § 28g S. 2 und 3 SGB IV. Die Pflicht zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags trifft also ausschließlich den Arbeitgeber; nur seine öffentlichrechtliche Verpflichtung wird mithilfe des zur Lohnbuchhaltung beauftragten Steuerberaters erfüllt. Der im Verhältnis zum Arbeitnehmer vorzunehmende Beitragsabzug liegt ebenfalls ausschließlich in seinem Interesse. Die hier in Rede stehende vertragliche Schadensverhütungspflicht ist in diesen Kontext einzuordnen. Sie soll verhindern, dass dem Mandanten vermeidbare Nachteile aus der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung ihrer Mitarbeiter entstehen. Auch diese Nachteile wirken sich wegen der allein ihn treffenden Beitragszahlungsverpflichtung ausschließlich beim Arbeitgeber aus. Der Arbeitnehmer ist nur reflexhaft betroffen, weil die Frage der Beschäftigung nur einheitlich geklärt werden kann. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber – und das auch nur zeitlich begrenzt – den Abzug nachholen kann, stellt keinen ausreichenden Grund dar, auf Seiten des Arbeitgebers ein Interesse an der Einbeziehung seiner Interessen in den Lohnbuchhaltungsauftrag anzunehmen, da dieser Abzug, wie oben ausgeführt, allein dem Interesse des Arbeitgebers zuzuordnen ist.

Jedenfalls für „einfache“ Mitarbeiter, denen nicht zugleich eine Gesellschafterstellung zukommt, ergibt sich danach kein Anlass, eine Einbeziehung ihrer Interessen in den Lohnbuchhaltungsauftrag anzunehmen; damit korrespondiert, dass auch eine Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich des Steuerberatervertrages, die sich gewissermaßen als Spiegelbild der konsolidierten Schadensbetrachtung darstellt (vgl. BGH NJW-RR 2017, 566, 567 Rn. 12), bezüglich des Lohnsteuerabzugs mit vergleichbarer Argumentation abgelehnt wird (OLG Frankfurt, Hinweisbeschluss vom 14.09.2017, 8 U 240/16DStRE 2018, 1275, 1276 Rn. 19).

Aber auch die Gesellschafterstellung von Mitarbeitern rechtfertigt keine andere Beurteilung. Allein ihre Doppelstellung als Mitarbeiter und Gesellschafter vermag nicht zu begründen, dass der Steuerberater im Rahmen der Lohnbuchhaltung verpflichtet ist, ihre sozialversicherungsrechtlichen Interessen wahrzunehmen. Ausgangspunkt der Betrachtung hat der von der Gesellschaft erteilte Auftrag zu sein. Danach stellt sich der Umstand, dass die Gesellschafter durch die Partizipation am wirtschaftlichen Ergebnis der Gesellschaft mittelbar betroffen sind, lediglich als Reflex des an den Interessen der Gesellschaft orientierten Handelns des Steuerberaters dar. Dieser Aspekt genügt nicht, um den Grundsatz der formalen Trennung der betroffenen Vermögensmassen der personen- und vermögensrechtlichen selbstständigen GmbH (vgl. § GmbHG/13.html">13 Abs. 1 und 2 GmbHG) und ihrer Gesellschafter zu durchbrechen. Würde das bloße mittelbare wirtschaftliche Interesse des Gesellschafters ausreichen, wäre im Ergebnis in jedem Fall, in dem eine GmbH Schadensersatz begeht, eine konsolidierte Schadensbetrachtung unter Beteiligung der Gesellschafter vorzunehmen. Hierdurch würde der Grundsatz, dass Bezugspunkt des Gesamtvermögensvergleichs das Vermögen des Geschädigten und nicht dasjenige eines Dritten ist, in nicht zu vertretender Weise aufgeweicht. Dieser Sichtweise entspricht es, wenn die bloße gesellschaftsrechtliche Beteiligung nicht als ausreichend angesehen wird, um eine Einbeziehung in den Schutzbereich eines Vertrages der Gesellschaft mit einem Vertragspartner zu begründen (BGH, Urteil vom 24.01.2006, XI ZR 384/03NJW 2006, 830, 835 Rn. 55).

d)

Die Klägerin trifft kein Mitverschulden an dem entstandenen Schaden.

aa)

Den Einwand, dass die Klägerin sich im Rahmen des sozialgerichtlichen Rechtsstreits auf eine hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer hätte berufen müssen, um nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung zu unterfallen (§ 5 Abs. 5 SGB V), kann die Beklagte nicht mehr zulässigerweise erheben.

Die Rechtskraft des sozialgerichtlichen Urteils vom 16.12.2020 erstreckt sich gemäß §§ SGG/141.html">141 Abs. 1 Nr. 1, SGG/69.html">69 Nr. 3, SGG/75.html">75 SGG auch auf die Beklagte, die im sozialgerichtlichen Verfahren beigeladen war. Folge der Rechtskrafterstreckung ist, dass der Beigeladene in einem späteren Verfahren die Richtigkeit der ergangenen Entscheidung nicht mehr bestreiten kann, soweit ihm nach der Prozesslage im Zeitpunkt der Beiladung ein entsprechendes Vorbringen möglich gewesen wäre (BVerwG, Urteil vom 28.04.1972, IV C.42.69, BeckRS 1972, 30435078 = BeckRS 2016, 48414; Straßfeld, in: BeckOGK, SGG, Stand: 01.02.2022, § 75 Rn. 305). Die Rechtskraft erfasst die gerichtliche Entscheidung zum Streitgegenstand (BVerwG a. a. O. Rn. 25; Straßfeld a. a. O.). Durch das sozialgerichtliche Urteil wurde die Klage der Klägerin gegen den Bescheid vom 17.12.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2019 abgewiesen, durch den für die Gesellschafter-Geschäftsführer die Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung festgestellt wurde. Dieser Streitgegenstand umfasst auch die Frage der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Es ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte den jetzt von ihr gehaltenen Vortrag nicht im Zeitpunkt der Beiladung hätte unterbreiten können, zumal der Gesichtspunkt der Einzelunternehmerstellung ausweislich des Bescheids vom 17.12.2018 von der Klägerin im zugrunde liegenden Verfahren thematisiert worden war.

bb)

Einen etwaigen Fehler des beurkundenden Notars muss die Klägerin sich nicht als Verschulden im Sinne von § BGB/254.html">254 Abs. 1 BGB zurechnen lassen.

Werden mehrere Berater tätig, haben sie jeweils einen eigenständigen Vertrag geschlossen und dementsprechend einen eigenen Pflichten- und Verantwortungsbereich (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.1993, IX ZR 242/92NJW 1993, 2676, 2677 unter II. 3. c) zur Anwaltshaftung; BGH, Urteil vom 19.07.2001, IX ZR 246/00NJW 2001, 3477, 3478 unter II. 1. c) für Steuerberater und RA/FA für Steuerrecht). Personen, die jeweils unabhängig voneinander eine Ursache für eine Schaden gesetzt haben, haften grundsätzlich als Gesamtschuldner, ohne dass sich der Geschädigte im allgemeinen den Beitrag eines Schädigers bei der Inanspruchnahme eines anderen als Mitverschulden entgegenhalten lassen müsste; dieser Grundsatz wird auch für Berater angewandt, die nacheinander für den geschädigten Mandanten tätig waren (BGH, Urteil vom 13.03.1997, IX ZR 81/96NJW 1997, 2168, 2170 unter I. 2. c)).

Allerdings hat sich der Mandant auf einen Regressanspruch den schuldhaften Verursachungsbeitrag eines anderen Beraters dann als Mitverschulden anrechnen zu lassen, wenn er sich des Beraters zur Erfüllung eines Gebots des eigenen Interesses bedient hat und das Verhalten dieser Hilfsperson einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem ihr anvertrauten Pflichtenkreis steht (BGH a. a. O.). Diese Voraussetzung ist erkennbar nicht gegeben, denn der Urkundsnotar war im Verhältnis zwischen den Parteien des Rechtsstreits nicht eingeschaltet, um eine Obliegenheit im Rahmen des Lohnbuchhaltungsauftrags zu erfüllen.

cc)

Ein Mitverschulden ist auch nicht darin zu sehen, dass die Klägerin bzw. ihre Geschäftsführer nicht von sich aus ein Statusfeststellungsverfahren eingeleitet haben.

Die Bearbeitung eines Mandats obliegt allein dem Berater, und zwar selbst dann, wenn der Mandant über entsprechende Kenntnisse verfügen sollte (BGH, Urteil vom 15.04.2010, IX ZR 189/09DStR 2010,1695). Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob auf Seiten der Geschäftsführer überhaupt Kenntnis von der Möglichkeit eines solchen Statusfeststellungsverfahrens bestand oder – was die Beklagte wohl durch den Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 22.09.2020 (II ZR 141/19NZG 2020, 1343) andeuten will – gemäß dem Sorgfaltsmaßstab des § GmbHG/43.html">43 Abs. 1 GmbHG bestehen musste. Zum sozialversicherungsrechtlichen Kenntnisstand der Geschäftsführer hat die Beklagte zudem keinen konkreten Vortrag gehalten.

Im Übrigen dienen etwaige gesellschaftsrechtliche Erstattungsansprüche im Innenverhältnis nicht der Entlastung des schädigenden Beraters (OLG Hamm, Urteil vom 29.11.2012, 28 U 188/11BeckRS 2013, 5752, unter II. 3.c.)).

e)

Auf das von der Beklagten geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht war gemäß § BGB/274.html">274 Abs. 1 BGB auszusprechen, dass die Zahlung lediglich Zug um Zug gegen Abtretung angeblicher Ansprüche der Klägerin auf Auskunft, Abrechnung und Auszahlung empfangener Rückzahlungen sowie Abtretung von Rückzahlungsansprüchen wegen im Zeitraum vom 01.09.2014 bis zum 31.12.2017 geleisteter Beiträge zur privaten Krankenversicherung gegen ihre Gesellschafter, wie im Tenor angeführt, zu erfolgen hat. Weitergehende Ansprüche auf Abtretung hat die Beklagte nicht.

aa)

Das Zurückbehaltungsrecht folgt aus § BGB/273.html">273 i.V.m. § BGB/255.html">255 BGB. Danach ist, wer für den Verlust einer Sache oder eines Rechts Schadensersatz zu leisten hat, zum Ersatz nur gegen Abtretung der Ansprüche verpflichtet, die dem Ersatzberechtigten auf Grund des Eigentums an der Sache oder auf Grund des Rechts gegen Dritte zustehen. Der Abtretungsanspruch steht jedem Schädiger zu, auch bei einer Haftung aus Vertrag (Grüneberg, in: ders., 81. Aufl. 2022, § 255 Rn. 4). Die Beklagte hat für den Verlust eines Rechts Schadensersatz zu leisten, nämlich für die Verringerung eines Bankguthabens auf Klägerseite in Höhe der Nachzahlung. Es werden alle Formen von Rechten erfasst, auch obligatorische (Grüneberg, in: ders. § 255 Rn. 6). In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Prüfung, ob und welche Ansprüche der Geschädigte gegen den Dritten überhaupt hat; es genügt, dass Ansprüche möglicherweise bestehen und ausreichend bestimmt bezeichnet werden (Grüneberg, in: ders. § 255 Rn. 7). Ebenso ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Anspruch gegen den Dritten verjährt ist (Grüneberg am angegebenen Ort).

bb)

Soweit die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht, erscheinen Bereicherungsansprüche der Klägerin gegen ihre Gesellschafter lediglich in Bezug auf – bereits realisierte oder noch ausstehende – Beitragsrückzahlungen ihres Krankenversicherers nicht von vornherein ausgeschlossen und damit möglich im vorgenannten Sinn.

(1)

Ansprüche der Gesellschafter auf Beitragsrückzahlungen ergeben sich nach Auffassung des Senats nicht aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.02.2020, L 9 KR 54/17, die lediglich besagt, dass im Fall der rückwirkend festgestellten Pflichtversicherung Kosten, die der Betreffende in der Annahme, nicht versichert zu sein, in der Zwischenzeit selbst bestritten hat, nach § 13 Abs. 3 SGB V von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet verlangt werden können; über Ansprüche gegen den privaten Krankenversicherer verhält sich die Entscheidung demnach nicht. Eine doppelte Geltendmachung der Kosten ist jedenfalls im Hinblick auf das Bereicherungsverbot des § 200 VVG ausgeschlossen. Im Rechtsverhältnis zum privaten Krankenversicherer ergibt sich aus § 205 Abs. 2 S. 1 VVG ein außerordentliches Kündigungsrecht nur für den Fall, dass eine versicherte Person kraft Gesetzes kranken- oder pflegeversicherungspflichtig wird. Der Versicherungsnehmer kann dann innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht rückwirkend zum Eintritt der Versicherungspflicht kündigen. Nach h. M. ist die Bestimmung nicht analog anzuwenden, wenn die Versicherungspflicht bei Abschluss des privaten Versicherungsvertrags bereits bestand; das Risiko einer Fehleinschätzung des Versicherungsstatus hat danach der Versicherungsnehmer zu tragen (Gramse, in: BeckOK VVG, 14. Ed. Stand: 05.11.2021, § 205 Rn. 9; BSG, Urteil vom 29.11.2006, B 12 P 1/05 Rr+s 2007, 144 unter a)). Voit (in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, § 205 Rn. 16) vertritt demgegenüber die Auffassung, dass § 205 Abs. 2 VVG in einem solchen Fall analog anzuwenden ist, weil die Norm der Vermeidung von Doppelversicherungen diene. Vor diesem Hintergrund hält der Senat Ansprüche der Gesellschafter auf Beitragsrückzahlung jedenfalls insoweit für möglich, dass sie Gegenstand eines Abtretungsanspruchs im Sinne von § BGB/255.html">255 BGB sein können; dieser Anspruch erfasst auch das Auskunfts- und Abtretungsrecht als Hilfsansprüche.

(2)

Etwas anderes gilt für mögliche Bereicherungsansprüche der Klägerin im Hinblick auf die Rentenanwartschaften. Eine Rentenanwartschaft ist als Stammrecht im Ganzen unpfändbar (BGH, Urteil vom 24.11.1988, NJW-RR 1989, 286, 290) und damit nicht abtretbar, § BGB/400.html">400 BGB. Die Klägerin könnte daher von ihren Gesellschaftern die Abtretung von Rentenanwartschaften nicht beanspruchen. Auf den Umstand der fehlenden Abtretbarkeit hat der Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18.03.2022 hingewiesen, ohne dass die Beklagte auf diesen Hinweis in irgendeiner Form reagiert hat. Eine Auslegung dahingehend, dass künftige Rentenzahlungsansprüche gemeint sein sollen, kommt nicht in Betracht, da es sich bei dem aus dem Stammrecht resultierenden Ansprüchen auf laufende Rentenzahlungen um gesonderte rechtliche Ansprüche handelt, die sich nicht als Minus zum Stammrecht darstellen. Eine Abtretung der auf das Stammrecht gerichteten Ansprüche auf Auskunft und Abrechnung scheidet aus, da unselbstständige Sicherungsrechte und Hilfsrechte zur Durchsetzung von Forderungen einer isolierten Pfändung nicht unterworfen sind (Rohe, in: BeckOK-BGB, 61. Ed. Stand: 01.02.2022, § 400 Rn. 5 m. w. N.).

(3)

In Bezug auf etwaige Regressansprüche gegen den Notar fehlt es bereits an einem Zurückbehaltungsrecht der Beklagten. Da die Beklagte und der Notar allenfalls als Gesamtschuldner haften würden, würde sich der Ausgleich zwischen ihnen nach § BGB/426.html">426 Abs. 1 BGB vollziehen. Daneben steht dem Schädiger ein Anspruch gegen den Geschädigten aus § BGB/255.html">255 BGB nicht zu (BGH, Urteil vom 29.06.1972, VII ZR 190/71NJW 1972, 1802).

f)

Der Zinsanspruch beruht auf §§ BGB/291.html">291, BGB/288.html">288 BGB. Der Umstand, dass die Beklagte im Laufe des Rechtsstreits im Hinblick auf § BGB/255.html">255 BGB ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht hat, führt nicht zum Ausschluss des durch Zustellung der Klageschrift eingetretenen Verzugs, denn nach Eintritt des Verzugs kann nur die Erfüllung, allenfalls das reale Angebot der geschuldeten Leistung den Verzug beenden (BGH, Urteil vom 25.11.1970, VIII ZR 101/69NJW 1971, 421).

2. Anschlussberufung

Auf die Anschlussberufung war dem geänderten Feststellungsantrag unter Ergänzung des beratungsgerechten Verhaltens der Klägerin und Einschränkung der Erstattung weiterer Schäden ebenfalls durch die Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung stattzugeben.

a)

Der Feststellungsantrag ist zulässig.

Für die Zulässigkeit der Feststellungsklage gegen den anwaltlichen oder steuerlichen Berater genügt, dass nach allgemeinen Grundsätzen eine Vermögensgefährdung, d. h. die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens, substantiiert dargetan ist (BGH, Urteil vom 10.07.2014, IX ZR 197/12NJW-RR 2015, 626, 627 Rn. 12). Es ist danach nicht geboten, Art, Umfang und Ausmaß des Schadens einzeln zu belegen; erforderlich und genügend ist vielmehr ein Vortrag, aus dem sich die Kenntnis von der Vermögensbeeinträchtigung und der Verursachung in ihrer wesentlichen Gestaltung ergibt (BGH a. a. O. Rn. 13). Die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Schadens ist schon im Hinblick darauf anzunehmen, dass angesichts des Nachzahlungsbescheids für den Zeitraum vom 01.09.2014 bis zum 31.12.2017 damit zu rechnen ist, dass auch für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis zur Änderung des Gesellschaftsvertrages ein entsprechender Nachzahlungsbescheid ergehen wird.

b)

Der Feststellungsantrag erweist sich mit dem im Rahmen der Anschlussberufung gestellten Antrag auch als begründet.

aa)

Es kann dahingestellt bleiben, ob in dem nunmehr formulierten Antrag eine Klageänderung zu sehen ist oder ob der ursprüngliche Klageantrag nicht im Sinne des jetzt gestellten Antrags auszulegen war, wofür einiges spricht. Denn die nach dem ursprünglichen Antrag festzustellende Pflichtverletzung ist das Ergebnis der rechtlichen Prüfung durch das Gericht. Insofern kommt es in Betracht, dass das Gericht den im Rahmen des Streitgegenstands der Klage unterbreiteten Lebenssachverhalt im Hinblick auf die Pflichtverletzung abweichend vom Wortlaut der Klage würdigt. In einem solchen Fall entspricht es dem Rechtsschutzinteresse der klagenden Partei, den Feststellungsantrag so zu verstehen, dass er auch diesen Fall der rechtlich abweichenden Würdigung des streitgegenständlichen Sachverhalts mit umfasst; ggf. ist dies im Rahmen von § ZPO/139.html">139 Abs. 1 ZPO abzuklären.

Selbst bei Annahme einer Klageänderung wäre diese gemäß § ZPO/533.html">533 ZPO zulässig, da sie aufgrund der Identität des Streitstoffs sachdienlich wäre und die maßgeblichen Tatsachen ohnehin nach § ZPO/529.html">529 ZPO zugrunde zu legen wären.

bb)

Die sachlichrechtlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs gemäß § BGB/280.html">280 Abs. 1 BGB liegen nach den obigen Ausführungen vor.

cc)

Der Feststellungsantrag war gemäß dem Klagevorbringen dahingehend auszulegen, dass er das im Tenor beschriebene beratungsgerechte Verhalten als Bestandteil des festzustellenden Schadensersatzanspruchs umfasste.

c)

Auch die festgestellte Verpflichtung zur Erstattung weiteren Schadens besteht lediglich Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Klägerin gegen ihre Gesellschafter auf Auskunft, Abrechnung und Auskehr der Rückzahlung bzw. Abtretung darauf gerichteter Ansprüche.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § ZPO/92.html">92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Klägerin war hinsichtlich des Zahlungsantrags i.H.v. 588,56 EUR unterlegen. Der Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung misst der Senat angesichts der damit verbundenen rechtlichen Zweifel am Bestehen eines Rückzahlungsanspruchs keinen wirtschaftlich erheblichen Wert zu. Die Zuvielforderung hat mangels Gebührensprung zudem keine Mehrkosten verursacht.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2 entspr. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Der Senat hat seiner Entscheidung die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt und sieht auch keine Abweichung zu obergerichtlichen Entscheidungen. Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 09.07.2020, I-23 U 70/20BeckRS 2020, 23810) hat lediglich die Verletzung einer Pflicht zur sozialversicherungsrechtlichen Beratung geprüft und nicht die Verletzung einer Schadensverhütungspflicht aus dem Lohnbuchhaltungsmandat; die Ausführungen zur konsolidierten Schadensbetrachtung sind nach dem Verständnis des erkennenden Senats auf der Grundlage einer hypothetisch angenommenen Beratungspflichtverletzung zu verstehen. Zudem handelte es sich lediglich um einen Hinweisbeschluss und nicht um eine Entscheidung des 23. Zivilsenats.

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