Die Vertreter der deutschen Wirtschaft haben die von der Bundesregierung geplante Verlängerung des sogenannten Spitzenausgleichs zur Entlastung energieintensiver Betriebe um ein Jahr begrüßt, aber zugleich eine Verlängerung der Maßnahme für das ganze Jahr 2024 gefordert. So erklärte die Wirtschaftsvereinigung Stahl in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses unter Leitung des Vorsitzenden Alois Rainer (CSU) am 19.10.2022 während der aktuellen schweren Energiekrise, die den Industrie- und Stahlstandort in Deutschland existenziell bedrohe, müssten zusätzliche Planungsunsicherheiten für die Unternehmen vermieden werden. Eine Verlängerung um zwei Jahre sollte aber auch aus Gründen der Verfahrenseffizienz vor dem Hintergrund der langen Dauer von Genehmigungsverfahren für Beihilfen erfolgen. Auf Fragen nach der Lage der Branche berichtete die Wirtschaftsvereinigung, die Stromkosten seien seit Beginn der Krise um acht Milliarden Euro gestiegen. Das seien 20 Prozent des Umsatzes. Die Produktion liege um 15 Prozent unter dem Vorjahr, im Elektrostahlbereich sogar um 25 Prozent. Der Bundesverband der Deutschen Kalkindustrie erklärte, ohne Weiterlaufen des Spitzenausgleichs sei die Lage nicht mehr zu bewältigen, zumal der Energiebedarf noch steige.
Grundlage der Anhörung war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes zur Verlängerung des sogenannten Spit-zenausgleichs (20/3872) für energieintensive Unternehmen um ein Jahr bis Ende 2023. Begünstigt werden dadurch 9 000 Unternehmen. In dem Gesetzentwurf heißt es, durch die Verlängerung werde die Energiepreissteigerung gedämpft, einer weiter zunehmenden Inflation entgegengewirkt und damit die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver und im internationalen Wettbewerb befindlicher Unternehmen des produzierenden Gewerbes in Deutschland weiterhin gewährleistet.
Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) bezeichnete eine Verlängerung zur Sicherstellung einer wettbewerbsfähigen Steuerlast als notwendig. Eine zweijährige Verlängerung sei außerdem notwendig, um fristgerecht eine Anschlussregelung zu erarbeiten. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft erklärte, mit einer weiteren Verlängerung könne Planungsunsicherheit für die Unternehmen vermieden werden. Man befinde sich in einer „extrem schwierigen Lage“.
Der Verband der chemischen Industrie äußerte sich kritisch zur Angabe der Bundesregierung, dass durch die Maßnahme die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver und im internationalen Wettbewerb befindlicher Industrieunternehmen in Deutschland weiterhin gewährleistet werde. Die Verlängerung des Spitzenausgleichs sei in der Sache richtig, diene aber lediglich dem Erhalt eines ohnehin enorm angespannten Status quo. Mit der Maßnahme werde lediglich verhindert, dass die derzeit hohe Inflation durch ein Auslaufen zusätzlich befeuert würde.
Kritischer äußerte sich die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz. Viele Maßnahmen zur Energieeffizienz seien von den Unternehmen nicht durchgeführt worden. Der Spitzenausgleich praktiziere eine sogenannte Fallbeil-Regelung, die Unternehmen dazu anreize, ihren Energieverbrauch erkennbar über dem Schwellenwert für die Vergünstigung zu halten, damit schwankende Energieverbräuche nicht unabsichtlich zu einem Verlust der Vergünstigung führen würden. Vor diesem Hintergrund erscheine die Verlängerung des Spitzenausgleichs mehr als fragwürdig.
Gegen die von der Industrie geforderte Verlängerung um zwei Jahre wandte sich Dirk Jansen von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. Die geplante Verlängerung um zwölf Monate sei ein geeignetes Instrument, um zu einer Neuregelung zu kommen. Das Forum ökologische Marktwirtschaft kritisierte, dass der Spitzenausgleich nicht ausreichend auf die Klimaziele ausgerichtet sei. Die Regelung sei auch nicht zielgenau.
(Quelle: hib 583/2022 vom 19.10.2022)