BMF, 24.6.2022 – III C 3 – S 7160-h/20/10003 :026; DOK 2022/0662220
I. Allgemeines
Mit dem Gesetz zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1160 zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2011/61/EU im Hinblick
auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von Organismen für gemeinsame Anlagen (Fondsstandortgesetz – FoStoG) vom 3. Juni 2021 (BGBl. I, 1498) wurde in Artikel 4 eine Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltung von Wagniskapitalfonds aufgenommen.
Unionsrechtliche Grundlage der Steuerbefreiung für die Verwaltungsleistungen von Sondervermögen ist Artikel 135 Absatz 1 Buchstabe g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Hiernach befreien die Mitgliedstaaten die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen.
Der Umfang der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchstabe h UStG erstreckt sich nach bisheriger nationaler Rechtslage auf die Verwaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im Sinne des § 1 Absatz 2 des Kapitalanlagegesetzbuchs und die Verwaltung von mit diesen vergleichbaren Alternativen Investmentfonds (AIF) im Sinne des § 1 Absatz 3 des Kapitalanlagegesetzbuchs.
Aufgrund der Zielsetzung des Fondsstandortgesetzes, den Fondsstandort Deutschland auch durch steuerliche Maßnahmen zu stärken und insbesondere junge Wachstumsunternehmen (Startup-Unternehmen) mit wettbewerbsfähigen Finanzierungsmöglichkeiten über Wagniskapitalbeteiligungen zu fördern, ist die Umsatzsteuerbefreiung in § 4 Nr. 8 Buchstabe h UStG punktuell erweitert worden.
Es muss daher zwischen der neu eingeführten umsatzsteuerfreien Verwaltung von Wagniskapitalfonds und der weiterhin umsatzsteuerpflichtigen Verwaltung von anderen Fonds, die kein Wagniskapital investieren, unterschieden werden, soweit diese nicht nach § 4 Nr. 8 Buchstabe h UStG befreit ist.
II. Änderung des Anwendungserlasses
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom 1.10.2010, BStBl. I, 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom BMF-Schreiben vom 22.6.2022 – III C 2 – S 7242-a/19/10007 :005 (2022/0092386), BStBl I, xxx, geändert worden ist, in Abschnitt 4.8.13 wie folgt geändert:
1. Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:
„1Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchstabe h UStG erstreckt sich auf die Verwaltung von OGAW im Sinne des § 1 Abs. 2 KAGB, die Verwaltung von AIF im Sinne des § 1 Abs. 3 KAGB, die mit OGAW vergleichbar sind, die Verwaltung von Wagniskapitalfonds (siehe Absatz 10) und die Verwaltung von Versorgungseinrichtungen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes (siehe Absatz 23).“
2. Nach Absatz 9 wird die Zwischenüberschrift „Verwaltung von Wagniskapitalfonds “ und folgender Absatz 10 eingefügt:
„(10) 1Steuerbegünstigte Investmentvermögen nach § 4 Nr. 8 Buchstabe h UstG sind auch Wagniskapitalfonds; hierzu zählen auch „qualifizierte Risikokapitalfonds“ im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 345/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.4.2013 über Europäische Risikokapitalfonds, geändert durch die Verordnung (EU) 2017/1991 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2017 und durch die Verordnung (EU) 2019/1156 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 6. 2019 – „EuVECA-Verordnung“ (European Venture Capital – EuVECA – Funds), soweit sie die Voraussetzungen der Sätze 2 bis 8 erfüllen. 2Wagniskapitalfonds nach Satz 1 sind AIF im Sinne des § 1 Abs. 3 KAGB, die keine OGAW sind, wenn diese durch entsprechende Vorgaben in den Anlagebedingungen verpflichtet sind, ganz oder überwiegend (zu mehr als 50 % des aggregierten eingebrachten bzw. noch nicht eingeforderten, aber zugesagten Kapitals) zum Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalbeteiligung in Wachstumsunternehmen (Zielunternehmen) nach Satz 6 zu investieren. 3Wagniskapitalfonds zielen durch eine Kapitalbeteiligung oder sonstige Risiko tragende Finanzierungen regelmäßig nach Erreichen des durch die Finanzierung beabsichtigten Zwecks auf einen erheblichen Wertzuwachs des Zielunternehmens ab, der zum Zeitpunkt des Ausstiegs des Fonds maßgeblich dessen Investitionsertrag bestimmt. 4Der Kapitalfluss der Investition erfolgt dabei regelmäßig direkt oder indirekt in das bzw. in die Zielunternehmen. 5Die Begünstigung von Wagniskapitalfonds setzt voraus, dass sie zumindest den gleichen Wettbewerbsbedingungen unterliegen wie OGAW und sie einer besonderen staatlichen Aufsicht unterstehen (vgl. Absatz 8 Satz 4 Nr. 1 und 3) oder als „qualifizierte Risikokapitalfonds“ im Sinne des Satzes 1 registriert sind. 6Zielunternehmen im Sinne von Satz 2 sind Wachstumsunternehmen, die insgesamt die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllen:
1. das Zielunternehmen ist zum Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalbeteiligung nicht älter als zwölf Jahre seit Unternehmensgründung,
2. die Unternehmensgröße des Zielunternehmens entspricht zum Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalfinanzierung einem qualifizierten Portfoliounternehmen nach Artikel 3 Buchstabe d) Unterbuchstabe i) im Sinne der EuVECA-Verordnung nach Satz 1,
3. das Zielunternehmen hat seinen Sitz in einem Gebiet nach Artikel 3 Buchstabe d) Unterbuchstabe iv) im Sinne der EuVECA-Verordnung nach Satz 1,
4. das Zielunternehmen ist fortlaufend wirtschaftlich (mit Gewinnerzielungsabsicht) aktiv. 7Das Vorliegen der Voraussetzungen hat der Unternehmer durch geeignete Belege (insbesondere anhand der vertraglichen Anlagebedingungen) gegenüber der Finanzbehörde nachzuweisen. 8Die Kriterien für die Qualifizierung als Wagniskapitalfonds sind insbesondere dann nicht eingehalten, wenn die Anlagebedingungen des Fonds dahingehend geändert werden, dass die Anlagestrategie dauerhaft nicht mehr auf eine Anlage in Zielunternehmen nach Satz 6 gerichtet ist, oder wenn dauerhaft die Zielunternehmen, in die der Fondsinvestiert, die Voraussetzungen des Satzes 6 nicht erfüllen.“
3. Die bisherigen Absätze 10 bis 23 werden die neuen Absätze 11 bis 24.
4. Absatz 20 wird wie folgt geändert:
a) In Satz 2 wird der zweite Klammerzusatz wie folgt gefasst: „(vgl. Absatz 17 Sätze 6 und 7)“.
b) Satz 3 wird wie folgt gefasst:
„3Für eine administrative Leistung nach Absatz 19 Nr. 4 Buchstabe e bis j kommt im Fall der Auslagerung auf einen außenstehenden Dritten die Steuerbefreiung nur in Betracht, wenn die Leistung von dem Dritten gemeinsam mit einer der in Absatz 17 Nr. 4 Buchstabe a bis d aufgeführten administrativen Leistungen erbracht wird.“
5. In Absatz 21 wird die Angabe „Absatz 18“ durch die Angabe „Absatz 19“ ersetzt.
6. In Absatz 24 Satz 2 wird der Klammerzusatz wie folgt gefasst: „(vgl. Absätze 1 bis 20).“
III. Anwendung
Die Grundsätze dieses Schreibens sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 ausgeführt werden.
Für bis zum 30.6.2022 getätigte Umsätze, die nach den bisherigen Regelungen steuerpflichtig waren, wird es, auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs, nicht beanstandet, wenn diese von den Beteiligten übereinstimmend weiterhin als steuerpflichtig behandelt werden.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.