Bayerischer Anwaltsgerichtshof entscheidet im Verfahren zum Fremdbeteiligungsverbot
Der Bayerische Anwaltsgerichtshof (BayAGH) hat in seiner heutigen mündlichen Verhandlung das Verfahren einer deutschen Berufsausübungsgesellschaft abgeschlossen, deren Zulassung im Jahr 2021 von der Rechtsanwaltskammer München wegen eines Verstoßes gegen das Fremdbeteiligungsverbot widerrufen worden war. Der BayAGH wies die Klage ab und bestätigte damit die Rechtmäßigkeit des Widerrufs. Die Berufung wurde zugelassen.
Die Klägerin, die Beigeladenen und ihre Bevollmächtigten verzichteten auf eine Teilnahme an der heutigen mündlichen Verhandlung, kündigten aber im Vorfeld über die Presse an, eine neue Klage zu planen, die sich auf die neue Rechtslage nach dem 01.08.2022 bezieht und die Reichweite der Möglichkeiten einer finanziellen Beteiligung durch Dritte sowie deren Verfassungs- und Europarechtskonformität erneut höchstrichterlich klären soll.
Ausgangspunkt: Der Fall betraf die Rechtslage vor dem 01.08.2022, als eine österreichische GmbH Geschäftsanteile an der Berufsausübungsgesellschaft ausschließlich zu Investitionszwecken erwarb. Die Rechtsanwaltskammer München widerrief unter Berufung auf das in der Bundesrechtsanwaltsordnung verankerte Fremdbeteiligungsverbot daraufhin im Rahmen einer gebundenen Entscheidung die Zulassung. Die Klägerin zog vor den Anwaltsgerichtshof und machte geltend, dieses Verbot verstoße gegen Unionsrecht und deutsches Verfassungsrecht. Der zuständige Senat griff die Bedenken hinsichtlich des Unionsrechts auf und legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens Fragen zur Vereinbarkeit des deutschen Fremdbeteiligungsverbots mit der Dienstleistungs-, Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit vor.
Mit Urteil vom 19.12.2024 (Rechtssache C-295/23) entschied der EuGH, dass nationale Regelungen, die reine Finanzinvestoren von einer Beteiligung an Rechtsanwaltsgesellschaften ausschließen, unionsrechtlich zulässig sind. Der Gerichtshof betonte
- die essentielle Bedeutung der anwaltlichen Unabhängigkeit für eine geordnete Rechtspflege,
- die Schutzfunktion des anwaltlichen Berufsrechts gegenüber wirtschaftlichen Einflussnahmen
- und den weiten Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung berufsrechtlicher Pflichten bei Anwälten.
Dem EuGH folgend stellte der BayAGH heute in dem Ausgangsverfahren fest, dass das Fremdbeteiligungsverbot in seiner bis zum 01.08.2022 geltenden Fassung mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Verfassungsrechtliche Bedenken hatte der erkennende Senat ebenfalls nicht. Der Widerruf der Zulassung sei daher rechtmäßig erfolgt.
Obwohl das Verfahren die frühere Rechtslage betraf, hat die Entscheidung auch Bedeutung für die aktuelle Diskussion. Die BRAO-Reform zum 01.08.2022 hat das anwaltliche Gesellschaftsrecht zwar grundlegend modernisiert. Gleichwohl wurde das Prinzip des Fremdbeteiligungsverbots nicht aufgehoben, sondern strukturell bestätigt. Reine Finanzinvestoren bleiben weiterhin ausgeschlossen.
Die Entscheidung des BayAGH ist zwar noch nicht rechtskräftig; sie schließt aber zumindest erstinstanzlich ein langjähriges Verfahren ab und setzt zugleich ein klares Signal: Das Fremdbeteiligungsverbot war und ist ein tragendes Element der anwaltlichen Unabhängigkeit. Mit der Bestätigung durch den EuGH hat dieses Prinzip eine starke europarechtliche Absicherung erfahren.


