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BFH: Vorabentscheidungsersuchen zum Bestehen eines unionsrechtlichen Anspruchs auf einen Steueranrechnungsvortrag im früheren Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren

BFH, EuGH-Vorlage vom 26.3.2025 – I R 6/22

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Steht Art. 4 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 90/435/EWG nationalen Regelungen entgegen, nach denen Ausschüttungen einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Tochtergesellschaft bei einer Verluste erzielenden inländischen Muttergesellschaft zu einer Kürzung ihres Verlustvortrags in Höhe dieser Ausschüttungen führen, die von der Tochtergesellschaft auf die Ausschüttungen entrichteten Steuern jedoch weder im Jahr des Dividendenbezugs noch in dem Jahr, in dem die Muttergesellschaft die vorgetragenen Verluste übersteigende Gewinne erzielt, angerechnet werden?

2. Für den Fall, dass die erste Vorlagefrage zu bejahen sein sollte: Ergibt sich dann, wenn ein Mitgliedstaat sich zur Umsetzung der Richtlinie 90/435/EWG in nationales Recht für das in Art. 4 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 90/435/EWG vorgesehene Anrechnungssystem entschieden hat und dieser Mitgliedstaat die Anrechnung deshalb nicht richtlinienkonform ausgestaltet hat, weil er eine Steueranrechnung ausschließlich in dem Jahr des Dividendenbezugs vornimmt, obwohl eine Besteuerung dieser Dividenden wegen im nationalen Recht vorgesehener Verlustvortragsmöglichkeiten auch in späteren Veranlagungszeiträumen eintreten kann, aus der Richtlinie ein Direktanspruch auf eine Steueranrechnung in Form eines Anrechnungsvortrags?

3. Falls die Richtlinie 90/435/EWG keinen Direktanspruch auf einen Anrechnungsvortrag gewährt (Fragen zu 1. und 2.): Ergibt sich ein solcher Anspruch als Folge eines Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 52 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Maastricht bzw. Art. 43 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Amsterdam, jetzt Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon)?

4. Ergibt sich eine andere Beurteilung der Fragen zu 1. bis 3. für die Dividenden, die die Muttergesellschaft nicht unmittelbar selbst bezogen hat, sondern die ihre ebenfalls ausschließlich Verluste erzielende hundertprozentige Tochtergesellschaft bezogen hatte (hier: Jahre 1993 bis 1996), bevor diese unter Übergang auch ihres Verlustvortrags auf die Muttergesellschaft verschmolzen worden ist?

(Amtliche Leitsätze)