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BVerfG: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde betreffend die Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs

Mit dem am 18.7.2025 veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG finanzgerichtliche Entscheidungen aufgehoben, die die Pflicht zur Nutzung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) zum Gegenstand haben.

Im Ausgangsverfahren hat das FG die im Januar 2023 von einer Steuerberaterin im Namen des Beschwerdeführers erhobene Klage als unzulässig abgewiesen, weil diese nicht fristgerecht in der seit dem 1.1.2023 vorgeschriebenen elektronischen Form eingereicht worden sei. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Klagefrist hat es abgelehnt. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat der BFH zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde mit Erfolg gegen diese Entscheidungen. Soweit das FG ein der Wiedereinsetzung in die Klagefrist entgegenstehendes Verschulden angenommen hat, lässt es unter anderem unerörtert, dass zum Jahresbeginn 2023 eine flächendeckende Freischaltung der beSt-Zugänge nicht möglich und daher auch nicht erfolgt war und dass die Bundessteuerberaterkammer die bestehende Möglichkeit eines sogenannten „Fast Lane“-Verfahrens bis Ende Januar 2023 stets als „freiwillig“ deklariert hatte. Die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde verletzt das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers.

Die Kammer hat die Entscheidungen daher aufgehoben und die Sache an das FG zur Fortsetzung des Verfahrens zurückverwiesen.

I. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Sie entspricht insbesondere den Anforderungen des Subsidiaritätsgrundsatzes. Die Informationslage zum Zeitpunkt der Klageerhebung legte die Stellung eines – bis dahin explizit als freiwillig bezeichneten – „Fast Lane“-Antrags unter Subsidiaritätsgesichtspunkten nicht nahe.

II. Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet.

1. Das klageabweisende Urteil verletzt das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Das FG hat die Gewährung einer Wiedereinsetzung unzumutbar erschwert und die hieran zu stellenden Anforderungen überspannt.

Soweit das FG aus dem der Klageschrift beigefügten Anschreiben folgert, der Prozessbevollmächtigten sei ihre Pflicht zur Nutzung des beSt positiv bekannt gewesen, misst es den dortigen Ausführungen einen Sinn bei, der sich nicht belegen lässt. Der Inhalt des Anschreibens ist auch mit einem Rechtsstandpunkt vereinbar, wonach die beSt-Nutzungspflicht erst ab Erhalt des individuellen Registrierungsbriefs beginne.

Im Hinblick auf den Vorwurf der Fahrlässigkeit hätte das FG den Verschuldensvorwurf näher begründen und sich hierbei vor allem damit auseinandersetzen müssen, dass zum Jahreswechsel 2022/2023 eine komplexe Übergangssituation aufgetreten war, nachdem entgegen der gesetzlichen Vorgabe zum Jahresbeginn 2023 eine flächendeckende Freischaltung der beSt-Zugänge nicht möglich und daher auch nicht erfolgt war. Es hätte erörtern müssen, dass – was der Beschwerdeführer in seinem Wiedereinsetzungsantrag auch geltend macht – die Bundessteuerberaterkammer während des Jahres 2022 in ihrem Hinweisschreiben und auf ihrer Homepage und auch zu Beginn des Jahres 2023 durchgehend verlautbart hatte, dass die Pflicht zur Nutzung des beSt erst mit Erhalt des individuellen Registrierungsbriefs beginne. Zwar bestand die Möglichkeit eines „Fast Lane“-Verfahrens, allerdings hatte die Kammer dieses bis Ende Januar 2023 stets als „freiwillig“ deklariert.

2. Die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den BFH verletzt das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) des Beschwerdeführers.

Soweit der Beschwerdeführer in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt hat, warum das FG den Sinn der Ausführungen in dem Anschreiben zur Klageschrift missdeutet habe, handelte es sich um Kernvortrag zu einer für das Verfahren zentralen Frage. Gleichwohl hat der BFH sich mit diesem Kernvortrag nicht argumentativ auseinandergesetzt und diesen nicht verbeschieden.

3. Das Urteil des FG und der Beschluss des BFH über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde werden aufgehoben und die Sache an das FG zur Fortsetzung des Verfahrens zurückverwiesen.

BVerfG, Beschluss vom 23.3.2025 – 1 BvR 1718/24

(PM BVerfG Nr. 64/2025 vom 18.7.2025)