1. Einem Grundlagenbescheid kommt nur insoweit Bindungswirkung zu, als er eine Regelung zu einem bestimmten Sachverhalt enthält. Sind bestimmte Tatbestandsmerkmale einer Norm von dem Regelungsgehalt des Bescheids nicht umfasst, besteht insoweit keine Bindungswirkung; diese Tatbestandsmerkmale sind von der Behörde zu prüfen, die den nachfolgenden Verwaltungsakt erlässt.
2. Kauft ein Einführer, der Inhaber von Lizenzen zur zollbegünstigten Einfuhr ist, Waren außerhalb der Union von einer verbundenen Gesellschaft an, die selbst über gleichartige Lizenzen verfügt, aber ihre Lizenzen durch eigene Einfuhren ausgeschöpft hat, und verkauft er die Waren nach der Einfuhr wieder an dieselbe Gesellschaft zurück, kann ein Rechtsmissbrauch vorliegen. Das ist der Fall, wenn die Handelstätigkeiten künstlich mit dem wesentlichen Ziel geschaffen wurden, in den Genuss der Zollbegünstigung zu kommen. Bei der Prüfung des Rechtsmissbrauchs sind alle relevanten Tatsachen und Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
3. Eine Nacherhebung von Einfuhrabgaben hat nicht aufgrund von Vertrauensschutz zu unterbleiben, wenn der Irrtum der Zollbehörde über einen Rechtsmissbrauch vom Zollschuldner im Einzelfall vernünftigerweise hätte erkannt werden können, weil zu einem vergleichbaren Sachverhalt ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden war (hier EuGH-Urteil SICES u.a. vom 13.03.2014 – C-155/13, EU:C:2014:145).
BFH, Urteil vom 14.1.2025 – VII R 8/21
(Amtliche Leitsätze)