Der Niederländer Wopke Hoekstra bleibt weiterhin in der Kommission von der Leyen II Klimakommissar. In seiner zweiten Amtszeit ist er auch für Steuern zuständig. Er kündigte bereits an, den derzeitigen steuerlichen Besitzstand der EU einem Stresstest zu unterziehen.
Hoekstra verfügt über umfangreiche politische Erfahrung auf nationaler und europäischer Ebene. Von 2017 bis 2022 war er niederländischer Finanzminister und drei Jahre lang bis 2023 Vorsitzender der niederländischen christdemokratischen Partei Christen-Democratisch Appèl (CDA). Danach wechselte er in das Amt des niederländischen Außenministers bis September 2023. Nach der Rückkehr von Frans Timmermans in die nationale Politik wurde er dessen Nachfolger als EU-Klimakommissar. Seine Ernennung stieß in den Niederlanden auf Kritik, da ihm vorgeworfen wurde, den Klimaschutz nicht ernst zu nehmen und seine berufliche Vergangenheit beim Ölkonzern Shell angeführt wurde.
Für seine zweite Amtszeit als EU-Klimakommissar hat Hoekstra eine umfangreiche To-do-Liste auf seinem Schreibtisch. Unter anderem muss er die Umsetzung des Pakets “Fit for 55” überwachen. Dieses ist Teil des europäischen „Green Deal“ und hat zum Ziel, die Netto-Treibhausgasemissionen der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Außerdem sollen die Verhandlungen über die Energiesteuerrichtlinie (EU 2003/96/EG) abgeschlossen werden.
In seinen schriftlichen Antworten an die Abgeordneten des EU-Parlaments, die im Vorfeld der Anhörung Hoekstras vor den zuständigen Fachausschüssen veröffentlicht wurden, und während der Anhörung selbst gab der Niederländer auch einen Ausblick auf seine steuerpolitische Agenda. So will er den derzeitigen steuerlichen Besitzstand der EU einem Stresstest unterziehen, um Unstimmigkeiten wie Überschneidungen, Widersprüche oder veraltete Regelungen zu identifizieren und zu beseitigen. Hoekstra versichert, dass bis 2026 umfassende Anstrengungen zur Bereinigung unternommen werden. Die baldige Verabschiedung der Richtlinie über schnellere und sicherere Verfahren zur Entlastung von Quellensteuern (EU 2023/0187 FASTER) und der Richtlinie über einen EU-Rahmen für die Unternehmensbesteuerung (EU 2023/0321 BEFIT) wären dabei wichtige Schritte in diese Richtung. Die Pläne Hoekstras sind grundsätzlich zu begrüßen. Sie sollten aber auch konkret einen spürbaren Beitrag dazu leisten, dass die EU-Kommission ihr Ziel, die Berichtspflichten um 25% zu reduzieren und Bürokratie nachhaltig abzubauen, in die Tat umsetzt.
Außerdem ging der Niederländer während seiner Anhörung auf Nachfrage der EU-Parlamentarier auf die aus seiner Sicht größten steuerlichen Hindernisse im EU-Binnenmarkt ein. Er betonte dabei, dass er die Richtlinie für ein hauptsitzbasiertes Steuersystem für KMU (EU 2023/0320 HOT) zur einfacheren Ermittlung von Ertragssteuern vorantreiben möchte, da KMU oft mit unverhältnismäßig hohen Befolgungskosten zu kämpfen hätten. Die Richtlinie soll KMU die Möglichkeit bieten, die Zuständigkeit einer einzigen Steuerbehörde am Hauptsitz auch für innergemeinschaftliche Betriebsstätten zu wählen und somit einen One-Stop-Shop der Finanzbehörde zu schaffen. Damit sollen Steuerverfahren für KMU vereinfacht und die Hemmschwelle für Unternehmen gesenkt werden, im EU-Binnenmarkt tätig zu werden. Die Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden (EU 2011/16 DAC) und die Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken (EU 2016/1164 ATAD) werden bereits evaluiert.
Zudem hat die EU-Kommission auch in dieser Legislaturperiode aggressiver Steuerplanung und Steuervermeidung den Kampf angesagt. Hierzu nahm Hoekstra in seinen schriftlichen Antworten an die EU-Parlamentarier Stellung und nannte als Beispiel eine zeitnahe Verabschiedung der Richtlinie zur Bekämpfung des Missbrauchs von Briefkastenfirmen (EU 2021/0434 CNS UNSHELL). Diese ist seit geraumer Zeit im EU-Rat blockiert. Hoekstra kündigte bei der Anhörung im EU-Parlament an, mit den EU-Finanzministern zusammenzuarbeiten, um die Blockade zu lösen. Die geplante Richtlinie der EU-Kommission zur Bekämpfung von Vermittlern der aggressiven Steuerplanung und Steuervermeidung (SAFE) taucht in den Ausführungen des EU-Kommissars dagegen nicht auf. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) hat sich in der Vergangenheit gegen die Initiative der EU-Kommission ausgesprochen. Für den Berufsstand, der wohl in den Anwendungsbereich eines solchen Richtlinienentwurfs fallen würde, wären weitere Belastungen und Registrierungspflichten zu befürchten. Zudem wehrt sich der DStV dagegen, dass der Berufsstand als Vermittler aggressiver Steuerplanung und Steuervermeidung gebrandmarkt werden könnte.
Nach den Anhörungen der designierten EU-Kommissare vor den zuständigen Fachausschüssen des EU-Parlaments im November und der anschließenden Abstimmung über das neue Kommissarskollegium im EU-Parlament, wird die Kommission von der Leyen II nun zeitnah ihre Arbeit aufnehmen, um ihre politische Agenda umzusetzen. Mehr hier
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