Die Politik sollte die richtigen Leitplanken setzen, damit Preisanreize eine effiziente und kostengünstige Energiewende ermöglichen. Das fordern Reint Gropp und Oliver Holtemöller, Präsident und Vizepräsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), in einem heute veröffentlichten Strategiepapier zur grünen Transformation.
Autoren Reint E. Gropp ; Oliver Holtemöller
Die Europäische Union (EU) und Preisanreize sind nach Einschätzung des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) die wichtigsten Treiber für die grüne Transformation. Um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen, sollte dort CO2 eingespart werden, wo dies am kostengünstigsten innerhalb der EU möglich ist. Energieerzeugung und -verbrauch sollten daher nicht kleinteilig reguliert werden, schreiben Reint Gropp und Oliver Holtemöller, Präsident und Vizepräsident des IWH. Ihr heute (18.06.2024) veröffentlichtes Strategiepapier empfiehlt sechs aufeinander abgestimmte Punkte, die nur als Paket wirksam sind:
(1) Laut Gropp und Holtemöller sollten die Klimaziele der EU Maßstab auch der deutschen Politik sein. Derzeit gelten in Deutschland ehrgeizigere Ziele, nämlich eine niedrigere Treibhausgas-Obergrenze und ein früheres Erreichen der Klimaneutralität. Das sei falsch: „Ehrgeizigere Ziele in Deutschland führen zu keiner Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen, sondern nur zu einer ungleichen Verteilung der Anpassungslast innerhalb der EU“, schreiben die IWH-Ökonomen.
„Ehrgeizigere Ziele in Deutschland führen zu keiner Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen, sondern nur zu einer ungleichen Verteilung der Anpassungslast innerhalb der EU.“
(2) Die Treibhausgas-Obergrenze bestimmt die Menge der CO2-Zertifikate, mit denen Unternehmen und indirekt die Haushalte für ihren Kohlendioxid-Ausstoß zahlen. Die Menge der Zertifikate sollte jährlich abnehmen, und zwar langfristig vorgegeben, damit Unternehmen und Bürger sich darauf einstellen können. Somit steigt zunächst der CO2-Preis. Haben alle Sektoren auf eine überwiegend CO2-freie Energieversorgung umgestellt, sinkt der Preis. Der Zertifikatehandel sollte europäisch und sektorübergreifend erfolgen, was ab 2027 geplant ist. „Dies sollte von der Bundesregierung ausdrücklich unterstützt und kommuniziert werden“, empfiehlt das IWH.
(3) Die steigenden CO2-Kosten bieten Anreize für Unternehmen, die Produktion ins Ausland zu verlagern. Dem wirken EU-weite Klimazölle entgegen, die ab 2026 gelten sollen: Je größer der CO2-Fußabdruck eines Produkts, desto höher der Zoll. „Es muss klar kommuniziert werden, dass selbst eine Klimapolitik auf EU-Ebene nur mit Klimazöllen eine effektive Wirkung auf den globalen Ausstoß von Klimagasen haben kann“, fordern Gropp und Holtemöller.
„Es muss klar kommuniziert werden, dass selbst eine Klimapolitik auf EU-Ebene nur mit Klimazöllen eine effektive Wirkung auf den globalen Ausstoß von Klimagasen haben kann.“
(4) Deutschland sollte mehr klimaneutralen Strom produzieren. Denn der Stromverbrauch wird durch die Elektrifizierung von Mobilität und Heizungen bis 2030 um etwa 50% zunehmen. Die steigende Nachfrage können selbst mehr Windräder und Solarzellen nicht decken, erst recht nicht wegen des gleichzeitigen Ausstiegs aus der Kohleverstromung. Weitere Energiequellen sollten genutzt werden. Aus Klimaperspektive sollte auch Atomkraft in Betracht gezogen werden.
(5) Das Tempo beim technischen Fortschritt und beim Ausbau erneuerbarer Energien ist selbst unter besten Voraussetzungen wahrscheinlich zu gering, um die Klimaschutzziele komplett zu erreichen. Deshalb sollten Forschung und Entwicklung von Energieeffizienz und -innovation stärker gefördert werden. Dazu gehören auch Technologien, mit denen Kohlendioxid aus der Atmosphäre geholt werden kann.
(6) Der Strukturwandel der grünen Transformation kann zu sozialen Härten führen. Der Staat sollte sie innerhalb des bestehenden Sozialsystems abfedern. Allerdings sollten staatliche Hilfen nur bedürftigen Haushalten zugutekommen und Subventionen nur an Unternehmen fließen, wenn deren Zahlungsbereitschaft für CO2-Zertifikate gewahrt bleibt.
„Unsere Strategie setzt ein positives Signal: Wir können die grüne Transformation meistern, und zwar zu relativ niedrigen Kosten, wenn die Politik diese sechs Punkte – und nur diese Punkte – umsetzt und sie vorausschauend kommuniziert“, sagt IWH-Präsident Gropp.
Veröffentlichungen:
Reint Gropp, Oliver Holtemöller: Sechs Punkte für eine effiziente grüne Transformation. IWH Policy Notes 2/2024. Halle (Saale) 2024.
Reint Gropp, Oliver Holtemöller: Ein Plan zur grünen Transformation. Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 17. Juni 2024, S. 16.