Der Rat hat heute eine Einigung (allgemeine Ausrichtung) über sicherere und schnellere Verfahren zur Entlastung von der Doppelbesteuerung erzielt. Dies wird dazu beitragen, grenzüberschreitende Investitionen anzukurbeln und Steuermissbrauch zu bekämpfen.
Die sogenannte FASTER-Initiative zielt darauf ab, die Quellensteuerverfahren in der EU für grenzüberschreitend tätige Anleger, nationale Steuerbehörden und Finanzintermediäre wie Banken oder Investitionsplattformen sicherer und effizienter zu machen.
Die Angleichung unserer Steuerentlastungsverfahren ist von entscheidender Bedeutung, wenn wir das Funktionieren der Kapitalmarktunion verbessern wollen. Ich freue mich, dass wir eine Einigung über diesen wichtigen Vorschlag erzielt haben, der auch dazu beitragen wird, Steuerbetrug viel effizienter zu bekämpfen. Außerdem werden Investitionen in anderen Ländern erleichtert und hoffentlich Anreize für Kleinanleger geschaffen, auf den europäischen Finanzmärkten zu investieren, was letztlich der gesamten Wirtschaft zugutekommen wird.
Belgischer Minister der Finanzen
Doppelbesteuerung
Derzeit erheben viele Mitgliedstaaten bei grenzüberschreitenden Investitionen Steuern auf Dividenden (aus Aktien und Anteilen) und Zinsen (aus Anleihen), die an im Ausland lebende Anleger gezahlt werden. Gleichzeitig müssen diese Anleger im Land ihrer Ansässigkeit für diese Einkünfte Einkommensteuer entrichten.
Obwohl Verträge zwischen den Mitgliedstaaten bestehen, mit denen das Problem der Doppelbesteuerung ausgeräumt werden soll, unterscheiden sich die Verfahren zur Beantragung einer Quellensteuerentlastung zwischen den Mitgliedstaaten in der Realität erheblich, was dazu führt, dass Entlastungs- oder Erstattungsverfahren langwierig, kostspielig und aufwendig sind. Diese Verfahrenkönnen auch anfällig für Steuerbetrug im großen Stil sein.
Durch die Quellensteuerinitiative werden die Verfahren der Steuerentlastung künftig schneller, einfacher und zugleich sicherer.
Eine gemeinsame Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit
Mit der Richtlinie wird eine gemeinsame digitale EU-Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit (eTRC) eingeführt, die steuerzahlende Anleger nutzen könnten, um die Schnellverfahren zur Entlastung von der Quellensteuer in Anspruch zu nehmen.
Die Mitgliedstaaten werden ein automatisiertes Verfahren zur Ausstellung von digitalen Bescheinigungen über die steuerliche Ansässigkeit (eTRC) für natürliche Personen oder Rechtsträger einführen, die als in ihrem Hoheitsgebiet steuerlich ansässig gelten.
Schnellverfahren
Nach der neuen Richtlinie können die Mitgliedstaaten zwei Schnellverfahren vorsehen, die das bestehende Standardverfahren für die Erstattung von Quellensteuern ergänzen. Dadurch werden die Entlastungs- und Erstattungsverfahren in der gesamten EU schneller und stärker harmonisiert.
Die Mitgliedstaaten müssen eines oder beide der folgenden Systeme anwenden:
- ein Verfahren der „Steuererleichterung an der Quelle“, bei dem der entsprechende Steuersatz zum Zeitpunkt der Zahlung von Dividenden oder Zinsen angewandt wird;
- ein „Schnellerstattungssystem“, bei dem die Erstattung zu viel gezahlter Quellensteuer innerhalb einer bestimmten Frist gewährt wird.
Der Rat kam überein, dass die Mitgliedstaaten die Schnellverfahren anwenden müssen, wenn sie eine Entlastung von überschüssiger Quellensteuer auf Dividenden gewähren, die auf öffentlich gehandelte Aktien gezahlt werden.
Die Mitgliedstaaten können fakultativ ihre bestehendenVerfahren beibehalten und müssen Kapitel III der Richtlinie nicht anwenden, wenn sie
- über ein umfassendes System der Steuererleichterung an der Quelle verfügen, das auf überschüssige Quellensteuer auf Dividenden anwendbar ist, die auf von einem in ihrem Hoheitsgebiet Ansässigen ausgegebene öffentlich gehandelte Aktien gezahlt werden, und wenn ihre (von der ESMA gemeldete) Marktkapitalisierungsquote unter einem Schwellenwert von 1,5 % liegt. Wird diese Quote jedoch in vier aufeinanderfolgenden Jahren überschritten, so werden alle in der Richtlinie vorgesehenen Vorschriften unwiderruflich anwendbar. In solchen Fällen haben die Mitgliedstaaten fünf Jahre Zeit, um die Vorschriften der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Diese Kriterien tragen der Größe der Finanzmärkte der Mitgliedstaaten Rechnung, gleichzeitig wird aber auch anerkannt, dass einige Mitgliedstaaten nationale Systeme beibehalten, die ihren derzeitigen Marktbedingungen angemessen sind;
- eine Entlastung von überschüssigen Quellensteuern auf Zinsen gewähren, die für öffentlich gehandelte Anleihen gezahlt werden.
Darüber hinaus hat der Rat zusätzliche Fälle in den Text aufgenommen, in denen die Mitgliedstaaten Anträge auf eine Quellensteuerentlastung ganz oder teilweise von den Schnellverfahren ausschließen können, um weitere Kontrollen zwecks Verhinderung von Betrug durchzuführen.
Ferner wurden Bestimmungen zu indirekten Investitionen für Fälle aufgenommen, in denen der Anleger nicht direkt in Wertpapiere investiert sondern über einen Organismus für gemeinsame Anlagen.
Damit wird gewährleistet, dass berechtigte Anleger, wie bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen oder deren Anleger, Zugang zu den Schnellverfahren haben.
Nach den neuen Vorschriften müssen zertifizierte Finanzintermediäre, die im Namen eines eingetragenen Eigentümers eine Entlastung beantragen, sorgfältig prüfen, ob der eingetragene Eigentümer überhaupt berechtigt ist, eine Steuerentlastung in Anspruch zu nehmen.
Standardisierte Meldeverfahren für Finanzintermediäre
Mit der Richtlinie wird eine standardisierte Meldepflicht für Finanzintermediäre (wie Banken oder Investitionsplattformen) eingeführt. Damit wird den nationalen Steuerbehörden die Aufdeckung von potenziellem Steuerbetrug oder ‑missbrauch erleichtert.
Die Mitgliedstaaten werden nationale Register einrichten, in denen sich große (und fakultativ kleinere) Finanzintermediäre eintragen lassen müssen, um als zertifiziert zu gelten. Um dieses Eintragungsverfahren zu vereinfachen, ist der Rat übereingekommen, ein Europäisches Portal zertifizierter Finanzintermediäre einzurichten.
Dieses Portal wird als zentrale Website eigens für den Zugang zu den nationalen Registern dienen.
Die Mitgliedstaaten verfügen weiterhin über den erforderlichen Ermessensspielraum, wenn es darum geht, die Eintragung oder Streichung eines zertifizierten Finanzintermediärs in dem Register vorzunehmen bzw. Maßnahmen zu ergreifen, die diese betreffen.
Nach ihrer Eintragung im Register müssen die Finanzintermediäre den zuständigen Steuerbehörden die erforderlichen Informationen übermitteln, damit eine Transaktion zurückverfolgt werden kann.
Die Mitgliedstaaten können künftig eine umfassendere Meldung von Transaktionen verlangen, um mögliche Fälle von Steuermissbrauch oder ‑betrug aufzudecken.
Der Rat hat neben der direkten Meldung außerdem die Möglichkeit der indirekten Meldung vorgesehen. Im Falle einer direkten Meldung muss ein zertifizierter Finanzintermediär die Informationen direkt der zuständigen Behörde des Quellenmitgliedstaats übermitteln. Im Falle einer indirekten Meldung sind die Informationen von den einzelnen zertifizierten Finanzintermediären entlang der Wertpapier-Zahlungskette zu übermitteln.
Der Rat ist übereingekommen, dass die Mitgliedstaaten Sanktionen verhängen sollten, falls die sich aus dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen nicht eingehalten werden.
Hintergrund und weiteres Vorgehen
Die Europäische Kommission hat am 19. Juni 2023 einen Vorschlag für eine Richtlinie über schnellere und sicherere Verfahren für die Entlastung von überschüssigen Quellensteuern (FASTER-Richtlinie) vorgelegt.
Dieser Vorschlag unterliegt einem besonderen Gesetzgebungsverfahren, bei dem der Rat als alleiniger Gesetzgeber fungiert. Hierzu ist Einstimmigkeit im Rat erforderlich. Das Europäische Parlament, das um Stellungnahme gebeten worden war, gab diese am 28. Februar 2024 ab. Aufgrund der Änderungen, die der Rat während der Verhandlungen an der Richtlinie vorgenommen hat, wird das Europäische Parlament jedoch erneut zu dem vereinbarten Text angehört werden müssen.
Der vereinbarte Text wird von den Rechts- und Sprachsachverständigen geprüft, und die Richtlinie muss dann vom Rat förmlich angenommen werden, bevor sie im Amtsblatt der EU veröffentlicht wird und in Kraft tritt.
Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis zum 31. Dezember 2028 in nationales Recht umsetzen, die nationalen Vorschriften werden allerdings erst ab dem 1. Januar 2030 anwendbar.