Urrteil vom 6.9.2023 – 7 U 162/22; ECLI:DE:OLGKARL:2023:0906.7U162.22.00
Leitsatz
Bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Folge von Schätzungsbescheiden der Finanzbehörden muss grundsätzlich der Mandant darlegen, welche Gewinne oder Verluste abweichend von den Besteuerungsgrundlagen der Schätzungsveranlagung tatsächlich entstanden sind. Sofern es ihm mangels Unterlagen nicht möglich ist zu belegen, welcher Gewinn abweichend von den Besteuerungsgrundlagen der Schätzungsveranlagung hätte versteuert werden müssen, bleibt er beweisfällig.(Rn.34) (Rn.35)
Orientierungssatz
1. Ein Steuerberater muss seinen Mandanten auf die unvollständigen Buchhaltungsunterlagen und die unzureichende Buchführung sowie die Gefahr der Hinzuschätzungen bei einer Betriebsprüfung hinweisen. Es obliegt dann dem Mandanten zu entscheiden, ob er unter Vorlage der vorhandenen, auf der Einnahmenseite unvollständigen Unterlagen das Risiko einer Schätzung auf der Grundlage der Unterlagen eingehen will oder das Risiko einer Hinzuschätzung ohne Vorlage von Unterlagen tragen möchte.(Rn.17) (Rn.20) (Rn.21)
2. Der Geschädigte soll grundsätzlich im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten als dasjenige, was er nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen können. Der Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die er keinen Anspruch hat, ist grundsätzlich kein erstattungsfähiger Nachteil.(Rn.31)
3. Ein Vermögensnachteil durch die streitgegenständliche Nacherhebung von Umsatzsteuer wäre nur dann entstanden, wenn der Geschädigte aufgrund seiner tatsächlich erzielten Einnahmen materiell-rechtlich weniger Umsatzsteuer geschuldet hätte (Anschluss OLG Köln, Urteil vom 3. Juli 2013 – 8 U 79/02).(Rn.32)
I. Auf die Berufung des Beklagten werden das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 14.10.2022 und das Teilversäumnisurteil vom 18.07.2018 (Az. 21 O 105/18) aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen mit Ausnahme der Kosten, die durch die Säumnis des Beklagten im Termin vom 18.07.2018 entstanden sind. Diese werden dem Beklagten auferlegt.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter steuerlicher Beratung im Zusammenhang mit einer Außenprüfung der Finanzverwaltung in Anspruch.
Die Klägerin betrieb bis zum Jahr 2011 eine Diskothek auf dem B. A. Park in R.. Der Beklagte erstellte für die Veranlagungszeiträume 2009 bis 2011 für die Klägerin die Steuererklärungen und Gewinnermittlungen. Die Buchhaltung oblag nicht dem Beklagten, sondern wurde im Auftrag der Klägerin durch einen „Buchhaltungsservice“ erledigt. Aufgrund der Prüfungsanordnung des Finanzamts B. vom 10.12.2014 kam es ab dem 06.10.2015 zu einer steuerlichen Betriebsprüfung für die Zeiträume 2009 bis 2011. Trotz mehrerer Aufforderungen seitens der Finanzbehörde legte der Beklagte zur Betriebsprüfung keine Unterlagen der Klägerin vor. Die Finanzbehörde nahm darauf eine Schätzung vor und änderte die Steuerbescheide, wobei ertragsteuerlich geltend gemachte Verluste auf null geschätzt und die erstattungsfähigen Vorsteuerbeträge jeweils um die Hälfte reduziert wurden. Die geänderten Steuerbescheide wurden bestandskräftig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darstellung im landgerichtlichen Urteil verwiesen.
Die Klägerin macht geltend, sie habe weder Kenntnis von der Außenprüfung noch von der Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen, die sich sämtlich beim Beklagten befunden hätten, gehabt. Auch die geänderten Steuerbescheide seien ihr vor Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht bekannt gewesen. Der Beklagte sei mit der Begleitung der Betriebsprüfung betraut gewesen. Es stelle einen Beratungsfehler dar, dass er die Klägerin nicht informiert und die ihm vorliegenden Unterlagen nicht der Finanzbehörde vorgelegt habe. Die Buchhaltung der Klägerin für die Jahre 2009 bis 2011 sei ordnungsgemäß. Bei ihrer Vorlage im Rahmen der Betriebsprüfung hätte eine Abänderung der Umsatzsteuerbescheide verhindert werden können und die Umsatzsteuernachzahlungen wären vermieden worden. Dadurch, dass der Beklagte der Klägerin die geänderten Umsatzsteuerbescheide nicht vorgelegt habe, habe die Klägerin keine Möglichkeit gehabt, gegen diese im Rechtsmittelverfahren vorzugehen. Wegen ihrer wirtschaftlichen Lage könne die Klägerin Zahlungen auf die offenen Umsatzsteuerverbindlichkeiten nicht leisten, weshalb weiter Zinsen und Säumniszuschläge anfielen. Wegen der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf die Darstellung im landgerichtlichen Urteil verwiesen.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des weiteren Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat zunächst am 18.07.2018 ein Teil-Versäumnis- und Schlussurteil gegen den Beklagten erlassen, mit dem dieser zur Zahlung von 61.706,32 € zuzüglich Zinsen sowie Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 1.642,40 € zuzüglich Zinsen verurteilt wurde. Nach Einspruch des Beklagten hat das Landgericht Beweis erhoben und nach Klageerweiterung mit dem angefochtenen Urteil das Teilversäumnisurteil vom 18.07.2018 bestätigt, den Beklagten verurteilt, weitere 9.391,65 € zuzüglich Zinsen an die Klägerin zu bezahlen, sowie festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die laufenden Säumniszuschläge der Klägerin auf die Umsatzsteuerschulden zu tragen.
Nach der Einvernahme von Zeugen hat sich das Landgericht davon überzeugt, dass der Beklagte damit beauftragt war, die Klägerin im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung des Finanzamts für die Jahre 2009 bis 2011 zu betreuen und ihm die insoweit bei der Klägerin vorhandenen Unterlagen (drei Leitzordner) vorlagen. Der Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, auf die Aufforderung des Finanzamts die ihm überlassenen Unterlagen dem Außenprüfer zur Verfügung zu stellen und dessen Fragen soweit möglich zu beantworten. Da der Beklagte – insoweit unstreitig – weder Auskünfte erteilt noch Unterlagen vorgelegt habe, habe er seine vertraglichen Pflichten verletzt. Folge der Pflichtverletzung seien die Abänderungen der Steuerbescheide. Durch Umsatzsteuernachzahlungen sei insoweit ein Schaden von 45.318 € eingetreten, hinzu kämen Zinsen zur Umsatzsteuer i.H.v. 10.915 €, Säumniszuschläge von 24.135,50 € sowie Vollstreckungskosten von 28,32 €. Nach Einholung des Gutachtens einer Steuerberaterin/Wirtschaftsprüferin hat sich das Landgericht davon überzeugt, dass, wenn der Beklagte die ihm vorliegenden drei Leitzordner der Finanzbehörde vorgelegt hätte, die Voraussetzungen für eine Schätzung der Umsatzsteuer nicht vorgelegen hätten, weshalb es zu einer Änderung der Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2011 nicht gekommen und der Schaden der Klägerin nicht entstanden wäre.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der dieser geltend macht, das Landgericht habe steuerrechtliche Fragen selbst beantworten müssen und kein Sachverständigengutachten einholen dürfen. Die auf einer Hinzuschätzung beruhenden Steuern stellten im Übrigen keinen Schaden dar, solange die Klägerin nicht darstellen könne, dass der Schätzungsschaden von den tatsächlichen Betriebseinnahmen abweiche. Tatsächlich wäre der Klägerin wegen der Mangelhaftigkeit ihrer Buchhaltungsunterlagen bei deren Vorlage ein höherer Schaden als jetzt entstanden. Die Annahmen der Sachverständigen zum Rohgewinnaufschlag unter Berücksichtigung eines Beschlusses des Finanzgerichts München seien unzutreffend. Die Sachverständige habe insbesondere übersehen, dass die dort genannten durchschnittlichen Rohgewinnaufschläge auf den Wareneinsatz für Diskotheken auf Fachinformationen des Landes Nordrhein-Westfalen beruhten und daher vom Finanzgericht München nicht von einem hohen Münchner Preisniveau ausgegangen worden sei. Da die aus den Unterlagen der Klägerin ermittelten Rohgewinnaufschläge für 2009 und 2010 am unteren Ende bzw. unter dem Durchschnitt gelegen hätten, während sie für 2011 deutlich darüber gelegen hätten, was für die Möglichkeit wesentlich höherer Umsätze spreche, wäre eine Hinzuschätzung auf die Umsätze durch die Finanzverwaltung sehr wahrscheinlich gewesen. Dies hätte zur Folge gehabt, dass es zu einer Prüfungserweiterung auf die Veranlagungszeiträume 2006 bis 2008 gekommen wäre, was für die Klägerin weitere negative Konsequenzen hätte haben können. Vor diesem Hintergrund sei es nicht fehlerhaft gewesen, dass der Beklagte die Unterlagen der Klägerin nicht vorgelegt habe. Das Landgericht habe im Übrigen den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es sich nicht ausreichend mit dem Beschluss des Finanzgerichts München auseinandergesetzt habe, obwohl der Beklagte hierauf ausdrücklich hingewiesen habe. Weiter beanstandet die Berufung, dass das Landgericht fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass die bloße Darstellung der Klägerin, sie sei zur Begleichung der Umsatzsteuernachforderungen nicht in der Lage, weshalb Säumniszuschläge und Zinsen Teil des Schadens der Klägerin seien, zum Nachweis ausreiche. Im Übrigen hält die Berufung die Zahlungsanträge für unzulässig, da nicht ersichtlich sei, dass die Klägerin die Steuerforderungen bereits beglichen habe. Ein Schaden sei ihr daher noch nicht entstanden, so dass sie lediglich Freistellung von der Verpflichtung verlangen könne. Hinsichtlich des Feststellungsantrags zur Erstattungspflicht für offene Säumniszuschläge fehle es am Feststellungsinteresse, da die Klägerin insoweit Leistungsklage mit dem Antrag auf Freistellung erheben könne.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LG Karlsruhe vom 24.11.2021, Az. 21 O 105/18, wie folgt abzuändern:
Das Teilversäumnisurteil des LG Karlsruhe vom 18.07.2018 aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Die Klägerin beantragt:
Die Berufung des Beklagten und Berufungsklägers wird zurückgewiesen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Das Landgericht habe, gestützt auf die überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen, zutreffend gesehen, dass das Finanzamt bei Vorlage der geordneten Buchführung der Klägerin keine Schätzung vorgenommen hätte, eine Änderung der Steuerbescheide zum Nachteil der Klägerin nicht erfolgt und der Schaden der Klägerin nicht entstanden wäre.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 30.08.2023 verwiesen.
II. Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass der Beklagte im Zuge seiner Tätigkeit als Steuerberater der Klägerin im Zusammenhang mit der Durchführung einer Außenprüfung durch das Finanzamt Vertragspflichten gegenüber der Klägerin verletzt hat (1. und 2.). Es ist jedoch nicht festzustellen, dass als Folge der Vertragsverletzung der Klägerin der von ihr geltend gemachte Schaden entstanden ist (3.).
1. Der Beklagte greift die Beweiswürdigung des Landgerichts, dass er mit der Betreuung der Klägerin im Verfahren über die Außenprüfung beauftragt und im Besitz ihrer Unterlagen gewesen sei, zu Recht nicht an. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist insoweit auch für den Senat überzeugend. Dass der Beklagte die Unterlagen der Finanzverwaltung nicht auf deren Anforderung vorgelegt hat, ist unstreitig. Ebenso unstreitig ist, dass das Finanzamt daraufhin eine Schätzung vornahm, die u.a. zu einer Nacherhebung von Umsatzsteuer zuzüglich Säumniszuschlägen und Zinsen in der als Schadensersatz eingeklagten Höhe geführt hat.
2. Der Beklagte hat seine vertraglich übernommenen Beratungspflichten gegenüber der Klägerin verletzt. Diese Pflichtverletzung ist grundsätzlich geeignet, einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu begründen (§ 280 Abs. 1 BGB). Der Beklagte hätte bei pflichtgemäßem Handeln die Klägerin auf seine Bedenken hinsichtlich der Gefahr der Hinzuschätzungen bei einer Betriebsprüfung hinweisen müssen. Er hätte sodann weder eigenmächtig die Belege zurückhalten noch zu ihrer Nichtvorlage raten dürfen.
a. Der Beklagte hielt die Buchführung der Klägerin zu Recht für unzureichend.
Nach den Feststellungen der Sachverständigen Nowak sind die Buchhaltungsunterlagen der Klägerin auf der Einnahmenseite unvollständig. Es fehlen Unterlagen, anhand derer man nachvollziehen könnte, wie sich die in der Buchhaltung eingetragenen Einnahmen zusammensetzen. Unstreitig handelte es sich bei der Klägerin um einen Betrieb, bei dem Bargeld jedenfalls in ganz erheblichem Umfang – Hinweise auf bargeldlose Einnahmen finden sich nicht und werden auch nicht behauptet – vereinnahmt wurde. Weder sind die Kassenbestände der einzelnen Kassen (Eingang, Garderobe, Bar) insoweit dokumentiert, als Bestand am Beginn der Öffnung und bei Schließung festgehalten worden wären, noch gibt es Bonrollen oder sonstige Belege über die Einnahmen. Dass anhand bloßer Eintragungen in der Buchhaltung die tatsächlichen Einnahmen von einem kundigen Dritten nicht nachvollzogen werden können, was aber für eine ordnungsgemäße Buchführung nach den Ausführungen der Sachverständigen erforderlich wäre, ist auch für den Laien gut nachvollziehbar. Für die Grundaufzeichnungen der Buchhaltung war ausschließlich die Klägerin verantwortlich (vgl. Meixner, DStR 2018, 2352, 2353). Nachdem die Klägerin nach unbestrittenem Vortrag des Beklagten bereits in den Jahren 2006 bis 2008 ausschließlich Verluste erzielte und sich dies in den Jahren 2009 bis 2011 fortsetzte, ist es nachvollziehbar, dass der Beklagte Bedenken hatte, dass die unzureichende (Einnahmen-)Buchhaltung bei einer Außenprüfung akzeptiert werden würde und er die in seinem Schreiben an die Klägerin vom 01.03.2017 (I K10) dargestellte Befürchtung, dass es zu einer Ausweitung des Prüfungszeitraums kommen könne, hegte. Der Beklagte macht insoweit geltend, dass es bei Vorlage der Unterlagen im Hinblick auf die fehlenden Einnahmebelege zu höheren Schätzungen als tatsächlich geschehen gekommen wäre. Ob dies tatsächlich der Fall gewesen wäre, bedarf hier keiner Entscheidung.
b. Diese Bedenken des Beklagten begründeten eine Beratungspflicht gegenüber der Klägerin und ermächtigten ihn nicht zum eigenmächtigen Handeln in Form des Zurückhaltens von Buchhaltungsunterlagen.
Ein Steuerberater ist zur Mitwirkung an Handlungen des Mandanten, die zu einer Steuerverkürzung führen, nicht verpflichtet. Wenn der Beklagte, was aus seinen Äußerungen gegenüber den Zeugen H. und S. geschlossen werden kann, jedenfalls vermutete, dass Einnahmen nicht erklärt und deshalb die Steuer verkürzt worden sei, konnte die Klägerin nicht von ihm verlangen, in einer Weise tätig zu werden, die ihr die Früchte einer Steuerhinterziehung erhielt (vgl. dazu BGH, NJW 2018, 541, 544). Der Beklagte durfte als Steuerberater an einer Steuerhinterziehung seines Mandanten nicht mitwirken (BGH a.a.O.). Der Beklagte hätte zwar nicht die (vermutete) Steuerhinterziehung gegenüber den Finanzbehörden aufdecken müssen, er hätte aber im Rahmen der ihm aus dem Auftrag zur Begleitung der Betriebsprüfung obliegenden Beratungspflicht seine Bedenken gegenüber der Klägerin offenlegen müssen. Sodann wäre es Sache der Klägerin gewesen zu entscheiden, ob sie unter Vorlage der vorhandenen, auf der Einnahmenseite unvollständigen Unterlagen das Risiko einer Schätzung auf der Grundlage der Unterlagen eingehen wolle oder das Risiko einer Hinzuschätzung ohne Vorlage von Unterlagen tragen wolle. Die Verletzung einer Vertragspflicht liegt somit darin, dass der Beklagte die Klägerin nicht in diesem Zusammenhang beraten und nicht ihre Entscheidung herbeigeführt hat. Dass er im zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsprüfung seine Bedenken mit der Klägerin erörtert und ihre Entscheidung, die Unterlagen nicht vorzulegen, herbeigeführt hätte, ist nicht bewiesen (LGU 14). Diese Feststellung des Landgerichts greift die Berufung nicht an.
3. Es ist aber nicht festzustellen, dass der Klägerin aus der Nichtvorlage der Buchhaltungsunterlagen, soweit diese vorhanden waren, ein Schaden entstanden ist. Da die tatsächliche Umsatzsteuerlast der Klägerin nicht festgestellt werden kann, kann selbst ein Mindestschaden nicht geschätzt werden.
Bei der Schadensberechnung sind alle Folgen des haftungsbegründenden Umstands bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen einzubeziehen. Es geht bei dem erforderlichen Gesamtvermögensvergleich nicht um Einzelpositionen, sondern um eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage (BGH, WM 2015, 1622, 1624). Das mithilfe der Differenzhypothese ermittelte rechnerische Ergebnis eines Schadenseintritts ist einer normativen Wertung zu unterziehen (BGH, NJW 2018, 541, 543). Eine lediglich äußere Verbindung des entstandenen Nachteils zu dem Verhalten des Schuldners begründet noch keine Schadensersatzpflicht; vielmehr muss der Schaden in einem inneren Zusammenhang zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen. Diese Haftungsbegrenzung erfordert eine wertende Betrachtung und gilt gleichermaßen für die vertragliche wie für die deliktische Haftung. Ein Geschädigter soll grundsätzlich im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten als dasjenige, was er nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen können. Der Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die er keinen Anspruch hat, ist grundsätzlich kein erstattungsfähiger Nachteil (BGH, NJW 2018, 541, 543). Ein Steuernachteil ist folglich nur ersatzfähig, wenn er auf rechtlich zulässigem Wege vermeidbar war (BGH a.a.O.).
Soweit die Klägerin meint, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei hier nicht anwendbar, da nicht ein (fehlerhaftes) positives Tun, sondern ein Unterlassen schadensursächlich geworden sei, überzeugt dies nicht. Für die Rechtsfolgenseite, nämlich die Entstehung des Schadens und den normativen Schadensbegriff, ist es ohne Bedeutung, ob die der Ersatzpflicht zugrunde liegende Vertragsverletzung auf einem Handeln oder einem Unterlassen beruht.
Es macht, da ein Vermögensvergleich vorzunehmen ist, auch keinen Unterschied, ob Steuern nachentrichtet werden mussten oder Steuervorteile bzw. steuerlich anerkannte Verluste in Wegfall kamen. Es kommt allein darauf an, ob das Vermögen der Klägerin als Folge des Beratungsfehlers verglichen mit dem Vermögen ohne den Beratungsfehler, aber bei Berücksichtigung aller steuerlich relevanten Tatsachen, seien sie der Finanzverwaltung bekannt oder nicht, gemindert ist.
Darlegungs- und beweisbelastet für den Schadenseintritt ist nach allgemeinen Grundsätzen die Klägerin. Sie ist auch nach Hinweis des Senats ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen.
a. Eine Darstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage fehlt bereits im Hinblick auf das Gesamtvermögen der Klägerin und ihrer Gesellschafterinnen. Insbesondere ist nicht bekannt, wie sich die Festsetzung der geänderten Umsatzsteuer und die Streichung der Verluste im Rahmen der einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung auf die Einkommenssteuern der Gesellschafterinnen der Klägerin ausgewirkt haben. Es kann jedoch ausgeschlossen werden, dass eine Erhöhung der Betriebsausgaben der Klägerin durch Nachforderungen bei der Umsatzsteuer sowie die Streichung einkommenssteuerlich anerkannter Verluste, zu einer Mehrung des Vermögens der Klägerin bzw. ihrer Gesellschafterinnen geführt hat, da hier zusätzliche Ausgaben entstanden sind bzw. Verluste nicht mehr steuermindernd auf Einkünfte aus anderen Einkunftsarten angerechnet werden konnten. Insoweit ist plausibel und wird vom Beklagten auch nicht angegriffen, dass die Umsatzsteuernachforderungen sich nachteilig auf das Vermögen der Klägerin bzw. ihrer Gesellschafterinnen ausgewirkt haben können.
b. Es ist aber nicht festzustellen, in welcher Höhe Vermögensnachteile eingetreten sind und dass sie einen Schaden darstellen, der auf den Fehler des Beklagten zurückzuführen wäre.
Feststellungen dazu, wie sich das Finanzamt bei Vorlage der Buchhaltungsunterlagen, wie sie der Sachverständigen Nowak zur Verfügung standen, verhalten hätte, können nicht getroffen werden. Auch die Sachverständige hat in ihrem Gutachten darauf hingewiesen, dass sie dies nicht voraussagen könne. Das Finanzamt hat eine amtliche Auskunft hierüber nicht abgegeben.
Diese Frage kann letztlich jedoch offenbleiben, denn der Senat müsste sich nicht nur davon überzeugen, dass bei einer Vorlage der Unterlagen bei der Betriebsprüfung die Finanzbehörde zu einem anderen, der Klägerin vorteilhaften Prüfergebnis gekommen wäre, sondern auch davon, dass dies der materiellen Rechtslage entsprochen hätte. Dabei ist zu sehen, dass auf der Einnahmenseite die Finanzbehörde auch bei Vorlage der Unterlagen auf eine Schätzung angewiesen gewesen wäre, die unabhängig davon, in welcher Höhe sie ausgefallen wäre, eine Schätzung geblieben wäre, die nicht der tatsächlichen Steuerlast entsprechen muss, auch wenn sie dieser nahekommen soll. Die Klägerin darf jedoch nach den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen nicht deshalb materiell besser stehen, weil sie als Folge unvollständiger Buchhaltungsunterlagen, nämlich wenn das Finanzamt bei der Betriebsprüfung daraus keine Schlüsse zu Lasten der Klägerin gezogen hätte, nicht in der gebotenen Höhe zur Umsatzsteuer veranlagt worden wäre. Feststellungen dazu kann das Gericht nicht treffen, da die tatsächlichen Einkünfte der Klägerin, aus denen sich die Steuerlast errechnen ließe, nicht bewiesen sind.
aa. Die Klägerin soll nämlich grundsätzlich im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten als dasjenige, was sie nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen können. Der Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die sie keinen Anspruch hat, ist grundsätzlich kein erstattungsfähiger Nachteil. Durch eine fiktive Entscheidung, die gerade mit diesem Inhalt nicht hätte ergehen dürfen, wird kein schutzwürdiger Besitzstand begründet. Bei wertender Betrachtung kann der Verlust eines Rechtsstreits nicht als Schaden im Rechtssinne angesehen werden, wenn sich im Haftungsprozess herausstellt, dass die unterlegene Partei den Vorprozess materiell-rechtlich zu Recht verloren hat, dieser also nach Auffassung des mit dem Haftungsprozess befassten Gerichts im Ergebnis richtig entschieden worden ist. Der Umstand, dass die Partei bei sachgerechter Vertretung durch ihren Anwalt den Vorprozess gewonnen hätte, rechtfertigt es nicht, der Partei im Regressprozess gegen ihren Prozessbevollmächtigten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, auf den sie nach materiellem Recht keinen Anspruch hatte. Auf diesen Fall trifft die Regel nicht zu, dass ein Schaden bereits dann bejaht werden kann, wenn die Partei einen Prozess verloren hat, den sie bei sachgemäßer Vertretung gewonnen hätte (vgl. BGH, NJW 2013, 540 Rn. 28, zu einer Rechtsanwaltshaftung).
bb. Ein Vermögensnachteil der Klägerin durch die streitgegenständliche Nacherhebung von Umsatzsteuer wäre nur dann entstanden, wenn sie aufgrund ihrer tatsächlich erzielten Einnahmen materiell-rechtlich weniger Umsatzsteuer geschuldet hätte (vgl. OLG Köln, Urteil vom 03.07.2013 – 8 U 79/02 -, Rn. 49 juris; OLG Bamberg, Urteil vom 28.04.2006 – 6 U 23/05 – Rn. 55, juris).
Eine solche Feststellung setzt voraus, dass die Klägerin darlegt und, da der Beklagte die Richtigkeit der Buchhaltung bestritten hat, auch beweist, dass die in ihrer Buchhaltung ausschließlich mit Eigenbelegen und ohne Untermauerung durch Kassenjournale oder Bonrollen erfassten Einkünfte, die unstreitig durchgängig einer Umsatzsteuer von 19% unterlagen, so tatsächlich richtig sind. Aus höheren Einkünften hätte sich eine höhere Umsatzsteuerlast ergeben, die mit den geltend gemachten Vorsteuern zu verrechnen gewesen wäre, so dass die Festsetzung einer Zahlung auf die Umsatzsteuer auf höheren Einnahmen – und nicht wie hier auf der Aberkennung eines Teils der gemeldeten Vorsteuer – hätte beruhen können. Ihre tatsächlich angefallene Steuerlast hat die Klägerin weder darlegen noch beweisen können.
cc. Die Klägerin hat ihre tatsächlichen Einkünfte nicht unter Beweis gestellt. Das Landgericht hat bereits bei der Bestimmung des frühen ersten Termins darauf hingewiesen, dass die tatsächliche Steuerlast zu ermitteln sei. Die Klägerin hat sich dazu auf ihre Buchhaltungsunterlagen berufen, die Veranlassung für die Einholung eines Sachverständigengutachtens waren. Dafür, dass die dort festgehaltenen Einkünfte den tatsächlichen Einkünften entsprachen, hat die Klägerin jedoch keinen Beweis angeboten. Auch nach dem Hinweis des Senats, dass die Klägerin ihre Einnahmen vollständig darzustellen habe und die vorgelegten Buchhaltungsunterlagen, deren Verlässlichkeit jedenfalls hinsichtlich der Einnahmenseite der Beklagte bestreitet, dazu nicht ausreichen würden, hat die Klägerin weiteren Beweis nicht angeboten. Sie räumt vielmehr ein, dass es nicht mehr Unterlagen zu den Einkünften gebe. Mit den vorgelegten Einnahmebelegen ohne Kassenjournale oder Bonrollen ist der Beweis, dass die in den vorgelegten Ordnern mit Ausgabebelegen getrennt aufnotierten Einnahmen den tatsächlichen Einnahmen entsprechen, nicht geführt. Die Angaben auf den Eigenbelegen sind in keiner Weise für das Gericht oder sonstige Dritte überprüfbar.
Soweit die Klägerin geltend macht, auf die fehlenden Belege könne sich der Beklagte nach § 242 BGB nicht berufen, da er die Klägerin nicht zu einer genaueren Dokumentation der Einnahmen aufgefordert habe, überzeugt dies nicht. Die Klägerin als Anspruchstellerin trägt vollumfänglich die Darlegungs- und Beweislast für einen ihr entstandenen Schaden. Sofern es ihr mangels Unterlagen nicht möglich ist, zu belegen, welcher Gewinn abweichend von den Besteuerungsgrundlagen der Schätzungsveranlagung hätte versteuert werden müssen, bleibt sie beweisfällig (vgl. Meixner, DStR 2018, 2352, 2356 m.w.N.). Die eigene Verantwortlichkeit der Klägerin für die korrekte Buchhaltung liegt darin, dass sie den konkreten Geschäftsvorgängen örtlich und zeitlich näher steht als der beklagte Steuerberater (Meixner, DStR 2018, 2352, 2353). Es ist zudem unstreitig, dass der Beklagte mit der Buchhaltung selbst nicht beauftragt war. Er erhielt die kontierten Belege. Auf welcher Basis die verbuchten Einnahmebelege erstellt worden waren, konnte er daraus nicht entnehmen. Dass der Beklagten mit der Kontrolle der Buchhaltung beauftragt gewesen wäre, macht die Klägerin selbst nicht geltend. Es bestand daher für den Beklagten kein Anlass, nach einer dokumentierten Grundlage der mitgeteilten Einnahmen zu fragen, oder die Klägerin auf die Anforderungen einer ordnungsgemäßen Buchführung insoweit hinzuweisen.
dd. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (Urteil vom 3. Juli 2003 – 8 U 79/02 -, Rn. 49, juris). Das Oberlandesgericht Köln geht ebenso wie der Senat davon aus, dass für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Folge von Schätzungsbescheiden grundsätzlich der Mandant darlegen muss, welche Gewinne oder – wie hier – Verluste abweichend von den Besteuerungsgrundlagen der Schätzungsveranlagung tatsächlich entstanden sind. Für diesen Zweck muss regelmäßig eine Gewinn- bzw. Verlustermittlung vorgelegt werden, die im Falle des Bestreitens von einem Sachverständigen überprüft werden kann (OLG Köln a.a.O.). Soweit das Oberlandesgericht Köln weiter ausführt, dass dann, wenn sich der Mandant, wie hier die Klägerin, auf einen von dem Steuerberater selbst aufgestellten Jahresabschluss stütze, dies zum Nachweis der Fehlerhaftigkeit des Schätzungsbescheides ausreiche, solange nicht der Steuerberater die Richtigkeit dieses Jahresabschlusses substantiiert angreife, davon ausgegangen werden müsse, dass der von ihm selbst angefertigte Jahresabschluss zutreffend sei (vgl. OLG Köln, Urteil vom 3. Juli 2003 – 8 U 79/02 -, Rn. 49, juris m.w.N.; ebenso OLG Bamberg, Urteil vom 28. April 2006 – 6 U 23/05 -, Rn. 55ff, juris), betrifft dies einen anderen Fall. Der Beklagte hat hier die Richtigkeit der verbuchten Einnahmen wirksam bestritten. Eine weitere Substantiierung seines Bestreitens kann von ihm, anders als im Fall des Oberlandesgerichts Köln, in dem der Steuerberater nach eigenen Angaben als Controller der dortigen klagenden Kapitalgesellschaft Einblick in die Buchhaltung hatte, nicht verlangt werden. Denn der Beklagte erhielt im streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum keinen Einblick in die Buchhaltung der Klägerin, sondern lediglich in die gebuchten Belege.
ee. Der Verweis der Klägerin auf das Gutachten der Sachverständigen führt nicht zur Feststellung eines (Mindest-)Schadens der Klägerin. Die Sachverständige N. hat zwar unter Berücksichtigung der Buchhaltungsunterlagen der Klägerin auf der Grundlage einer Hinzuschätzung nach Richtsatzverprobung eine Umsatzsteuerlast errechnet, die geringer ist als die im Korrekturbescheid nach Betriebsprüfung vorgenommene Kürzung der Vorsteuer. Die Sachverständige weist jedoch selbst darauf hin, dass niemand sagen kann, was die Steuerprüfung tatsächlich für ein Ergebnis gebracht hätte. Darauf kommt es auch nicht an, denn auch aus den von der Sachverständigen angestrengten Überlegungen lässt sich ein Schluss auf die tatsächlich zutreffende Umsatzsteuerlast nicht ziehen.
ff. Da der Senat nicht feststellen kann, dass und gegebenenfalls in welcher Höhe die festgesetzte Steuernachzahlung unberechtigt ist, kommt es darauf, ob der Beklagte zu Verzögerungen bei ihrer Begleichung schuldhaft beigetragen hat, nicht an. Denn sowohl Zinsen (§§ 233 ff. AO) als auch Säumniszuschläge (§ 240 AO) knüpfen zur Berechnung an die Höhe der Steuerschuld an, so dass es an einer Berechnungsgrundlage fehlt. Zudem trägt die Klägerin selbst nicht vor, dass sie zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich bei einer schnelleren Entscheidung des Finanzamts für den Fall der Vorlage der Buchhaltungsunterlagen auf erstes Anfordern, in der Lage gewesen wäre, Steuernachforderungen in der festgesetzten Höhe zu bezahlen, so dass weitere Zinsen und Säumniszuschläge vermieden worden wären.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 344 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit wurde gem. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO angeordnet.
Gründe, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.