Verhandlung B 12 R 4/20 R
Verhandlungstermin28.06.2022 12:30 Uhr
Terminvorschau
1. J. G. 2. T. B. 3. A. M. 4. M. R. 5. C. H. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund, beigeladen: G. H.
Die fünf klagenden Rechtsanwälte sind Gesellschafter-Geschäftsführer der beigeladenen Rechtsanwaltsgesellschaft. Deren Gegenstand ist die Übernahme und die Ausführung von Anwaltsaufträgen, insbesondere die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten und alle damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte, die durch in Diensten der Gesellschaft stehende, zugelassene Rechtsanwälte unabhängig, weisungsfrei und eigenverantwortlich unter Beachtung ihres Berufsrechts ausgeführt werden. Die Kläger hielten zunächst jeweils 20 vH, nach Ausscheiden eines Klägers 25 vH der Gesellschaftsanteile. Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung werden mit einfacher Mehrheit gefasst. Die Geschäftsführerverträge sehen ein festes Monatsgehalt von brutto 6500 Euro zuzüglich eines 13. Monatsgehalts und eine gewinnabhängige Vergütung (Tantieme) iHv 10 vH des tantiemepflichtigen Gewinns vor. Ferner bestehen Ansprüche auf Weiterzahlung der Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit für die Dauer von sechs Monaten sowie auf einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen.
Im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund die Versicherungspflicht der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund Beschäftigung fest. Klagen und Berufungen der Kläger sind ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ausgeführt, keiner der Kläger habe über eine Sperrminorität verfügt. Allein die Ausübung eines freien Berufs bewirke nicht ihre Selbstständigkeit. Die Kläger seien in den Betrieb der Beigeladenen eingegliedert gewesen. Auch der jeweilige Geschäftsführervertrag spreche für eine abhängige Beschäftigung.
Mit ihren Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung von § 7 SGB IV. Die Vorinstanzen hätten nicht ausreichend berücksichtigt, dass sie als Rechtsanwälte unabhängige Organe der Rechtspflege seien. Zudem gewährleiste die Bundesrechtsanwaltsordnung ausdrücklich die Unabhängigkeit von Rechtsanwälten, die Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft seien. Daher seien sie nicht mit Honorarärzten oder Steuerberatern vergleichbar.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Mannheim – S 12 R 797/16, 15.02.2017
Landessozialgericht Baden-Württemberg – L 13 R 1216/17, 17.09.2019
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Terminbericht
Der Senat hat die Revisionen der Kläger zurückgewiesen. Sie unterlagen nach den allgemeinen für Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH geltenden Maßstäben aufgrund abhängiger Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Jeder verfügte als Minderheitsgesellschafter mit einem Geschäftsanteil von ursprünglich 20 vH, später 25 vH nicht über die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht, die Geschicke der Rechtsanwaltsgesellschaft zu bestimmen. Die Geschäftsführerverträge enthalten zudem typische Regelungen für eine abhängige Beschäftigung.
Die allgemeinen Maßstäbe gelten auch für die Tätigkeit von Rechtsanwälten als Gesellschafter-Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft. Denn die Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) gewährleisten lediglich die fachliche Unabhängigkeit der Rechtsanwälte in ihrer anwaltlichen Tätigkeit. Aufgrund ihrer Position als Geschäftsführer können sie dennoch in funktionsgerechter, dienender Teilhabe am Arbeitsprozess in das Unternehmen eingegliedert sein und im Rahmen der Unternehmenspolitik Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegen. Die ausdrückliche Regelung über die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Rechtsanwälte und das Verbot von Einflussnahmen durch Weisungen nach § 59f Abs 4 BRAO schließen eine Eingliederung und Weisungsunterworfenheit als Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft nicht kategorisch aus. Bereits der Gesetzeswortlaut bezieht die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte auf die „Ausübung ihres Rechtsanwaltsberufs“, nicht aber auf ihre Stellung als Geschäftsführer. Nach den Gesetzesmaterialien bedeutet die Regelung nicht, dass Weisungen schlechthin unzulässig wären. Vielmehr kann es danach in Rechtsanwaltsgesellschaften, ebenso wie bei anderen beruflichen Zusammenschlüssen – etwa in einer Partnerschaft oder BGB-Gesellschaft – durchaus vorkommen, dass die Berufskollegen für die Berufsausübung Vorgaben machen. § 59f Abs 4 BRAO soll wegen des in § 37 GmbHG geregelten Weisungsrechts der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern lediglich klarstellen, dass auch die in der Anwaltsgesellschaft als Geschäftsführer oder in vergleichbarer Funktion tätigen Rechtsanwälte berufliche Unabhängigkeit genießen. § 59f Abs 4 BRAO versetzt aber keinen der Kläger in die Lage, über das unternehmerische Geschick der Beigeladenen jeweils allein wie ein Unternehmensinhaber zu entscheiden.
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