BStBK, Schreiben vom 13.1.2023 – EC2 – 50203/002#4
In obigem Schreiben heißt es:
[…] Die BStBK begrüßt grundsätzlich die dem Richtlinienvorschlag zugrunde liegende Idee, die strafrechtlichen und bußgeldrechtlichen Folgen bei Verstößen gegen restriktive Maßnahmen der Union zu harmonisieren und gewisse, unionsweit gültige Mindeststandards zu schaffen.
Die geplanten Änderungen und Erweiterungen des Strafrechts müssen jedoch im Einklang mit den berufsrechtlichen Regelungen betroffener Berufsträger stehen. Soweit Art. 3 Straftatbestände im Zusammenhang mit der Rechts- und Steuerberatung begründet und zugunsten des Berufsgeheimnisses nur eine Ausnahme für die Rechtsberatung und die Angehörigen der Rechtsberufe schafft, stehen die geplanten Regelungen im Widerspruch zum Berufsrecht der deutschen Steuerberater.
Zudem gilt es auch grundsätzlich, die teilweise sehr unterschiedlich ausgestalteten Strafrechtssysteme der einzelnen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Soweit der Richtlinienvorschlag in Art. 6 und Art. 7 eine strafrechtliche Sanktionierung von juristischen Personen vorsieht, ist dies mit dem deutschen Strafrecht nicht vereinbar. Nach dem deutschen Strafrecht können strafrechtlich nur natürliche Personen zur Verantwortung gezogen werden. Eine Sanktionierung von juristischen Personen sieht hingegen nur das deutsche Ordnungswidrigkeitsrecht vor. Aus der Sicht der BStBK wäre daher eine nationale Öffnungsklausel in der Richtlinie unbedingt erforderlich.
Nähere Einzelheiten entnehmen Sie bitte der beigefügten Stellungnahme. Anlage […]
Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer zum Vorschlag einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union (COM(2022) 684 final) Abt. Recht und Berufsrecht
zu Art. 3 – Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union
In Art. 3 des Richtlinienvorschlags werden die Tatbestände beschrieben, die als Straftaten im Sinne der Richtlinie gelten sollen. Dabei enthält Abs. 2 einen umfangreichen Katalog von Handlungen und Dienstleistungen, die als Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union gewertet werden. Unter Buchstabe g) werden unter anderem auch die Rechtsberatung und die
Steuerberatung als sog. „andere Dienste“ hiervon erfasst. Hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes qualifiziert Abs. 3 nach Abs. 2 Buchstabe g) erfasste Handlungen auch dann als Straftat, wenn sie grob fahrlässig begangen werden. Dies wird im Richtlinienvorschlag damit begründet, dass insbesondere Fachleute aus den dort genannten Bereichen (darunter die Erbringung von Rechtsdienstleistungen) die gebotene Sorgfalt walten lassen sollten, um Verstöße gegen restriktive Maßnahmen der Union zu verhindern.
Steuerberater und Rechtsanwälte unterliegen in der Bundesrepublik Deutschland strengen berufsrechtlichen Verpflichtungen, die das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Berater und Mandant schützen. Hierzu zählt insbesondere die berufliche Verschwiegenheitsverpflichtung (§ 57 Abs. 1 StBerG, § 5 BOStB, § 43a Abs. 2 BRAO, § 2 BORA und § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB).
Diese soll sicherstellen, dass sich der Mandant seinem Berater vollständig anvertrauen kann und der Berater so eine umfassende steuerliche und rechtliche Bewertung sicherstellen kann.
Die Schutzwürdigkeit des Berufsgeheimnisses erkennt der Richtlinienverfasser auch grundsätzlich an und formuliert in Art. 3 Abs. 5 eine entsprechende Ausnahme für Angehörige von Rechtsberufen. In dieser wird klargestellt, dass das Verbot in Abs. 2 nicht so zu verstehen sein soll, dass der „Angehörige eines Rechtsberufs verpflichtet ist, Informationen zu melden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Gerichts-, Verwaltungs- und Schiedsverfahren vor, während oder nach einem Gerichtsverfahren oder im Rahmen der Beurteilung der Rechtslage eines Klienten erlangt wurden.“ Weiter heißt es in der Ausnahme des Abs. 5: „Die Rechtsberatung ist unter diesen Umständen durch das Berufsgeheimnis geschützt, es sei denn, der Angehörige der Rechtsberufe beteiligt sich am Verstoß […], die Rechtsberatung erfolgt zum Zwecke eines Verstoßes […] oder der Angehörige der Rechtsberufe weiß, dass der Klient Rechtsberatung für die Zwecke eines Verstoßes […] sucht.“
Aus Sicht der BStBK greift die in Art. 3 Abs. 5 geregelte Ausnahme zum Verbot nach Abs. 2 Buchstabe g) jedoch zu kurz. Der Richtliniengeber differenziert einerseits zwischen der Rechtsberatung und der Steuerberatung und richtigerweise sogar der (einfachen) Buchhaltung. Er erfasst jedoch andererseits in der Ausnahme in Abs. 5 offensichtlich nur die Rechtsberatung. Die Steuerberatung im Sinne des deutschen StBerG ist, obwohl sie eine qualifizierte Form der Rechtsberatung darstellt, offensichtlich von der Ausnahme nicht erfasst. Hieran ändert sich auch dadurch nichts, dass der Richtlinienverfasser personell bei der Ausnahmeregelung in Abs. 5 auf Angehörige der Rechtsberufe Bezug nimmt. Denn zu den Angehörigen der Rechtsberufe gehört bekanntlich nach dem unionsrechtlichen Begriffsverständnis zwar der Rechtsanwalt nicht jedoch der (deutsche) Steuerberater (vgl. https://e-justice.europa.eu/29/DE/types_of_legal_professions).
Im Ergebnis würde es somit zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung und Benachteiligung der (deutschen) Steuerberater kommen. Die sich durch die Richtlinie ergebende Erweiterung des Strafrechts würde zu folgendem Konflikt führen: Der (deutsche) Steuerberater verhält sich strafrechtlich relevant im Sinne der Richtlinie, wenn er seine berufsrechtlichen Pflichten erfüllt und die ihm demnach obliegende Verschwiegenheitsverpflichtung beachtet.
Verhält sich der (deutsche) Steuerberater hingegen richtlinienkonform und handelt entgegen der ihm obliegenden Verschwiegenheitspflicht, erfüllt er u. a. den Straftatbestand des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB.
Dieser Widerspruch muss unbedingt zugunsten des (deutschen) Steuerberaters aufgelöst werden. Hierzu wäre aus Sicht der BStBK erforderlich, dass die Ausnahmeregelung des Abs. 5 auch auf die Steuerberatung bzw. die (Steuer-)Rechtsberatung durch Angehörige steuerberatender Berufe erstreckt wird.
Zu Art. 6 – Verantwortlichkeit juristischer Personen und Art. 7 – Sanktionen gegen juristische Personen
Art. 6 des Richtlinienvorschlags sieht vor, dass auch juristische Personen für Straftaten im Sinne der Art. 3 und 4 zur strafrechtlichen Verantwortung herangezogen werden sollen, wenn diese zu ihren Gunsten begangen wurden, auch dann, wenn sie für mangelnde Überwachung und Kontrolle zur Rechenschaft gezogen werden können. Juristische Personen sollen dabei erforderlichenfalls neben natürlichen Personen zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden können.
Art. 7 des Richtlinienverstoßes legt fest, welche strafrechtlichen Sanktionen für die zur Verantwortung gezogenen juristischen Personen erhoben werden sollen. Dabei sieht diese Regelung u. a. auch Geldbußen und Geldstrafen für diese juristischen Personen vor.
Diese Regelung ist teilweise unvereinbar mit dem deutschen Recht. Nach dem geltenden deutschen Strafrecht kann sich eine juristische Person selbst nicht strafbar verhalten und somit auch strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Strafbar machen sich jeweils (nur) die handelnden bzw. verantwortlichen natürlichen Personen. Dies begründet sich insbesondere damit, dass juristische Personen nach dem deutschen (Straf-)Recht nicht selbst handlungs- und schuldfähig sein können. Eine Bestrafung setzt demnach grundsätzlich stets das Vorliegen von Schuld voraus (vgl. BVerfGE 9, 169; 20, 331; 45, 228; 90, 173; 120; 241; 123; 413, BGHSt 2, 200; 10, 259; Eisele in Schönke/Schröder, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff., Rdnr. 103, 104). Dieser Schuldgrundsatz hat nach Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG sogar Verfassungsrang (Appel, Verfassung und Strafe, S. 109 ff., Eisele in Schönke/Schröder, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff., Rdnr. 103, 104 m. w. N.). Die Notwendigkeit für die Existenz eines solchen Schuldgrundsatzes ergibt sich schon daraus, dass die Strafe keine wertindifferente Maßregel ist, sondern zugleich einen sozialethischen Tadel gegen den Täter enthält. Dieser Tadel ist aber nicht schon bei einem tatbestandsmäßig-rechtswidrigen Verhalten gerechtfertigt, sondern erst dann, wenn die persönliche Verantwortlichkeit des Täters für die rechtswidrige Tat, sein „Dafür-Können“, hinzukommt (vgl. z. B. BGH 2, 200; 18, 94; Eisele in Schönke/Schröder, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff., Rdnr. 103, 104 m. w. N.).
Bei einer juristischen Person, der es bereits an einem eigenen Bewusstsein dafür fehlt, gegen das Gesetz gehandelt zu haben, würde ein solcher Tadel grundsätzlich und somit auch eine strafrechtliche Sanktionierung ins Leere laufen.
Anders ist dies im deutschen Ordnungswidrigkeitsrecht. Dieses sieht eine entsprechende Verantwortlichkeit und Sanktionierung von juristischen Personen vor.
Eine uneingeschränkte Umsetzung des Richtlinienvorschlags würde dazu führen, dass ein dem deutschen Strafrecht fremdes und mit der geltenden strafrechtlichen und strafverfahrensrechtlichen Systematik unvereinbares Unternehmensstrafrecht eingeführt würde. Eine den Vorstellungen des Richtlinienverfassers entsprechende Sanktionierung von juristischen Personen und eine entsprechende Anpassung der bestehenden Bußgeldtatbestände das Ordnungswidrigkeitsrecht wäre aus Sicht der BStBK systematisch richtiger.
Aus Sicht der BStBK wäre es daher erforderlich und sinnvoll, dass in den Richtlinienvorschlag eine nationale Öffnungsklausel aufgenommen wird. Hierdurch würde es dem deutschen Gesetzgeber möglich, die vom Richtlinienvorschlag vorgesehene Sanktionierung von juristischen Personen im Rahmen des bestehenden Ordnungswidrigkeitsrechts umzusetzen.