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Document 52017IE4279

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Kontrolle der Anwendung des Unionsrechts“ (Prüfung durch den Europäischen Rechnungshof) (Initiativstellungnahme)

ABl. C 81 vom 2.3.2018, p. 81–87 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

2.3.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 81/81


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Kontrolle der Anwendung des Unionsrechts“

(Prüfung durch den Europäischen Rechnungshof)

(Initiativstellungnahme)

(2018/C 081/11)

Berichterstatter:

Bernd DITTMANN, Denis MEYNENT, Ronny LANNOO

Beschluss des Präsidiums

30.5.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Verabschiedung auf der Plenartagung

18.10.2017

Plenartagung Nr.

529

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

176/0/1

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) erinnert daran, dass für angemessene Rechtsvorschriften, die die Erreichung der Ziele von Artikel 3 EUV ermöglichen, der Grundsatz der ordnungsgemäßen und fristgerechten Umsetzung, des Subsidiaritätsprinzips und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das Vorsorgeprinzip sowie die Grundsätze der Vorhersehbarkeit, der „Vorfahrt für KMU“, der externen Dimension der Wettbewerbsfähigkeit und des Binnenmarkttests von wesentlicher Bedeutung sind.

1.2.

Ziel der EU-Rechtsvorschriften muss es stets sein, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, in dem Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger von den Vorteilen des Binnenmarkts profitieren können, und dabei unnötige Verwaltungslasten zu vermeiden. Der EWSA ist deshalb der Ansicht, dass die Kontrolle der Anwendung vor Ort von wesentlicher Bedeutung ist. Darüber hinaus spricht er sich für eine anpassungsfähige Rechtsetzung aus. Er stellt fest, dass nicht nur der Inhalt der Rechtsvorschriften, sondern auch das Rechtsetzungsverfahren selbst anpassungsfähig sein sollte, um den Bedürfnissen der Unternehmen und der Bürger gerecht werden zu können.

1.3.

Daher ist er der Auffassung, dass der Anwendbarkeit des Rechts der Europäischen Union bereits zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens, zum Zeitpunkt der Folgenabschätzungen Rechnung getragen werden muss, und dass das europäische „Ökosystem“ in diesem Bereich noch weiterentwickelt werden muss.

1.4.

Der EWSA betont jedoch, dass eine bessere Rechtsetzung kein Ersatz für politische Entscheidungen ist und unter keinen Umständen weder zu einer Deregulierung noch zu einer Verringerung des Sozialschutzes, des Umweltschutzes und der Grundrechte führen darf.

1.5.

Die Schwierigkeiten bei der Anwendung und Durchsetzung der Rechtsvorschriften der Europäischen Union resultieren größtenteils aus Mängeln bei der Umsetzung der Richtlinien. Generell befürwortet der EWSA in seinen Stellungnahmen überdies einen Rückgriff auf Verordnungen anstelle von Richtlinien.

1.6.

Der EWSA hält eine Verbesserung der Art und Weise, in der die Kommission die Interessenträger konsultiert, für überaus wichtig für die Ausarbeitung von Rechtsvorschriften, die von den Mitgliedstaaten und den Interessenträgern leicht umgesetzt werden können.

1.7.

In diesem Zusammenhang ist der EWSA der Ansicht, dass er eine nützliche Rolle als Mittler zwischen den Gesetzgebern und den Anwendern der EU-Gesetzgebung einnehmen kann. Der EWSA passt seine Arbeitsmethoden ständig an. So hat er vor Kurzem beschlossen, sich aktiv an der Bewertung des Gesetzgebungsverfahrens zu beteiligen, indem er seine eigenen Ex-post-Bewertungen des Besitzstands der Union durchführt.

2.   Einleitung

2.1.

Am 21. Dezember 2016 teilte Herr Pietro Russo, Mitglied des Europäischen Rechnungshofs, dem Vizepräsidenten des EWSA, Herrn Michael Smyth, im Wege eines Schreibens mit, dass Kontakte auf administrativer Ebene bezüglich einer vom Hof begonnenen Überblicksstudie zur Kontrolle der Anwendung des Rechts der EU durch die Europäische Kommission im Einklang mit ihren Verpflichtungen eingerichtet würden. Der Hof stützt sich mit der angeforderten Prüfung auf Artikel 17 Absatz 1 EUV, in dem es heißt: „Die Kommission fördert die allgemeinen Interessen der Union und ergreift geeignete Initiativen zu diesem Zweck. Sie sorgt für die Anwendung der Verträge sowie der von den Organen kraft der Verträge erlassenen Maßnahmen. Sie überwacht die Anwendung des Unionsrechts unter der Kontrolle des Gerichtshofs der Europäischen Union […]“.

2.2.

Am 3. Mai 2017 legte Herr Leo Brincat, Mitglied des Rechnungshofs, dem Generalsekretär des EWSA ein Dokument mit drei Reihen von Fragen vor.

2.3.

In Anbetracht der politischen Bedeutung des Dossiers hat der Generalsekretär des EWSA das Präsidium hiervon in Kenntnis gesetzt, das die Einrichtung einer aus drei Mitgliedern bestehenden Ad-hoc-Gruppe beschloss, die mit der Ausarbeitung einer Antwort in Form einer Initiativstellungnahme auf der Grundlage von Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung des EWSA betraut wurde. Der Hof ist auf den Beitrag des EWSA angewiesen, um ihn in seinen eigenen Bericht aufnehmen zu können, der für Mai 2018 vorgesehen ist.

2.4.

Im Wesentlichen möchte der Hof den EWSA zu der Frage anhören, ob die von der Kommission ergriffenen Maßnahmen zur Durchsetzung des EU-Rechts den Anliegen der Bürgerinnen und Bürgern der EU entsprechen. Der Hof möchte über die spezifischen Aspekte der Kontrolle der Anwendung der Rechtsvorschriften informiert werden, die die Aufmerksamkeit des EWSA in besonderer Weise auf sich ziehen.

3.   Die Fragen des Hofs

3.1.

Der Hof formuliert drei Bündel von Fragen, mit denen er den Standpunkt des EWSA im Hinblick auf folgende Punkte erfahren möchte:

a.

die wichtigsten Initiativen, die die Kommission im Hinblick auf eine bessere Umsetzung des EU-Rechts („Bessere Rechtsetzung“ und „EU-Recht: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung“) ergriffen hat, insbesondere die Angemessenheit der Initiativen, die Reaktionen der Zivilgesellschaft und die eventuellen ersten positiven Auswirkungen dieser Initiativen;

b.

die wichtigsten Themen im Zusammenhang mit einer besseren Anwendung des EU-Rechts, insbesondere zur Anwendbarkeit, Transparenz und Sensibilisierung der Öffentlichkeit in Bezug auf das EU-Recht;

c.

die zentralen Aufgaben der Kommission im Bereich der besseren Anwendung des EU-Rechts, insbesondere inwiefern der EWSA die Informationen und die von der Kommission erstellten Berichte (1) nutzt, sowie die Feststellungen und Vorschläge des EWSA zur Verbesserung der Berichterstattung über die Anwendung des EU-Rechts.

3.2.

Die Antworten in dieser Stellungnahme, mit der kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird, erfolgen auf der Grundlage der Standpunkte, die in zahlreichen Stellungnahmen des EWSA (2) formuliert wurden.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1.

Die Ziele der Europäischen Union sind in Artikel 3 EUV festgelegt. So wirkt sie insbesondere „auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hin. […] Sie fördert den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten“.

4.2.

In diesem Zusammenhang erinnert der EWSA an die Bedeutung der Grundsätze, die bereits festgelegt wurden, um angemessene Rechtsvorschriften zu erarbeiten, mit denen die vorstehend genannten Ziele erreicht werden sollen. Dazu gehören insbesondere die Grundsätze der korrekten und zeitlich nahen Umsetzung, das Subsidiaritätsprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das Vorsorgeprinzip, die Grundsätze der Vorhersehbarkeit und der „Vorfahrt für KMU“, die externe Dimension der Wettbewerbsfähigkeit und der Binnenmarkttest (3).

5.   Besondere Bemerkungen

5.1.

Zu den wichtigsten Initiativen der Kommission im Hinblick auf eine bessere Umsetzung des Unionsrechts („Bessere Rechtsetzung“ (4) und „EU-Recht: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung“ (5))

5.1.1.

Mit der Frage der „Besseren Rechtsetzung“ hat sich der EWSA bereits seit langem beschäftigt und ihr eine große Zahl von Stellungnahmen und Informationsberichten (6) sowie zahlreiche Debatten, Seminare, Studien und Anhörungen gewidmet (7).

5.1.2.

In Bezug auf die Anwendung der Grundsätze des Programms „Bessere Rechtsetzung“ ist der EWSA der Auffassung, dass die Rechtsvorschriften an sich kein Hindernis, sondern entscheidend für die Erreichung der im Vertrag festgelegten Ziele sind. Der EWSA begrüßt es daher, dass Vizepräsident Timmermans mehrfach darauf hingewiesen hat, dass das Programm REFIT weder zu einer Deregulierung noch zu einer Absenkung des Sozialschutzniveaus, des Umweltschutzes und der Grundrechte führen darf (8).

5.1.3.

Der EWSA ist der Auffassung, dass eine bessere und intelligente Rechtsetzung eine gemeinsame Aufgabe für alle Institutionen der EU und die Mitgliedstaaten zum Wohle von Bürgern, Unternehmen, Verbrauchern und Arbeitnehmern ist. Der EWSA unterstreicht jedoch, dass eine bessere Rechtsetzung kein Ersatz für politische Entscheidungen ist.

5.1.4.

So hat er in seiner Stellungnahme zu der Mitteilung mit dem Titel „Bessere Rechtsetzung“ (9)

begrüßt, dass sich die Maßnahmen der besseren Rechtsetzung über den gesamten Lebenszyklus eines Rechtsaktes erstrecken und damit gleichermaßen ex ante- als auch ex post-Maßnahmen in den Blick genommen werden;

eine Aufnahme der beratenden Einrichtungen der EU in die Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung gefordert;

die umfassende Einbeziehung von Interessenträgern durch Konsultationen während des gesamten Lebenszyklus einer politischen Maßnahme unterstützt;

die Notwendigkeit der Auswahl geeigneter Interessenträger betont und sich für Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Transparenz bei der Auswahl von Experten für die verschiedenen Gremien ausgesprochen;

mehr Transparenz bei der Durchführung informeller Triloge gefordert und für eine eingeschränkte Nutzung dieses Instruments plädiert;

eine stärkere Konzentration der Kommission auf die Defizite bei der Umsetzung und Durchführung von EU-Recht durch die Mitgliedstaaten angemahnt und die Nutzung von Verordnungen statt Richtlinien gefordert.

5.1.5.

Zum anderen hat der EWSA sich für einen Rechtsrahmen der EU eingesetzt, in dem die Vorteile des Binnenmarkts den Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern zugute kommen und dabei unnötige Verwaltungslasten vermieden werden, indem er die Einladung der Kommission zur Teilnahme an der REFIT-Plattform angenommen und Vorschläge zur Verbesserung der Funktionsweise dieser Plattform (10) formuliert hat.

5.1.6.

Im Rahmen seiner Teilnahme an der Reflexionsgruppe der Interessenträger der REFIT-Plattform hat der EWSA sich aktiv an der Erarbeitung mehrere Stellungnahmen der Plattform beteiligt, die in das jährliche Arbeitsprogramm der Kommission eingeflossen sind und auch weiterhin einfließen werden. Die Prioritäten des EWSA wurden auf Grundlage der von seinen Fachgruppen vorgelegten Elemente festgelegt und umfassten u. a. einen Vorschlag für eine Vereinfachung in Bezug auf Fragen der Überschneidung und der wiederholten Anforderungen, die sich aus verschiedenen Rechtsakten der Union ergeben, sowie einen Verweis auf die Notwendigkeit, klare und umfassende europäische Normen für Bauprodukte (Verordnung über Bauprodukte) festzulegen. Der EWSA hat auch dazu beigetragen, eine vollständige Liste von Empfehlungen für die Art der Verbesserung der Mechanismen für die Konsultation der Interessenträger durch die Europäische Kommission zu erstellen, die zur laufenden Überarbeitung der Leitlinien und des Instrumentariums für eine bessere Rechtsetzung beitragen wird.

5.2.

Zu den wichtigsten Themen im Zusammenhang mit einer besseren Anwendung des Unionsrechts (Anwendbarkeit der Rechtsvorschriften, Transparenz und Sensibilisierung der Öffentlichkeit)

5.2.1.   Anwendbarkeit

5.2.1.1.

Der EWSA passt seine Arbeitsmethoden im Hinblick auf die Bewertung der Qualität der Anwendung des Rechts der EU laufend an. Vor nicht einmal zwei Jahren hat er beschlossen, sich aktiv an der Bewertung des Gesetzgebungsverfahrens zu beteiligen, indem er seine eigenen Ex-post-Bewertungen des Besitzstands der Union durchführt.

5.2.1.2.

Der EWSA (11) ist der Auffassung, dass der Anwendbarkeit des Rechts der EU bereits zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens, zum Zeitpunkt der Folgenabschätzungen Rechnung getragen werden muss. Trotz der bereits erzielten Fortschritte muss das europäische Ökosystem für die Folgenabschätzungen (FA) weiterentwickelt werden. Der EWSA schlägt einige Verbesserungsmöglichkeiten zur Steigerung der Qualität der FA vor, u. a. eine Leistungsbeschreibung für Studien im Zusammenhang mit Folgenabschätzungen, die transparent, zugänglich und pluralistisch ist, eine Erweiterung des Europäischen Registers der FA, die Notwendigkeit eines Qualitätskonzepts und einer einheitlichen methodischen Vorgehensweise auf der Ebene der Untersuchungsmatrix der FA zwischen den verschiedenen europäischen Institutionen. Der EWSA sollte auch in Zukunft bestimmte Folgenabschätzungen (die Themen betreffen, zu denen er gut aufgestellt ist) analysieren, die methodischen Aspekte überprüfen und zur Frage der etwaigen Berücksichtigung der wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen oder territorialen Dimension in der Phase Stellung nehmen, in der das Gesetzgebungsverfahren am weitesten fortgeschritten ist. Dies würde auch die Erarbeitung der Stellungnahmen zu den Legislativvorhaben erleichtern, mit denen der EWSA befasst wird und denen die entsprechenden Folgenabschätzungen gelten.

5.2.1.3.

Ziel der EU-Rechtsvorschriften muss es nach Ansicht des EWSA (12) stets sein, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, in dem Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger von den Vorteilen des Binnenmarkts profitieren können, und dabei unnötige Verwaltungslasten zu vermeiden. Der EWSA ist deshalb der Ansicht, dass die Kontrolle der Anwendung vor Ort von wesentlicher Bedeutung ist. Darüber hinaus spricht er sich für eine anpassungsfähige Rechtsetzung aus.

5.2.1.4.

Die Rechtsetzung der EU muss im Hinblick auf ihre Zielsetzung solide sein, stets im Einklang mit den in den Verträgen festgelegten Zielen stehen und im Hinblick auf ihre Umsetzung in nationales Recht flexibel sein (13). Der EWSA spricht sich in diesem Zusammenhang für eine Klarstellung des Subsidiaritätsprinzips und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aus.

5.2.1.5.

Der EWSA stellt im Übrigen fest, dass nicht nur der Inhalt der Rechtsvorschriften, sondern auch das Rechtsetzungsverfahren an sich zukunftsfähig sein sollte, um den Bedürfnissen der Unternehmen und der Bürger gerecht zu werden (14). In diesem Zusammenhang fordert der EWSA (15):

a.

eine striktere Anwendung der Grundsätze der besseren Rechtsetzung;

b.

Transparenz in allen Phasen der Gestaltung und Erarbeitung der Rechtsvorschriften;

c.

die Entwicklung eines Systems der planmäßigeren Begleitung der Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht;

d.

die Berücksichtigung der Rolle und der größeren Befugnisse, die der Vertrag den nationalen Parlamenten zuweist;

e.

einen häufigeren Rückgriff durch die Kommission auf Mitteilungen zur Auslegung der Rechtsvorschriften;

f.

größere Anstrengungen zur Vereinfachung und Kodifizierung der Rechtsvorschriften.

5.2.1.6.

Das Problem der fehlerhaften Anwendung und unzureichenden Durchsetzung des Unionsrechts resultiert größtenteils aus Mängeln bei der Umsetzung der Richtlinien. Generell befürwortet der EWSA in seinen Stellungnahmen überdies einen Rückgriff auf Verordnungen anstelle von Richtlinien (16).

5.2.1.7.

So hat die Kommission im Rahmen von REFIT angekündigt, dass im Zusammenhang mit Evaluierungen, Eignungstests sowie bei der Ausarbeitung delegierter Rechtsakte und von Umsetzungsmaßnahmen Konsultationen stattfinden würden. In diesem Zusammenhang sollte die Kommission auch die Stellungnahmen des Ausschusses für Regulierungskontrolle (ERC) der Europäischen Kommission besser berücksichtigen, der nunmehr auch für Ex-post-Bewertungen zuständig ist.

5.2.1.8.

Der EWSA hält eine Verbesserung der Art und Weise, in der die Kommission die Interessenträger konsultiert, für überaus wichtig für die Ausarbeitung von Rechtsvorschriften, die von den Mitgliedstaaten und den Interessenträgern leicht umgesetzt werden können. In diesem Zusammenhang hat er diesbezüglich bereits Vorschläge zur strukturellen Verbesserung des Konsultationsverfahrens und der entsprechenden Weiterverfolgung formuliert (17).

5.2.1.9.

Der EWSA hatte bedauert, dass durch die Maßnahmen des Programms „Bessere Rechtsetzung“ die Rolle, Funktion und Repräsentativität des EWSA nicht ausreichend berücksichtigt werden, wie diese in den Verträgen festgelegt sind, und dass somit die Möglichkeit ungenutzt bleibt, auf den Sachverstand und das Fachwissen seiner Mitglieder zurückzugreifen und die Aufgaben des EWSA angemessen zum Tragen kommen zu lassen. Leider spiegelt die Tatsache, dass der EWSA an der REFIT-Plattform (Ex-post-Phase) teilnimmt, seine Aufgaben und Verantwortlichkeiten für die Stärkung der demokratischen Legitimität der Institutionen und die Erhöhung ihrer Wirksamkeit nicht hinreichend wider (18).

5.2.1.10.

Der EWSA ist der Ansicht, dass es bei der Anwendung des Besitzstands der EU oft an politischem Willen der nationalen Behörden mangelt, Vorschriften einzuhalten oder durchzusetzen, die als „Fremdkörper“ in ihrem Regelwerk und ihrer nationalen Tradition betrachtet werden, und dass es eine anhaltende Tendenz gibt, die Vorschriften der Union durch neue, unnötige Rechtsmechanismen zu ergänzen oder sich nur bestimmte Teile der europäischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung auszuwählen und andere Teile zu vernachlässigen (19).

5.2.1.11.

Schließlich ist der EWSA der Auffassung, dass das „EU-Pilot“-System (ein informeller Dialog zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten über Verstöße gegen das EU-Recht, bevor ein formelles Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wird) ein weiterer Schritt in die richtige Richtung ist, dass seine Funktionsfähigkeit aber noch bewertet werden muss. Darüber hinaus darf dieses System nicht als Ersatz für Vertragsverletzungsverfahren genutzt werden.

5.2.2.   Transparenz

5.2.2.1.

Der EWSA (20) ist überzeugt, dass jede Rechtsvorschrift das Ergebnis öffentlicher politischer Beratungen sein muss. Er ist der Auffassung, dass der europäische Rechtsetzungsprozess im Rahmen des Vertrags von Lissabon und ggf. im Rahmen eines neuen Vertrags überarbeitet werden sollte, damit die politischen Maßnahmen der EU bessere Ergebnisse zeitigen. Der EWSA möchte die Qualität, Legitimität, Transparenz und inklusive Art der Rechtsetzung hervorheben.

5.2.2.2.

Die Tagungen der Ratsformationen, in denen mit qualifizierter Mehrheit entschieden wird, sollten im Interesse der Transparenz und der Demokratie öffentlich sein. Der EWSA ist der Auffassung, dass das beschleunigte Rechtsetzungsverfahren im Rahmen des Trilogs nur in eilbedürftigen Fällen angewandt werden sollte, wie es im Übrigen auch im Vertrag steht (21).

5.2.2.3.

Im Gegensatz zu den Ausschüssen des Europäischen Parlaments sind die Sitzungen im Rahmen des Trilogs weder transparent noch zugänglich. Die Beschränkung des Gesetzgebungsverfahrens auf eine einzige Lesung kommt einer Einschränkung der Beteiligung der Zivilgesellschaft gleich (22).

5.2.2.4.

Das Europäische Parlament, aber auch die Einrichtungen der EU, wie der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss, müssen besser in den Zyklus des Europäischen Semesters eingebunden werden (23).

5.2.2.5.

Bei delegierten Rechtsakten sollte die Europäische Kommission bei ihrer Beschlussfassung mehr Transparenz an den Tag legen (s. Artikel 290 AEUV), wie der EWSA bereits mehrfach festgestellt hat (24).

5.2.2.6.

Dass immer neue Agenden und Programme auftauchen („Bessere Rechtsetzung“, „Intelligente Regulierung“, „Vorfahrt für KMU“ usw.), hat im Übrigen zu einer gewissen Verwirrung geführt. Die Hierarchie dieser Programme und Projekte sowie ihre Verknüpfung sollten geklärt werden, damit die Öffentlichkeit verstehen kann, an wen sie sich wenden (25).

5.2.2.7.

Im Sinne der Transparenz und Legitimität hat der EWSA zudem gefordert (26), dass die Konsultationen der Kommission erfolgen, ohne an dem strukturierten zivilen Dialog (Artikel 11 Absatz 2 AEUV) oder den Konsultationen in einem ganz bestimmten Rahmen, wie die Anhörung der Sozialpartner im Rahmen des sozialen Dialogs (Artikel 154 AEUV) oder die Anhörung beratender Einrichtungen wie des EWSA (Artikel 304 AEUV) zu rühren.

5.2.3.   Sensibilisierung der Öffentlichkeit

5.2.3.1.

Es gilt, die Öffentlichkeitsarbeit zu verstärken und zu verbessern. Kommunikation weckt Interesse und letztlich Verständnis. Das so genannte neue Narrativ für Europa sollte mit einer gemeinsamen Kommunikations- und Vereinfachungsstrategie der Kommission und der Mitgliedstaaten beginnen. In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, noch einmal darauf hinzuweisen, dass der EWSA in seiner Stellungnahme zur Binnenmarktakte hervorgehoben hatte, dass die politischen Parteien, die Medien, die Bildungseinrichtungen und alle Interessenträger historische Verantwortung in Bezug auf die Fähigkeit der EU tragen, die Herausforderungen einer globalisierten Welt auf der Grundlage der Werte erfolgreich zu bewältigen, die unsere sozialen Marktwirtschaften bislang ausmachten (27).

5.2.3.2.

Die von der Kommission eingerichteten Netze zur Unterstützung sind noch nicht bekannt genug; dies gilt insbesondere für das SOLVIT-Netz, mit dem die Bürgerinnen und Bürgern und die Unternehmen der EU unterstützt werden sollen, wenn ihre Rechte von einer Verwaltung eines anderen Mitgliedstaats missachtet werden. Der EWSA begrüßt die Initiative der Kommission für eine bessere Förderung dieses Netzes.

5.2.3.3.

Eine Möglichkeit bestünde darin (28), dass die Kommission die Öffentlichkeit intensiver über diese Zuwiderhandlungen informiert, da es letztlich die Regierungen der Mitgliedstaaten sind, die die Rechtsvorschriften falsch, überhaupt nicht oder erst verspätet umsetzen. Sie sind diejenigen, die diese Rechtsvorschriften im Rat gebilligt haben. Und sie sind es auch, die für die allgemein unzulängliche Durchführung des EU-Besitzstands die Verantwortung tragen, die jährlich in den Berichten über die Anwendung des Gemeinschaftsrechts festgestellt wird. Die Kommission sollte zudem systematisch prüfen, welche Maßnahmen für eine grundlegende Änderung der derzeitigen Situation unverzichtbar sind, und frühere diesbezügliche Vorschläge des EWSA (29) berücksichtigen.

5.3.

Zu den zentralen Aufgaben der Kommission im Bereich der besseren Anwendung des Unionsrechts (Kontrolle der Anwendung des EU-Rechts (30) und dessen Einhaltung durch die Mitgliedstaaten)

5.3.1.

Die Frage der Kontrolle der Anwendung des Unionsrechts ist für den EWSA selbstverständlich von erheblicher Bedeutung, weshalb er diesbezüglich spezifische Stellungnahmen verabschiedet hat (31). Er befasste sich mit dieser Frage ferner auch in Stellungnahmen zu anderen Themen („Intelligente Regulierung“, „Bessere Rechtsetzung“, „REFIT“ usw.) und in Anhörungen und Seminaren zu diesem Thema (insbesondere im Rahmen seiner Binnenmarktbeobachtungsstelle).

5.3.2.

In diesem Zusammenhang hat der EWSA die Kommission des Öfteren aufgefordert, ihm ihren Jahresbericht zur Stellungnahme vorzulegen, um die Sicht der organisierten Zivilgesellschaft auf die Umsetzung der Rechtsvorschriften der EU zu berücksichtigen und somit die Anwendung des Rechts in der EU zu unterstützen (32).

5.3.3.

Der EWSA ist nämlich der Ansicht, dass er eine nützliche Rolle als Mittler zwischen den Gesetzgebern und den Anwendern der EU-Gesetzgebung einnehmen kann. So kann er z. B. einen spezifischen Beitrag zu dem Initiativbericht des Europäischen Parlaments über den Jahresbericht zu der Umsetzung der EU-Gesetzgebung durch die Mitgliedstaaten leisten, indem er auf die Hinzufügungen der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung hinweist (33).

5.3.4.

Darüber hinaus hat der EWSA (34) Maßnahmen zur Verbesserung der Umsetzung der Richtlinien vorgeschlagen, insbesondere:

Die Antizipierung der Wahl des Umsetzungsinstruments;

die Beschleunigung des Umsetzungsprozesses schon ab der Veröffentlichung der Richtlinie im Amtsblatt der Europäischen Union, indem die innerstaatliche Koordinierung einer Kontaktstelle übertragen wird, die eine zu diesem Zweck errichtete Datenbank führt;

der Umsetzung durch Abschrift den Vorzug zu geben, wenn es sich um präzise „unbedingte Bestimmungen“ oder um Begriffsbestimmungen handelt;

die durch gezielte Verweisung auf die „verfügenden/unbedingten Bestimmungen“ der Richtlinie erfolgende Umsetzung zuzulassen; dies sind z. B. Verzeichnisse, Tabellen mit unter die Richtlinie fallenden Produkten, Stoffen und Gegenständen, im Anhang enthaltene Musterformulare und Bescheinigungen;

die Anpassung der nationalen Umsetzungsverfahren je nach Tragweite der Richtlinie durch den Rückgriff auf beschleunigte Verfahren, ohne jedoch die mit der Verabschiedung von Regelungstexten zwingend einhergehenden innerstaatlichen Konsultationen zu vernachlässigen.

5.3.5.

Ebenso ist der EWSA der Ansicht, dass eine angemessene Beobachtung der EU-Angelegenheiten in den Mitgliedstaaten für die Kommission ebenfalls von großem Nutzen wäre und die Qualität ihrer Arbeit verbessern könnte (35).

Brüssel, den 18. Oktober 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Siehe den Bericht der Kommission über die Kontrolle der Anwendung des EU-Rechts, Jahresbericht 2015 [COM(2016) 463 final].

(2)  ABl. C 132 vom 3.5.2011, S. 47, ABl. C 18 vom 19.1.2011, S. 100, ABl. C 277 vom 17.11.2009, S. 6, ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 87, ABl. C 24 vom 31.1.2006, S. 52, ABl. C 325 vom 30.12.2006, S. 3, ABl. C 43 vom 15.2.2012, S. 14, ABl. C 230 vom 14.7.2015, S. 66, ABl. C 383 vom 17.11.2015, S. 57, ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 192, ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 45, ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 51.

(3)  ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 51, Ziffer 2.14.

(4)  COM(2016) 615 final.

(5)  ABl. C 18 vom 19.1.2017, S. 10.

(6)  Siehe z. B. die Stellungnahmen „Bessere Rechtsetzung“ (Berichterstatter: Bernd Dittmann, ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 192), „Bewertung der Konsultation der Interessenträger durch die Europäische Kommission“ (Berichterstatter: Ronny Lannoo, ABl. C 383 vom 17.11.2015, S. 57), „REFIT-Programm“ (Berichterstatter: Denis Meynent, ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 45), „Bessere Rechtsetzung: Durchführungsrechtsakte und delegierte Rechtsakte“ (nicht im Amtsblatt veröffentlichter Informationsbericht, Berichterstatter: Jorge Pegado Liz).

(7)  Um nur einige Beispiele zu nennen: Europäischer Verbrauchertag 2016 zum Thema „Bessere Rechtsetzung für die Verbraucher“, die Debatte mit Vizepräsident Frans Timmermans auf der Plenartagung vom 18. März 2017, die Studie „Umsetzung der besseren Rechtsetzung — Auswirkungen des Stoiber-Berichts“, oder auch der Tag der Zivilgesellschaft 2015 unter dem Motto „Der Bürgerdialog: ein Instrument zur besseren Rechtsetzung im allgemeinen Interesse“.

(8)  ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 45 (Ziffer 2.2).

(9)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 192.

(10)  ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 45 (Ziffer 2.12.1).

(11)  ABl. C 434 vom 15.12.2017, S. 11, Ziffer 4.6.1.

(12)  ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 51, Ziffer 1.7.

(13)  Ebda., Ziffer 1.11.

(14)  Ebda., Ziffer 2.7.

(15)  ABl. C 248 vom 25.8.2011, S. 87 (Ziffer 3.6).

(16)  ABl. C 204 vom 9.8.2008, S. 9 (Ziffer 2.1).

(17)  ABl. C 383 vom 17.11.2015, S. 57.

(18)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 192 (Ziffer 2.6).

(19)  ABl. C 18 vom 19.1.2011, S. 100 (Ziffer 3.5).

(20)  ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 51, Ziffern 1.9 und 2.6.

(21)  Ebda., Ziffer 3.11.

(22)  Ebda., Ziffer 3.15.

(23)  Ebda., Ziffer 3.16.

(24)  Ebda., Ziffer 3.17.

(25)  ABl. C 230 vom 14.7.2015, S. 66 (Ziffer 5.2).

(26)  ABl. C 383 vom 17.11.2015, S. 57 (Ziffer 2.1.2).

(27)  ABl. C 132 vom 3.5.2011, S. 47 (Ziffer 1.7).

(28)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 192 (Ziffer 4.4.9).

(29)  ABl. C 230 vom 14.7.2015, S. 66.

(30)  COM(2016) 463 final.

(31)  ABl. C 204 vom 9.8.2008, S. 9 und ABl. C 347 vom 18.12.2010, S. 62.

(32)  ABl. C 347 vom 18.12.2010, S. 62 (Ziffer 1.10).

(33)  ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 45 (Ziffer 3.2.4).

(34)  ABl. C 204 vom 9.8.2008, S. 9 (Ziffer 5).

(35)  ABl. C 325 vom 30.12.2006, S. 3 (Ziffer 6.1.13).


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