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Document 52016AE0030

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Schritte zu einem modernen, europäischeren Urheberrecht [COM(2015) 626 final]

ABl. C 264 vom 20.7.2016, p. 51–56 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

20.7.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 264/51


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Schritte zu einem modernen, europäischeren Urheberrecht

[COM(2015) 626 final]

(2016/C 264/06)

Berichterstatter:

Denis MEYNENT

Die Europäische Kommission beschloss am 22. Dezember 2015, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Schritte zu einem modernen, europäischeren Urheberrecht

[COM(2015) 626 final].

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 13. April 2016 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 516. Plenartagung am 27./28. April 2016 (Sitzung vom 27. April) mit 216 gegen 3 Stimmen bei 10 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der EWSA bedauert, dass die Kommission in der vorliegenden Mitteilung keine konkreteren Vorschläge unterbreitet und lediglich Denkanstöße gibt, ohne Stellung zu nehmen, wodurch eine strukturierte Debatte erschwert wird.

1.2.

Das Urheberrecht bleibt ein wichtiges Instrument für den Schutz und die gerechte Vergütung der Autoren und derer, die an der Verbreitung von Werken und Darbietungen über miteinander verbundene digitale Netze beteiligt sind.

1.3.

Der EWSA ruft zu einer raschen Ratifizierung des Vertrags von Marrakesch auf; auch Ausnahmeregelungen in den Bereichen Bildung, wissenschaftliche Forschung und Wissensaustausch sollte Vorrang eingeräumt werden; darüber hinaus plädiert der Ausschuss für eine Digitalisierung verwaister Werke.

1.4.

Der EWSA hält eine europaweite Vereinheitlichung in Bezug auf Privatkopien für möglich und wünschenswert. Ein erheblicher Teil der Einnahmen aus der Abgabe für Privatkopien sollte logischerweise für die Finanzierung literarischen und künstlerischen Schaffens und der Förderung der kulturellen Vielfalt sowie beispielsweise für gemeinsame Bildungs- und Forschungsanstrengungen verwendet werden.

1.5.

Der EWSA empfiehlt, einen rechtlichen Rahmen abzustecken, der sowohl die Schaffung von urheberrechtlich geschützten Werken begünstigt als auch mit neuen Lizenzvergabe- und Geschäftsmodellen zum Aufbau des europäischen Binnenmarkts beiträgt, während die Vertragsfreiheit und das Recht der Autoren und Urheber, in vollem Umfang von ihrem künstlerischen Schaffen zu profitieren, gewahrt werden.

1.6.

Der EWSA erachtet die Verordnung als das für den Aufbau des digitalen Binnenmarkts am besten geeignete Instrument; außerdem sollte das geltende Recht konsolidiert werden.

1.7.

Der EWSA ruft die Kommission auf, Studien und eingehende Untersuchungen hinsichtlich der mit freien Lizenzen verbundenen Geschäftsmodelle, ihrer derzeitigen und potenziellen wirtschaftlichen Bedeutung, der durch sie in den verschiedenen Bereichen eventuell generierten Einkünfte und geschaffenen Arbeitsplätze sowie ihrer Förderung und Nutzung förderlicher Legislativvorschläge durchzuführen.

1.8.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die kulturelle Vielfalt Europas den Kern der europäischen Identität bildet und die Mitgliedstaaten diese Vielfalt untereinander fördern und stimulieren sollten.

1.9.

Bei der Bekämpfung von Verstößen gegen das Urheberrecht sollten vorrangig gewerbsmäßige Zuwiderhandlungen abgestellt und sanktioniert werden; hierfür sind die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen den Strafverfolgungs- und Justizbehörden der Mitgliedstaaten unerlässlich.

1.10.

Die Problematik des Vermögenstransfers online, von dem derzeit selbst ernannte Vermittler ohne die Zustimmung oder Vergütung der Urheber profitieren, sollte angegangen werden.

2.   Vorschläge der Kommission

2.1.

Der vorliegende Aktionsplan dient der Modernisierung des EU-Urheberrechts. Die Kommission legt in ihrer Mitteilung die zur Umsetzung ihrer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt wesentlichen Elemente dar: Verbesserung des europaweiten Zugangs zu Inhalten, Ausnahmen vom Urheberrecht, Schaffung eines gerechteren Markts und Bekämpfung der gewerbsmäßigen Piraterie bei gleichzeitiger Förderung einer langfristigen Vereinheitlichung des Urheberrechts.

2.2.

Die Mitteilung enthält unter anderem einen Vorschlag für eine Verordnung zur grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltediensten (1), die für die europäischen Verbraucher ein neues Recht bedeuten würde und 2017 Wirklichkeit werden dürfte, in demselben Jahr, in dem auch die Roaming-Gebühren in der Union abgeschafft werden.

3.   Einleitung

3.1.

Der digitale Datenaustausch zwischen den EU-Mitgliedstaaten ist sehr gering (4 % der Gesamtbewegungen); die meisten digitalen Dienste befinden sich in den USA, und der übrige Datenaustausch erfolgt innerhalb der Grenzen. Der europäische digitale Binnenmarkt ist derzeit noch sehr wenig entwickelt. Es gibt nach wie vor Hemmnisse, die insbesondere den kulturellen Austausch zwischen den in Europa zahlreichen beidseitig mehrerer Staatsgrenzen lebenden sprachlichen Minderheiten behindern.

3.2.

Der Präsident der Kommission hat in seinem Programm „Ein neuer Start für Europa“ (2) die Schaffung eines großen, vernetzten digitalen Binnenmarkts für alle EU-Mitgliedstaaten zur Priorität erklärt, und zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit.

3.3.

Das Urheberrecht bildet das gesetzliche Fundament für die Vergütung von Autoren, Urhebern, ausübenden Künstlern und anderen Rechteinhabern und ist auf globaler Ebene essenziell für das Zusammenspiel der kulturellen und kreativen Tätigkeiten und Branchen. Es handelt sich beim Urheberrecht um ein territoriales Recht, das sich von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheidet. Es gewährt den Rechteinhabern überall ausschließliche und wesentliche Rechte. Die Rechteinhaber erzielen nicht nur aus den Lizenzen Einkünfte, sondern auch aus der bloßen Eventualität, dass das Werk auf andere Datenträger kopiert oder vom Lizenzerwerber an Dritte weitergegeben werden könnte, ohne dass ein Nachweis darüber erbracht werden muss, dass eine solche Kopie tatsächlich angefertigt wurde (Abgabe für private Kopien und Besteuerung unbeschriebener Datenträger, die sich zur Anfertigung illegaler Kopien eignen); in einigen Mitgliedstaaten haben sogar einige gutgläubig vollzogene, rechtschaffene Handlungen der Nutzer strafrechtliche Relevanz, die in anderen Mitgliedstaaten zulässig sind.

3.4.

In allen Mitgliedstaaten umfasst das Urheberrecht nur minimale Ausnahmen und Beschränkungen. Das im Papierdruckzeitalter und für die damaligen Technologien — allen voran das Verlegen von Büchern, an zweiter Stelle die Veröffentlichung von Zeitungen und Zeitschriften — konzipierte Urheberrecht steht nicht mehr ganz im Gleichtakt mit der sich in einem ständigen Wandel befindlichen digitalen Gesellschaft und den verbundenen Hochgeschwindigkeitsnetzen und muss daher präzisiert werden. In anderen Bereichen wie den neuen Formen, auf Musik und audiovisuelle Werke zuzugreifen, ist die Wahrnehmung der Rechte komplexer geworden, was auf die uneinheitliche Gesetzeslage zurückzuführen ist, die durch die neue Richtlinie über die kollektive Urheberrechtewahrnehmung in Einklang gebracht werden sollte (3). Beim Übergang von Schallplatten zur DVDs änderte sich wenig, insbesondere im Bereich der Verbreitung oder dem Verleih von Werken. Durch die neuen Technologien hat sich das Modell grundlegend gewandelt, und fast alle Geschäfte, die Schallplatten, CDs und DVDs angeboten haben, sind verschwunden und haben neuen Formen des Online-Vertriebs oder -Verleihs Platz gemacht. Gleiches gilt für Kino und Fernsehen sowie alle Formen der Kunst, die online angeboten werden können.

3.5.

Da es beim geltenden Recht keine nennenswerte Entwicklung gab, kann das Potenzial, das sich aufgrund der Digitalisierung der Werke und immateriellen Schöpfungen sowie ihrer Verbreitung im sich rasch weiterentwickelnden und entfaltenden Internet bietet, nicht voll ausgeschöpft werden.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1.

Der EWSA bedauert, dass die Kommission in der vorliegenden Mitteilung keine konkreteren Vorschläge unterbreitet und lediglich Denkanstöße gibt, ohne Stellung zu nehmen, wodurch eine strukturierte Debatte erschwert wird.

4.2.

In seiner Stellungnahme vom 26. Oktober 2006 (4) fordert der EWSA die Kommission insbesondere auf, Vorschläge für die Förderung und den Schutz der freien Lizenzen und vor allem der „Lesser General Public License“ (LGPL) für die technische Dokumentation oder der „Creative Commons“-Lizenz für literarische und künstlerische Werke zu unterbreiten. Aber trotz der Bedeutung dieser Thematik — die überwiegende Mehrheit der Server und Serverfarmen auf der Welt nutzt freie Lizenzen wie Debian oder die GPL (General Public License) für GNU/Linux — ist festzustellen, dass die Kommission seitdem keinen entsprechenden Vorschlag unterbreitet hat.

4.3.

Dies schadet der Entwicklung des grenzüberschreitenden Daten- und Dienstleistungsverkehrs im europäischen Binnenmarkt. „Creative Commons“-Lizenzen und die Gemeinfreiheit sind neue universelle Bereiche, die durch die Digitalisierung und das Verbundnetz entstanden sind, während die Fragmentierung des Rechts ebenso viele Hindernisse wie Hemmnisse für den grenzüberschreitenden Austausch mit sich bringt.

4.4.

Das Recht muss die Freisetzung des enormen Potenzials des Internets zugunsten der Autoren und Urheber einerseits und der Nutzer andererseits ermöglichen, anstatt es einzuschränken und einzuengen. Die europäischen Rechtsvorschriften sollten es ermöglichen, möglichst viele Hürden, die einem grenzüberschreitenden Austausch im Hinblick auf die Minderheitensprachen der Europäischen Union im Weg stehen, zu beseitigen, um den Zugang zu Dienstleistungen und Werken zu erleichtern.

4.5.

Anstatt derartige Entwicklungen zu scheuen, sollten die Rechteinhaber eher die gebotenen Möglichkeiten nutzen. Frei bedeutet nicht automatisch kostenlos. Eine freie Software beispielsweise ermöglicht ein andersartiges Geschäftsmodell. Im Gegensatz zu bestimmten derzeit angewandten Praktiken, bei denen die Zahlungen an den Rechteinhaber und dessen rechtlicher Schutz begünstigt werden, basiert eine freie Software auf der Dienstleistung und schafft Arbeitsplätze.

4.6.

Der EWSA ruft die Kommission erneut auf, Studien und eingehende Untersuchungen zu den mit freien Lizenzen verbundenen Geschäftsmodellen, ihrer derzeitigen und potenziellen wirtschaftlichen Bedeutung, den durch sie in den verschiedenen Bereichen eventuell generierten Einkünften und geschaffenen Arbeitsplätze sowie ihrer Förderung und Nutzung förderlicher Legislativvorschläge durchzuführen.

4.7.

Ansätze wie die lizenzfreie Online-Bereitstellung von wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Berichten über durch öffentliche Subventionen mitfinanzierte Untersuchungen, Reihen von Hochschullehrgängen zum Ausgleich unverhältnismäßig hoher Studienkosten in einigen Staaten, wie z. B. sämtliche vom MIT angebotenen Kurse, verdienen große Aufmerksamkeit und müssen im Hinblick auf ihre mögliche Durchführbarkeit in der EU („massive open online courses“ — MOOC) untersucht werden. Vor diesem Hintergrund werden Hochschulbildung und Wissen zu Gemeingütern, die zur Verwirklichung der von uns in der EU angestrebten Wissensgesellschaft beitragen.

4.8.

Die Herstellungsmethoden ändern sich, und die über die Verbundnetze vertriebenen immateriellen Güter und Dienstleistungen eröffnen neue Möglichkeiten für die wirtschaftliche Entwicklung, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Gründung innovativer Unternehmen. Beim Konsumverhalten zeichnet sich ein Wandel ab, und diese neuen Gewohnheiten etablieren sich rasch, wobei man sich jedoch darüber im Klaren sein muss, dass es dennoch in Bezug auf die derzeitigen Anbieter immaterieller Dienstleistungen einen europäischen Binnenmarkt bislang nicht gibt. Dies liegt in erster Linie an den unterschiedlichen kulturellen Vorlieben und Gepflogenheiten in den Mitgliedstaaten, der von den Verbrauchern gesprochenen Sprache und auch dem uneinheitlichen Urheberrecht, das weder dem Ausbau des europäischen Marktes noch der Schaffung von Mehrgebietslizenzen oder gar europaweiten Lizenzen förderlich ist.

4.9.

Der EWSA empfiehlt, einen rechtlichen Rahmen abzustecken, der sowohl die Schaffung von urheberrechtlich geschützten Werken begünstigt als auch mit neuen Lizenzvergabe- und Geschäftsmodellen zum Aufbau des europäischen Binnenmarkts beiträgt, während die Vertragsfreiheit und das Recht der Autoren und Urheber, in vollem Umfang von ihrem künstlerischen Schaffen zu profitieren, gewahrt werden. Diese neuen Modelle können parallel zu den in den WIPO-Verträgen enthaltenen Modellen entwickelt werden. Diese Frage sollte untrennbarer Bestandteil der von der Kommission im Mai 2015 angekündigten Digitalen Agenda und des Plans zur Modernisierung des hier untersuchten Urheberrechts sein.

4.10.

Eine weitere Hürde stellen die Ausnahmeregelungen dar; der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, den Vertrag von Marrakesch so rasch wie möglich zu ratifizieren, mit dem eine Ausnahmeregelung für Blinde oder Menschen mit Sehbehinderungen geschaffen wird. Die EU hat diesen Vertrag unterzeichnet, doch müssen ihn die Mitgliedstaaten einzeln ratifizieren, damit er in Kraft treten kann. Der EWSA empfiehlt der Kommission, der Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 9. Juli 2015 zu folgen und die Mitgliedstaaten dazu anzuhalten, diesen wichtigen Vertrag möglichst zügig zu ratifizieren, dessen Verhandlungen angesichts der konservativen Haltung einiger Interessenträger sehr schwierig war. Der Ausschuss fordert außerdem den Europäischen Rat auf, alles zu tun, um den Ratifizierungsprozess zu beschleunigen.

4.11.

Außerdem sollten mehr für Blinde und Menschen mit Sehbehinderung zugängliche Werke geschaffen werden, da ihnen derzeit der Zugang zu mehr als 95 % der Bücher verwehrt bleibt.

4.12.

Angesichts der raschen Verbreitung von E-Readern und der großen Vielfalt an neuen Datenträgern sollten auch andere mit dem Zeitalter der Digitalisierung und der Vernetzung verbundene Ausnahmeregelungen erwogen werden, insbesondere hinsichtlich der öffentlichen Forschung, der Digitalisierung literarischer, gemeinfreier oder verwaister Werke durch Hochschulbibliotheken und öffentliche Bibliotheken und des Verleihs von E-Books und Ton- und Bildträgern. Gleichzeitig sei darauf hingewiesen, dass in einigen technologischen Industriezweigen der Versuch unternommen wird, Schutzrechte an bereits gemeinfreien Werken zurückzuerlangen, und der Zugriff darauf für Geschäftsstrategien beschränkt wird.

4.13.

Auch die geografische Gebietseinteilung ist ein Hindernis für die Verbreitung von Werken. Dies betrifft sämtliche potenzielle Nutzer, aber vor allem die in der EU so zahlreichen sprachlichen Minderheiten, die sich aufgrund der unterschiedlichen politischen und sprachlichen Unterteilung Europas und historisch als Folge der Kriege des 19. und 20. Jahrhunderts gebildet haben. Die Zunahme populistischer und nationalistischer Denkweisen verleiht der Lösung des Problems eine politische Dringlichkeit. Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen wurde weitgehend ratifiziert, doch wird beispielsweise der kulturelle Einfluss von Fernsehsendungen in Regionalsprachen durch die derzeit existierenden Hemmnisse stark eingeschränkt.

4.14.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die kulturelle Vielfalt Europas den Kern der europäischen Identität bildet und die Mitgliedstaaten diese Vielfalt untereinander fördern und stimulieren sollten.

4.15.

Nach Meinung des EWSA handelt es sich hierbei um vorrangige Themen, weshalb er die Kommission aufruft, seine Vorschläge zu berücksichtigen; diese entsprechen den internationalen Verträgen zum Urheberrecht und können neue Möglichkeiten für die Verwirklichung des digitalen Binnenmarkts in der EU eröffnen.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1.

Hinsichtlich der auf 16 Initiativen beruhenden im Mai 2015 veröffentlichten Strategie und der obigen allgemeinen Bemerkungen, in deren Rahmen eine neue, große Initiative zur Förderung der Gemeingüter, der Interoperabilität und der grenzüberschreitenden Beziehungen sowie die freien Lizenzen vorgeschlagen werden, werden in naher Zukunft erhebliche Veränderungen erforderlich sein. In seinen Stellungnahmen zu digitalen Vertragsrechten (INT/775) und zur Sharing Economy und Selbstregulierung (INT/779) erkennt der EWSA die Bedeutung an, die das Urheberrecht für eine ordnungsgemäße Festlegung der Rechte der an der Bereitstellung digitaler Verträge und an der Sharing Economy Beteiligten hat.

5.2.

Der EWSA nimmt mit Interesse den deutlichen Hinweis der Kommission zur Kenntnis, dass das EU-Urheberrecht so angepasst werden muss, dass alle Marktteilnehmer und die Bürgerinnen und Bürger die mit diesem neuen Medium verbundenen Chancen ergreifen können sowie dass ein „europäischerer“ Rechtsrahmen erforderlich ist, damit Fragmentierungen und Reibungsverluste im Interesse eines funktionierenden Binnenmarkts überwunden werden. Der EWSA befürwortet dieses Ziel, weist allerdings darauf hin, dass die Regierungen die Verteidigung der Territorialität als einziges Mittel zur Finanzierung der schöpferischen Tätigkeit ansehen. Es gibt noch weitere Möglichkeiten, die untersucht werden müssen, und es sollten nicht alle Türen geschlossen werden, bevor nicht zumindest objektiv die Alternativen geprüft werden können.

5.3.

Der Ausschuss ist überzeugt, dass Untätigkeit und die Ablehnung von Änderungen im Bereich des Urheberrechts sich nicht mit dem schnellen technologischen Wandel und den Innovationen Dienstleistungs- und Vertriebsbereich vertragen, die sich zwangsläufig im Zuge der Entwicklung des Internets und der Netze sowie der hohen Übertragungsraten herausbilden und entfalten. Er teilt die Auffassung der Kommission, die Folgendes erklärt: „Ferner muss das Urheberrecht gegebenenfalls neuen technologischen Realitäten angepasst werden, damit es weiterhin seinen Zweck erfüllen kann.“

5.4.

Im Hinblick auf die Ausnahmen, die eng mit Bildung, Forschung und Wissenszugang zusammenhängen, ist eine große Vielfalt festzustellen, die künftig noch wachsen kann. Dies kann vom bloßen Gebrauch über die beispielhafte Nutzung oder dem Gebrauch zur Veranschaulichung — wenn nicht im rechtlichen Sinne, so doch in der Praxis — bis hin zur uneingeschränkten Bereitstellung von Werken, Büchern oder Lehrinhalten im Unterricht reichen.

5.5.

Die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (5) über das Urheberrecht enthält eine Liste von Ausnahmen. Die Umsetzung und Entwicklung der Elemente dieser Liste sollte im Wege der partizipativen Demokratie debattiert werden, um die individuellen und kollektiven Meinungen weiterzuentwickeln und auf kohärente und einheitliche europäische Rechtsvorschriften in Bezug auf die Ausnahmeregelungen hinzuwirken, die im Sinne einer leichteren Anwendung genau formuliert und definiert werden müssen. Der EWSA teilt die Ansicht der Kommission, dass den Ausnahmen im Bereich Bildung, wissenschaftliche Forschung und Wissensaustausch Vorrang eingeräumt werden sollte; zugleich sollten zur Vorbereitung auf die Zukunft auch andere Gemeingüter untersucht werden.

5.6.

Der EWSA hält eine europaweite Vereinheitlichung in Bezug auf Privatkopien für möglich und wünschenswert. Er wird diesbezügliche Maßnahmen der Kommission unterstützen, die möglichst rasch handeln sollte, da die nationalen Unterschiede ein erhebliches Hemmnis für die Verwirklichung eines Binnenmarkts für Elektronikgüter darstellen, zumal neue Datenträger auf den Markt gekommen sind. Kohärenz ist eine unabdingbare Voraussetzung für den freien Verkehr von mit derartigen Datenträgern ausgestatteten Waren. Bei der Verteilung der Einnahmen aus den auf diese Datenträger erhobenen Steuern sollte berücksichtigt werden, dass die meisten dieser Datenträger ursprünglich nicht für die Anfertigung von Kopien urheberrechtlich geschützter Werke bestimmt waren; logischerweise sollte demnach ein wesentlicher Teil dieser Mittel für die Finanzierung der schöpferischen Tätigkeit und Förderung der kulturellen Vielfalt verwendet werden — wie es bereits in einigen Mitgliedstaaten der Fall ist — sowie für Gemeingüter beispielsweise im Bereich Bildung und Forschung.

5.7.

Der Ausschuss ist davon überzeugt, dass das Neutralitätsprinzip wesentlicher Bestandteil des Internets bleiben muss, um die absolute Gleichheit der Verbraucher ungeachtet ihrer Wirtschaftskraft zu gewährleisten. Die Neutralität des Internets ist eines der Grundprinzipien des Internets, wodurch gewährleistet wird, dass die Telekommunikationsbetreiber die Kommunikation unter ihren Nutzern unterschiedslos behandeln und weiterhin als bloße Informationsübermittler fungieren. Dieser Grundsatz ermöglicht es allen Nutzern, unabhängig von ihren finanziellen Mitteln in vollem Umfang auf dasselbe Netz zuzugreifen. In den europäischen Rechtsvorschriften sollte ausdrücklich auf diese Definition und die Wahrung dieser Neutralität hingewiesen werden.

5.8.

Bei der Bekämpfung von Verstößen gegen das Urheberrecht sollten gewerbsmäßige Zuwiderhandlungen abgestellt und sanktioniert werden, die die Urheber um einen Großteil ihres Einkommens bringen. Der Ausschuss hat sich bereits wiederholt zu den Problemen im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Warenfälschungen und jeglicher Art von Verstößen gegen das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte geäußert; er verweist daher auf frühere Stellungnahmen, die er nach wie vor für voll und ganz zutreffend hält (6).

5.9.

Das Urheberrecht bleibt ein wichtiges Instrument zum Schutz der Autoren selbst und auch derer, die an der Verbreitung von Werken und Darbietungen über miteinander verbundene digitale Netze beteiligt sind. Das Urheberrecht muss weiterentwickelt werden, um dem rasanten technologischen Wandel und den Innovationen im Bereich des Vertriebs und der Dienstleistungen Rechnung zu tragen. Diese Modernisierung muss in einem Rahmen erfolgen, der die Wahrung der Rechte der Autoren und der Künstler, eine gerechte Vergütung für ihre kreative Tätigkeit, ihre Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg der Werke und ein hohes Maß an Schutz und Finanzierungssicherheit für die Werke ermöglicht. Insbesondere muss der urheberrechtliche Status von Online-Plattformen überprüft werden. Obwohl sie heute den wichtigsten Zugang für Nutzer zu Online-Inhalten stellen, sehen sich Plattformdienste lediglich als technische Vermittler und lehnen daher die Vergütung der Urheber der Inhalte ab. Dies beeinträchtigt die Effizienz des Marktes, verzerrt den Wettbewerb und mindert den Wert von online verfügbaren kulturellen Inhalten.

5.10.

Wird das bestehende System nicht an die weltweite Wesenscharakteristik des Internets, die Hochgeschwindigkeitsnetze und die neuen Erwartungen der Verbraucher angepasst, könnte ein Recht geschwächt werden, das dem Fortschritt der geistigen Werke und ihrer Verbreitung förderlich ist. Allerdings müssen Ausnahmeregelungen akzeptiert werden, die durch die Rechte anderer Betroffener begründet sind, deren gesellschaftlichen Bedürfnisse sich noch weiterentwickeln, wie im Falle der Menschen mit Behinderung, Schüler und Studenten oder öffentlichen Bibliotheken. Weitere Veränderungen zur kontinuierlichen „Europäisierung“ des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte werden seitens der Mitgliedstaaten erforderlich sein, die die wichtigsten rechtlichen Hebel für einen künftigen Wandel in Händen halten.

5.11.

Der EWSA erachtet die Verordnung als das für den Aufbau des digitalen Binnenmarkts am besten geeignete Instrument, da die Vielfalt der nationalen Rechtsordnungen zweifellos das quasi alles lähmende Element darstellt, das in einem diskriminierungsfreien Dialog zwischen allen Beteiligten einschließlich der Vertreter freier Lizenzen für Software und Inhalte und der sich daraus ergebenden neuen Dienstleistungen und Geschäftsmodelle überwunden werden muss. Außerdem müssen die den Mehrgebietslizenzen im Wege stehenden Hemmnisse und die Möglichkeiten zu ihrer Überwindung eingehend analysiert werden.

5.12.

Die verschiedenen Interessen und Vorurteile im Bereich des Urheberrechts sind so stark ausgeprägt, dass auf Grundlage einer eingehenden Bewertung und den entsprechenden Maßnahmen vielleicht nur kleine Fortschritte möglich sein werden; dennoch muss alles darangesetzt werden, den Übergang zu einer Wissens- und Informationsgesellschaft zu bewerkstelligen, was der einzige Weg ist, die Stagnation und die Krise in Europa zu überwinden, die die Grundlagen der europäischen Idee bedrohen. Das Gemeinwohl sollte in einer dynamischen sozialen Marktwirtschaft über bestimmten Einzelinteressen stehen.

Brüssel, den 27. April 2016.

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  COM(2015) 627 final (siehe Seite 86 dieses Amtsblatts).

(2)  http://ec.europa.eu/priorities/sites/beta-political/files/pg_de.pdf

(3)  ABl. L 84 vom 20.3.2014, S. 72; ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 104.

(4)  ABl. C 324 vom 30.12.2006, S. 8.

(5)  ABl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10.

(6)  ABl. C 230 vom 14.7.2015, S. 72; ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 104; ABl. C 68 vom 6.3.2012, S. 28; ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 66; ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 62; ABl. C 18 vom 19.1.2011, S. 105; ABl. C 228 vom 22.9.2009, S. 52; ABl. C 306 vom 16.12.2009, S. 7; ABl. C 182 vom 4.8.2009, S. 36; ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 32; ABl. C 324 vom 30.12.2006, S. 8; ABl. C 324 vom 30.12.2006, S. 7; ABl. C 256 vom 27.10.2007, S. 3; ABl. C 32 vom 5.2.2004, S. 15.


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