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Document 52012AE2417

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: „Ein menschenwürdiges Leben für alle: Beseitigung der Armut und Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für die Welt“ — COM(2013) 92 final

ABl. C 271 vom 19.9.2013, p. 144–150 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

19.9.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 271/144


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: „Ein menschenwürdiges Leben für alle: Beseitigung der Armut und Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für die Welt“

COM(2013) 92 final

2013/C 271/28

Berichterstatterin: Evelyne PICHENOT

Die Europäische Kommission beschloss am 18. März 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein menschenwürdiges Leben für alle: Beseitigung der Armut und Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für die Welt

COM(2013) 92 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 25. April 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 490. Plenartagung am 22./23. Mai 2013 (Sitzung vom 23. Mai) mit 103 Stimmen bei 6 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Verschmelzung der beiden parallelen Prozesse MDG und SDD in einem Post-2015-Handlungsrahmen

1.1.1

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte verfügt die Menschheit über Wissen, Ressourcen und Verfahren, um die Armut in der Welt bis 2030 zu beseitigen. Darin liegt eine unermessliche Hoffnung für über eine Milliarde Menschen, die nach wie vor in extremer Armut gefangen sind. Zum ersten Mal werden auch die Staaten vor dem Zeithorizont 2050 in die Pflicht genommen, das als begrenzt erkannte natürliche Kapital der Erde besser zu verwalten, zu schützen und mit den künftigen Generationen zu teilen.

1.1.2

Im September 2013 beginnen im Rahmen der Vereinten Nationen Verhandlungen über universal gültige Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG), um langfristig Armutsbekämpfung, Nachhaltigkeit bei Produktion und Verbrauch und den Schutz der natürlichen Ressourcen miteinander zu vereinbaren. Dieser Prozess muss integrativ und konvergent angelegt sein, um eine Verschmelzung mit einer Anschlussvereinbarung nach dem Auslaufen der Millenniumsentwicklungsziele (MDG) nach 2015 zu ermöglichen. Die Vertreter der Zivilgesellschaft, internationale Institutionen und die UN-Mitgliedstaaten bringen sich bereits aktiv in die Vorbereitung und Begleitung dieses internationalen Verhandlungsprozesses ein. Seit Rio+20-Konferenz (1) nimmt der Ausschuss engagiert an der Debatte um die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Bewältigung dieser Herausforderungen Teil. Er wird die Entwicklung bis 2015 durch weitere Stellungnahmen (2) und Initiativen begleiten.

1.1.3

Der Ausschuss heißt die Entscheidung der Kommission gut, die europäische Debatte über die notwendige Verschmelzung der MDG und SDD und die Selbstverantwortung der Staaten durch die Vorlage der Mitteilung Ein menschenwürdiges Leben für alle: Beseitigung der Armut und Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für die Welt einzuleiten. Die MDG haben zwar anerkanntermaßen soziale Fortschritte ermöglicht, indes ist es noch zu früh, Umweltziele und auch für alle Länder annehmbare wirtschaftlicher Ziele zu formulieren. Nach Meinung des Ausschusses ist es wichtig, zunächst besser zu verstehen, wie die drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung ineinandergreifen, um dann gerechte, einfache und wirksame Lösungen zu entwickeln.

1.2   Empfehlungen für einen konvergenten und inklusiven Prozess

1.2.1

Die Mitteilung der Kommission ist nach Ansicht des Ausschusses ein Markstein in der Debatte in den Institutionen und den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Erarbeitung eines gemeinsamen Standpunkts der EU für die UN-Generalversammlung. Der Ausschuss begrüßt die Zusammenarbeit der GD Umwelt und der GD DEVCO (3) und den Beitrag des Europäischen Auswärtigen Dienstes zum Thema Sicherheit als Ausdruck der notwendigen Kohärenz bei der Erarbeitung dieser Mitteilung, wobei eine stärkere Einbeziehung der handelspolitischen Aspekte durchaus wünschenswert gewesen wäre. Insbesondere bejaht der Ausschuss die enge Abstimmung im Europäischen Rat und appelliert an ihn, anlässlich der Tagung des Rats für Auswärtige Angelegenheiten im Mai/Juni 2013 ein einziges Dokument übergeordneter Schlussfolgerungen vorzulegen.

1.2.2

Der Ausschuss betont, dass die Präferenz für einen einzigen übergeordneten Handlungsrahmen, dessen Ziele in jedem Mitgliedstaat umzusetzen sind, durch einen breiten Konsens innerhalb der EU getragen werden muss; erst dann kann er den Partnerländern in der internationalen Gemeinschaft vermittelt und insbesondere den ärmsten Ländern sowie den ca. 100 Ländern mit mittlerem Einkommen, darunter den Schwellenländern, die in den internationalen Verhandlungen nunmehr eine führende Rolle übernehmen, überzeugend als gleichberechtigte Partnerschaft angetragen werden. Angesichts der komplexen Verhandlungen sieht der Ausschuss den europäischen Standpunkt als Meilenstein in diesem diplomatischen Prozess, der die althergebrachte Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern hinter sich lässt.

1.2.3

Der Ausschuss appelliert an die EU, sich in internationalen Foren und über die Mitgliedstaaten im Rahmen der Vereinten Nationen für die Verknüpfung der MDG und SDG einzusetzen. Jedes Land muss unter Einbeziehung seiner Zivilgesellschaft eine inklusive nationale Entwicklungsstrategie aufstellen, die den jeweiligen Ausgangsbedingungen Rechnung trägt und somit die Erreichung gemeinsamer Nachhaltigkeitsziele ermöglicht. Damit müssen nach Ansicht des Ausschusses Verfahren zur Bewertung und Überwachung der Umsetzung der in einem globalen Register zu erfassenden nationalen Verpflichtungen und eine Verbesserung der statistischen Indikatoren über das BIP hinaus einhergehen.

1.2.4

Die EU verfügt über Werte, Konsenserfahrung und weitere Vorteile, die es ihr, sofern der notwendige politische Wille vorhanden ist, ermöglichen sollten, konsequent den Kurswechsel hin zu mehr Nachhaltigkeit zu vollziehen und ihre internationalen Partner mitzuziehen. Wie die in dem umfangreichen Anhang der Mitteilung aufgelisteten geplanten Maßnahmen verdeutlichen, ist die Europäische Union nach wie vor richtungweisend in Sachen Umweltpolitik, Wahrung der Menschenrechte, Transferleistungen für territorialen Zusammenhalt oder Umverteilung für soziale Sicherheit. Mit dem Anhang wird ein Rahmen für die Überwachung der Einhaltung der mit Rio+20 eingegangenen Verpflichtungen auf europäischer und internationaler Ebene abgesteckt.

1.2.5

Die SDD werden universal formuliert und müssen dann in europäischen Politiken und nationalen Reformprogrammen der Mitgliedstaaten aufgehen. Diese Sichtweise sollte in die Halbzeitbewertung der Strategie Europa 2020 im Einklang mit der Überwachung der Einhaltung der mit Rio+20 eingegangenen Verpflichtungen einfließen. Von der Ökologisierung des Europäischen Semesters sind neue Impulse zu erwarten (4). Nach Meinung des Ausschusses muss deshalb eine Verschmelzung der Strategie Europa 2020 und der Nachhaltigkeitsstrategie stattfinden und eine eng mit der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion verbundene soziale Union (5) angestrebt werden.

1.2.6

Die neuen Nachhaltigkeitsziele zeichnen sich dadurch aus, dass sie universal und für alle Länder gültig sein und den planetarischen Grenzen Rechnung tragen sollen. In Anbetracht der Endlichkeit von Böden, Süßwasser, Wäldern und vielen anderen natürlichen Ressourcen weltweit müssen die SDG auch auf eine effizientere Nutzung und gerechtere Teilung dieser Ressourcen abheben. Desgleichen müssen am Grundsatz der Gerechtigkeit ausgerichtete Zielsetzungen für die Senkung der Klimagasemissionen und die Verringerung anderer Formen der Verschmutzung aufgestellt werden. Dadurch wiederum sollte die längst vereinbarte globale Zielvorstellung eines Wandels hin zu mehr Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch quantifiziert und in einen Zeitrahmen gefasst werden. Wenn diese Umstellung auf eine nachhaltigere Wirtschaft nicht weltweit vollzogen wird, kann es sich letztendlich für Entwicklungsländer als unmöglich erweisen, Entwicklungsziele nach Art der MDG zu erreichen, da gegenwärtig Fortschritte bei diversen traditionellen Entwicklungszielen immer wieder durch die weltweit wachsenden Probleme der Ressourcenerschöpfung, des Klimawandels und anderer Formen von Umweltverschmutzung untergraben werden.

1.2.7

Die Probleme des Überkonsums, der Verschwendung und Erschöpfung der natürlichen Ressourcen sowie der Umweltverschmutzung gehen größtenteils auf das Konto der Industrie- und Schwellenländer. Sie sind also in besonderem Maße von den SDG betroffen, die auf mehr Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch abheben und in anspruchvolle und ehrgeizige Fortschrittsziele für die kommenden 15 Jahre gefasst werden sollten. Die Europäische Union, die sich auf diesem Gebiet stets aktiv engagiert hat, sollte vorpreschen und geeignete Nachhaltigkeitsziele für die entwickelte Welt aufstellen.

1.3   Empfehlungen für einen partizipativen Prozess unter Mitwirkung der Zivilgesellschaften

1.3.1

Der Ausschuss hebt hervor, dass aus all den genannten Stellungnahmen ein Kernbestand an Empfehlungen abgeleitet werden kann, die sich auf die Rolle der Zivilgesellschaft im Rahmen einer verantwortungsvollen Regierungsführung, die Unterstützung der Umstellung auf ein neues Wirtschaftsmodell, den Schutz der ärmsten und schwächsten Gruppen, die Begleitung der Arbeitnehmer während des Wandels sowie die Berücksichtigung von Klimaschutzmaßnahmen und die Grenzen der Ressourcen des Planeten erstrecken. Das Zusammenspiel zwischen einer autonomen und starken Zivilgesellschaft und einem Rechtssystem, das ihre Unabhängigkeit gewährleistet, ist dem Ausschuss zufolge die Voraussetzung für Demokratisierung und einen Rechtsstaat und trägt zu der notwendigen Stabilität für Investitionen und nachhaltiges Wachstum (6) bei.

1.3.2

Der Ausschuss fordert die Kommission und auch die Mitgliedstaaten auf, die Zivilgesellschaft während der gesamten Dauer des Prozesses, von der Entwicklung über die Durchführung bis zur Überprüfung, einzubeziehen, denn vor allem im SDG-Prozess wirkt die Zivilgesellschaft noch nicht ausreichend mit. 2013 und 2014 sollten hierzu nationale Debatten unter Einbeziehung aller Elemente der Zivilgesellschaft, u.a. im Rahmen der Wirtschafts- und Sozialräte und/oder der Nachhaltigkeitsräte, sowie Debatten mit der europäischen Zivilgesellschaft und der Zivilgesellschaft der Partnerländer beitragen. Diese Tätigkeiten sind auch im Hinblick auf das Europäische Jahr der Entwicklungszusammenarbeit 2015 relevant, um eine gemeinsame Vision einer künftigen Welt zu erarbeiten und den Bürgern die Sinnhaftigkeit des europäischen auswärtigen Handelns zu vermitteln (7). In Bezug auf dieses Europäische Jahr der Entwicklung fordert der Ausschuss die Kommission auf, genügend Ressourcen zu mobilisieren, eine aktive Mitwirkung der Zivilgesellschaft sicherzustellen, vor allem bei bestehenden Initiativen anzusetzen, die von den Partnern dieses Europäischen Jahres getragen werden, und Grundsatzdebatten über die in dieser Stellungnahme erörterten Themen zu fördern.

1.3.3

Die Zivilgesellschaften müssen sich gegenüber nationalen Entscheidungsträgern und internationalen Diplomaten für ein alternatives Wirtschaftsmodell einsetzen, bei dem das Niveau der Wirtschaftstätigkeiten von der menschlichen Entwicklung und dem Druck auf die Umwelt entkoppelt wird. Der Ausschuss empfiehlt, insbesondere während des Europäischen Jahres der Entwicklungszusammenarbeit 2015 Wissen und Lernerfahrungen mit den Zivilgesellschaften der Partnerländer und –regionen zu teilen; er verfügt diesbezüglich über umfangreiche Erfahrungen.

1.3.4

Er fordert die Organisationen der Zivilgesellschaft auf, sich in die internationalen Konsultationen, Länderkonsultationen und thematischen Konsultationen einzubringen und sich mit ihren Ergebnissen zu befassen; diesbezüglich ist die aktuelle, von UNDP und UNEP eingeleitete thematische Konsultation über ökologische Nachhaltigkeit unter www.worldwewant2015.org/sustainability von Interesse.

1.3.5

Der Ausschuss empfiehlt ferner, dass sich die Post-2015-Agenda systematischer auf Folgenabschätzungen, auf Überprüfungen insbesondere mithilfe der zivilgesellschaftlichen Organisationen stützt (bspw. bei den Themen Menschenrechte, Ökosysteme oder Arbeitsbedingungen). Auch der soziale Dialog, der für die Wahrung der Menschenrechte am Arbeitsplatz steht, ist ein wesentliches Instrument für die Durchführung, Überprüfung und Bewertung der MDG/SDG.

1.3.6

Der Zivilgesellschaft kommt eine wichtige Rolle bei der Planung, Überprüfung und Bewertung zu. Die europäische Zivilgesellschaft muss sich die erforderlichen Informationen aneignen, um die innere Kohärenz der europäischen entwicklungspolitischen Maßnahmen überwachen zu können, die im Vertrag von Lissabon festgeschrieben ist. Der Ausschuss empfiehlt, die Zivilgesellschaft an der Auswahl der das BIP ergänzenden Indikatoren, an der Bekämpfung der Korruption, an Friedensverhandlungen sowie an der Ausarbeitung nationaler Strategiepläne zu beteiligen und praxisorientierte soziale Innovationen zu fördern.

1.3.7

Um den europäischen Führungsanspruch bei der Umstellung auf ein anderes Wirtschaftsmodell zu festigen, empfiehlt der Ausschuss die Einrichtung eines Multistakeholder-Beratungsforums  (8) zur Förderung von Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch in der EU. In jedem Bereich müssen die einzelnen Etappen eines vereinbarten Wandels abgesteckt werden, der durch Begleitmaßnahmen für die betroffenen Branchen, Unternehmen, Regionen und Arbeitnehmer abgefedert wird.

1.3.8

Bei der Umsetzung dieser künftigen Agenda sollte dem Ausschuss zufolge ein Ansatz gewählt werden, der auf der Stärkung der Partnerschaften zwischen Akteuren, bspw. hinsichtlich der Gleichstellung von Frauen und Männern, aufbaut. Zusammenarbeitsformate auf der Grundlage freiwilliger Vereinbarungen/Partnerschaften zwischen Akteuren über Ziele, die alle Ebenen in die Pflicht nehmen, könnten angeregt werden. Ein Beispiel wären in Zusammenarbeit von Akteuren des öffentlichen und privaten Bereichs und Verbänden entwickelte Initiativen zur gemeinsamen Verwirklichung spezifischer Ziele in einem städtischen oder regionalen Umfeld. Diese Art innovativer Verfahrensweisen ist unverzichtbar, um Armut in ihren verschiedenen Dimensionen zu erfassen. Solche vertraglichen Vereinbarungen könnten auch im Rahmen von Süd-Süd-Kooperationen mit finanzieller Unterstützung des Nordens getroffen werden.

1.4   Empfehlungen zu den Perspektiven einer Post-2015-Agenda

1.4.1

Die Post-2015-Agenda steht für einen Paradigmenwechsel weg von Entwicklungshilfe und internationaler Zusammenarbeit. Sie muss als Prozess angelegt werden, der alle Länder in den Kurswechsel hin zu einer inklusiven, grünen und emissionsarmen Wirtschaft einbindet. Der Ausschuss stimmt der in der Mitteilung getroffenen Aussage zu: „Weitere Fortschritte hin zur Schaffung einer inklusiven grünen Wirtschaft durch Förderung nachhaltiger Verbrauchs- und Produktionsmuster und erhöhte Ressourceneffizienz, einschließlich insbesondere emissionsarmer Energiesysteme, sind daher unabdingbar.“

1.4.2

Kohärenz zwischen Finanz-, Wirtschafts- und Migrationspolitik: Neben wirtschaftlichen Erwägungen sind kohärente Maßnahmen in anderen Bereichen unverzichtbar, um den Wandel hin zu einer nachhaltigen Entwicklung zu bewerkstelligen: eine CO2-Steuer und weitere Klimaschutzanreize, die Förderung von befristeter oder zirkulärer Migration aus armen Ländern, strenge Kontrolle von Waffenausfuhren in Entwicklungsländer und eine Regulierung des Finanzsektors zur Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung.

1.4.3

Nachhaltigkeitsziele bewegen sich im Spannungsfeld zwischen der individuellen und kollektiven Entwicklung einerseits und dem ökologischen Gleichgewicht andererseits. Um dieses Spannungsfeld aufzulösen und die drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung ins Gleichgewicht zu bringen, muss eine Weltinnenpolitik einer internationalen Gemeinschaft aus souveränen Staaten für die Erhaltung der globalen Allmende sorgen. Darin liegt die große Herausforderung der künftigen Agenda.

1.4.4

Die globalen öffentlichen Güter als ein wesentlicher Themenschwerpunkt bei der Post-2015-Agendasetzung erfordern eine engere Abstimmung zwischen den internationalen Institutionen und globalen Politiken. Die EU muss dabei eine ihr gebührende Rolle einnehmen. Der Ausschuss hat in diversen Stellungnahmen Lösungen für die Berücksichtigung der globalen öffentlichen Güter skizziert, insbesondere Ernährungssicherheit (9), grundlegender Sozialschutz, multilaterale Handels– und Investitionsregulierung, Schutz des Klimas und der biologischen Vielfalt.

1.4.5

Der Ausschuss bedauert, dass die Kommission in ihrer Mitteilung Ein menschenwürdiges Leben für alle nur am Rande auf diese Problematik eingeht, und fordert, in der für Mitte 2013 geplanten Mitteilung über ein integriertes EU-Konzept für die Finanzierung zu berücksichtigen, dass angemessene Finanzierungsquellen vorgesehen werden müssen. Ziel der öffentlichen Entwicklungshilfe muss weiterhin die Bekämpfung der Armut sein. Bei dem Konsultationsprozess über die europäische Finanztransaktionssteuer, die 2013 zunächst in 11 EU-Mitgliedstaaten eingeführt wird, sollten vor allem globale Aspekte zum Tragen kommen.

1.4.6

In keinem Fall darf die Erwartung einer internationalen Vereinbarung über die Festlegung der globalen Nachhaltigkeitsziele als Vorwand dienen, die Finanzhilfe-Verpflichtungen der Industrieländer aufzuschieben oder zu verringern. Der Ausschuss befürchtet, dass die Entwicklungshilfe einbrechen könnte, wenn die MDG 2015 ohne Anschlussvereinbarung auslaufen. Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt er, dass für überarbeitete MDG dann in jedem Fall ausreichende Finanzmittel vorgesehen werden (10). Der Ausschuss appelliert an die EU und die Mitgliedstaaten, trotz der angespannten Haushaltslage ihren Verpflichtungen nachzukommen und sich zu bemühen, in der nächsten Etappe im Schnitt 0,7% des BIP für Entwicklungshilfe aufzuwenden.

1.4.7

Die MDG müssen überholt und unter Berücksichtigung der Ergebnisse und gemachten Erfahrungen an die neuen Problemstellungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden. Nach Meinung des EWSA sind von vornherein mindestens drei Themen hinzuzufügen, namentlich der Zugang zu Energie für alle  (11), das Recht auf Nahrung und Wasser und ein grundlegender Sozialschutz  (12). Zudem müssen die Schaffung menschenwürdiger Arbeit, die seit Anfang 2006 Teil der MDG ist, und die unabdingbare Notwendigkeit, die Agrarentwicklung in den Mittelpunkt der Armutsbekämpfung zu stellen, als Prioritäten bekräftigt werden.

Zudem kann die Verschmelzung der beiden Agenden im Zuge dieser Überarbeitung in Angriff genommen werden, sozusagen als erste Etappe auf dem Weg zu einer künftigen übergeordneten Agenda. Freilich herrscht derzeit ein von Zweifeln geprägtes Spannungsfeld zwischen dem, was ideale Agendensetzungen wären, und dem, was in der Praxis erreichbar ist.

1.4.8

Der Ausschuss schlägt vor, bei dieser Überarbeitung der MDG in einem spezifischen Entwicklungsansatz für die fragilen oder von Konflikten betroffenen Länder den Schwerpunkt vorrangig auf den Wiederaufbau von Institutionen zu legen, um zunächst im Rahmen einer verantwortungsvollen Regierungsführung für Sicherheit und bürgernahe Justiz zu sorgen.

2.   Lehren aus der Umsetzung der Millenniumsentwicklungsziele

2.1

Anhaltende Gültigkeit der Millenniums-Erklärung: Die Millenniums-Erklärung bewahrt ihren politischen und symbolischen Stellenwert als Pakt zwischen allen, reichen wie armen, Ländern, der sogar über 2015 hinausreicht. Sie muss Grundlage der künftigen Agenda bleiben, denn in ihr werden die großen Herausforderungen und die Grundwerte formuliert, die die internationalen Beziehungen im 21. Jahrhundert untermauern müssen: Frieden, Sicherheit, Abrüstung, Schutz unserer gemeinsamen Umwelt, Menschenrechte, Demokratie, verantwortungsvolle Regierungsführung, Schutz der Schwachen, besondere Berücksichtigung der Bedürfnisse Afrikas, Recht auf Entwicklung und Notwendigkeit der Schaffung der Voraussetzungen für Entwicklung. Gleichsam als Spiegel der Rio-Deklaration von 1992 hatte diese Erklärung bereits die verschiedenen Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung vernetzt.

2.2

Die einfach und eingängig formulierten MDG haben trotz einer gemischten Bilanz zur Sensibilisierung und Mobilisierung der Öffentlichkeit in den Industrieländern beigetragen. Nun bleibt abzuwarten, ob diese Unterstützung der Öffentlichkeit sich auch in einer Erhöhung der Entwicklungshilfe, einer wirksamen Korruptionsbekämpfung, einer Umorientierung hin zu den Ländern mit dem größten Entwicklungsrückstand oder einer Anpassung an fragile, von kriegerischen Auseinandersetzungen oder inneren Konflikten betroffene Länder niederschlägt.

2.3

Regionale Unterschiede, Ungleichheiten und Armut: Im Zusammenhang mit dem Armutsindex hegt der Ausschuss Vorbehalte gegen die Bemessungsgrenze für extreme Armut – weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag – und die Verknüpfung mit nationalen Zahlen. Diese Bemessungsgrundlagen verdecken tiefgreifende Ungleichheiten innerhalb der nationalen Gesellschaften sowie regionale Unterschiede vor allem zu Lasten der ländlichen Bevölkerung, die in die Lage versetzt werden müsste, weiter auf dem Land zu leben, denn ländliche Entwicklung ist notwendig, um einen Teil des Bevölkerungswachstums der kommenden Jahrzehnte aufzufangen. Dagegen verschlimmert eine unkontrollierte Verstädterung die zunehmende städtische Armut weiter. Diesbezüglich sind verstärkt qualitative Analysen nötig.

2.4

Die Gleichstellung der Geschlechter ist nach wie vor wesentliche Voraussetzung für jeglichen Wandel (13), nicht nur, weil sie die Lage der Frauen verbessert, sondern auch, weil die Benachteiligung der Frauen alle anderen Ungleichheiten bedingt und verschlimmert. Strategien zur Förderung der Gleichstellung bzw. die Rechte der Frauen sind Voraussetzung für gesellschaftlichen Wandel. Der Beitrag der Frauen zu Frieden, Entwicklung, wirtschaftlicher Tätigkeit und Sicherheit wird zum Gewinn für eine künftige Agenda. Diese Werte müssen von Männern wie auch Frauen anerkannt werden.

2.5

Quantitative Ergebnisse und methodologische Instrumente: Der neue Fahrplan muss in relevante Ziele und Fortschrittsindikatoren münden. Die regelmäßig veröffentlichten MDG-Fortschrittsberichte haben erhebliche Fortschritte, aber auch Mängel zutage gebracht. Die Qualität der Bewertungen ist ein entscheidender Vorteil für diese Zielsteuerungsmethodik. Die künftige Agenda erfordert eine Verbesserung und Angleichung der nationalen Statistikinstrumente und insbesondere der Erhebung geschlechtsspezifischer Daten und Daten betreffend Menschen mit Behinderungen. Dazu ist es notwendig, das Personenstandswesen zu verbessern und qualitative Erhebungen insbesondere zum Bildungsstand durchzuführen.

2.6

Über das BIP hinaus: Im Rahmen der Post-2015-Agenda sollte die Messung des Wohlergehens mit Nachhaltigkeitsindikatoren (14), d.h. einem begrenzten Set wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Indikatoren, anstelle des BIP oder eines einzigen aggregierten Indikators erfolgen. Das BIP mit anderen Indikatoren zu verknüpfen ist auf internationaler Ebene möglich; Vergleichbares wurde bereits bei der Definition der LDC mit der Heranziehung des Human Assets Index (der das Niveau der Entwicklung menschlicher Ressourcen misst) und des Economic Vulnerability Index (der die wirtschaftliche Anfälligkeit misst), beim Index für menschliche Entwicklung (HDI) und jüngst bei dem die Ungleichheit einbeziehenden Index für menschliche Entwicklung (IHDI) erreicht.

Um die Kluft zwischen Wirtschaftspolitik, Wohlergehen und sozialem Fortschritt zu schließen, müssen Indikatoren herangezogen werden, die das BIP ergänzen. Fortschritt muss unter neuen Gesichtspunkten gemessen werden, indem in die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen eine soziale und ökologische Dimension integriert wird und zusammengesetzte Indikatoren verwendet sowie Kernindikatoren eingeführt werden. Um die politischen und finanziellen Optionen mit adäquaten Indikatoren zu verknüpfen, müssen noch Instrumente für die Messung von Wirksamkeit und Rechenschaftspflicht entwickelt werden. Die Messung von Wohlergehen und Fortschritt ist kein ausschließlich technisches Problem. Das Verständnis von Wohlergehen spiegelt die Präferenzen und Grundwerte einer Gesellschaft wider. Eine Möglichkeit, die Entwicklung dieser Indikatoren voranzubringen, wäre es, die Bürger und zivilgesellschaftlichen Organisationen an den wissenschaftlichen Arbeiten im Hinblick auf deren Definition und Zweckmäßigkeit zu beteiligen.

2.7

Es ist Aufgabe der Behörden, der Regierungen und Gebietskörperschaften, für eine grundlegende soziale Absicherung gegen die großen Lebensrisiken, vor allem in den Bereichen Gesundheit und Behinderung, Altersversorgung und Arbeitslosigkeit zu sorgen. Die Organisationen der Zivilgesellschaft (Gewerkschaften, NGO, Stiftungen, Gegenseitigkeitsgesellschaften, Genossenschaften, KMU, Familien- und Verbraucherverbände) können vertragliche Vereinbarungen mit den Behörden abschließen, um bei der Planung, Überprüfung und Bereitstellung von Diensten eine ergänzende oder sogar entscheidende Rolle zu übernehmen sowie öffentliche finanzielle Unterstützung zu erhalten, insbesondere in Entwicklungsländern.

3.   Menschenrechte, Einbeziehung der Zivilgesellschaften, Demokratisierung und vertragliche Vereinbarungen/Partnerschaften zwischen Akteuren als zentrale Aspekte der Post-2015-Agenda

3.1

Demokratisierung und Menschenrechte, Fundament des Wandels hin zu inklusiven Gesellschafts- und nachhaltigen Wirtschaftsmodellen: Die kontinuierliche Unterstützung von Demokratisierungsbemühungen bereitet am sichersten den Weg zu transparenten Gesellschaften, die ihren Bürgern gegenüber Rechenschaft ablegen. In den offenen Gesellschaften des 21. Jahrhunderts ist keine größere Veränderung denkbar ohne Partizipation, Eigenverantwortlichkeit, Unterstützung und Mitverantwortung der betroffenen Akteure. Mit Blick auf das Finanzierungsinstrument für die weltweite Förderung der Demokratie und der Menschenrechte und die Mitteilung über die Rolle der zivilgesellschaftlichen Organisationen in der Entwicklungszusammenarbeit begrüßt der Ausschuss, dass der Entwicklung einer unabhängigen Zivilgesellschaft (15) immer mehr Bedeutung eingeräumt und damit die Bekämpfung jedweder Korruption, die Rechenschaftspflicht gegenüber den Bürgern, die Einbeziehung der wirtschaftlichen Akteure in die Folgenabschätzungen und in die Überwachung von Handelsvereinbarungen, die Stärkung der Warnkapazitäten auf dem Gebiet des Schutzes der Frauenrechte und die Unterstützung von Umweltschützern gefördert wird.

3.2

Transparenz und Rechenschaftspflicht der Partnerländer, Grundlagen der künftigen Agenda: Die MDG und die daraus resultierende Agenda zur Steigerung der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit (Grundsätze von Paris, Accra und Busan) haben dazu beigetragen, die gegenseitige Rechenschaftspflicht der Partnerländer zu verstärken und die Berücksichtigung der besonderen Voraussetzungen in fragilen Staaten zu fördern. Jedoch müssen in der künftigen Agenda die Mängel der Zusammenarbeit behoben und das Verhältnis zwischen Geberländern und Nehmerländern zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe werden. Insbesondere muss der Lage in Ländern Rechnung getragen werden, die aufgrund von internen Konflikten oder Kriegen oder Naturkatastrophen fragil sind, indem zunächst gezielt vorrangig der institutionelle Wiederaufbau sowie die Gewährleistung von Sicherheit und die Verbesserung von Polizei und Justiz angegangen werden.

3.3

Eine Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften und Förderung einer breit angelegten Verständigung zwischen Akteuren und internationalen Netzwerken: Ein viele Interessenträger umfassender Ansatz bewegt die Entwicklungspartner des Nordens wie des Südens, sich vom traditionellen Diplomatiekonzept und den Vereinbarungen auf Regierungsebene zu lösen. Durch vertragliche Vereinbarungen oder formelle Partnerschaften zwischen verschiedenen Interessenträgern, in denen sie sich auf Ziele und Mittel verpflichten, kann eine stärkere Einbeziehung der Zivilgesellschaft erreicht werden. Dies setzt voraus, dass bereits bei der Aufstellung der Ziele, dann aber auch bei ihrer Umsetzung und Überwachung Initiativen von Städten und Kommunen (bspw. European Green Cities Network, Transition-Town-Bewegung), von zivilgesellschaftlichen Organisationen (Nichtregierungsdiplomatie wie der People's Summit in Rio), von Unternehmen aller Art (Initiativen für verantwortungsvolle Unternehmensführung bzw. zur Sozialwirtschaft), von internationalen Gewerkschaftsverbänden (Schlüsselakteure für das Ziel der Schaffung menschenwürdiger Arbeit) sowie von Hochschulen und Forschungszentren besser berücksichtigt werden. Der Ausschuss empfiehlt, in der künftigen Agenda die vertraglichen Vereinbarungen zwischen öffentlichen und privaten Partnern und Verbänden anzuerkennen und aufzuwerten und auch den zahlreichen, von den Bürgern ausgehenden internationalen Solidaritätsinitiativen Rechnung zu tragen. Eine Einbindung dieser Vielfalt an Akteuren auf Augenhöhe ist unverzichtbare Voraussetzung für eine wirksamere und inklusivere Governance, bei der die Stimme der Ärmsten zu Gehör kommt.

3.4

Wie andere Beobachter auch plädiert der Ausschuss für entscheidende Verbesserungen in den Bereichen gute Regierungsführung und stabile demokratische Institutionen, um die Eigenverantwortlichkeit der Partnerländer für ihre nationale Entwicklungsstrategie zu erhöhen. Die MDG haben die Zivilgesellschaft in einigen Entwicklungsländern in die Lage versetzt, sich als Akteure zu etablieren und Anfragen zu Investitionsentscheidungen und öffentlichen Ausgaben an ihre Regierungen zu richten. Im Rahmen der verstärkt inklusiven künftigen Agenda müssen sie enger an der Erarbeitung der strategischen Dokumente zur Bekämpfung der Armut mitwirken, innovative Lösungen für bspw. menschenwürdige Arbeit oder Sozialschutz zur Debatte stellen und durch die dabei erworbene Sach- und Planungskompetenz zu einer verantwortungsvolleren Regierungsführung beitragen. Der Ausschuss empfiehlt, einen Teil der Handelsbeihilfen auf die Verbesserung der Kompetenzen der Sozialpartner und zivilgesellschaftlichen Organisationen in Handelsfragen zu lenken, damit sie dazu beitragen können, Handelsfragen und Ernährungssicherheit in die nationale Entwicklungsstrategie einzubeziehen.

4.   Einen breiten Konsens über den Wandel hin zu einer nachhaltigen Entwicklung schmieden

4.1

Globale Governance und ökologische, soziale und wirtschaftliche Gemeingüter: Güter bzw. Leistungen wie Luft, Wasser, Meere, Ökosysteme, menschenwürdige Arbeit, soziale Absicherung, Ernährungssicherheit oder Handelsregeln usw. sind weltweite Anliegen und werden daher in der Mitteilung als „unentbehrliche Säulen des Lebens“ anerkannt und im Anhang aufgelistet. Diese globalen öffentlichen Güter (16) müssen im Rahmen einer Weltinnenpolitik zu den drei Säulen der nachhaltigen Entwicklung in die Post-2015-Agenda aufgenommen werden. Sie erfordern einen abgestimmten globalen Rahmen und vor allem eine Unterstützung durch konventionelle internationale Verpflichtungen, Finanzierungen und nationale Maßnahmen, die wiederum in einer Vielfalt kollektiver und individueller lokaler Initiativen aufgehen.

4.2

Vielfalt der am Wandel bis 2050 orientierten weltweiten Finanzierungen: Die Vereinten Nationen veranschlagen für die nachhaltige Bekämpfung der Armut und Umweltrisiken 800 Mrd. EUR jährlich, d.h. 1,5% des globalen BIP. Die öffentliche Entwicklungshilfe beläuft sich auf lediglich 10–15% des weltweiten Finanzierungsbedarfs. Es müssen also unbedingt andere nationale und internationale Ressourcen gefunden werden. Im Rahmen der anstehenden Mitteilung über ein integriertes EU-Konzept für die Finanzierung muss eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage internationaler Besteuerung stattfinden, um für Transparenz und Vorhersehbarkeit zu sorgen und die Erträge zu erschließen, die für die Beseitigung der Armut, den Schutz der Umwelt und die Verwaltung der globalen öffentlichen Güter benötigt werden. Innovative Finanzierungen und die Erträge aus der Finanztransaktionssteuer, die dem Grundgedanken einer solchen Politik entsprechen, sollten vorrangig für diese globalen Herausforderungen aufgewendet werden. Ferner sind die Mobilisierung einheimischer Steuerressourcen und die Nutzung der Geldtransfers von Migranten in ihre Heimatländer für produktive Tätigkeiten unerlässliche Voraussetzung für Fortschritte bei der Verwirklichung lokal bestimmter Ziele.

4.3

Beschäftigungswachstum in einer inklusiven grünen Wirtschaft: Durch die gegenwärtige Konjunkturabschwächung und ihre verheerenden Auswirkungen auf die Beschäftigungslage und die Unternehmen steht die Erreichung der MDG bis 2015 auf dem Spiel. Die Krise könnte aber als Chance für eine Mobilisierung zugunsten einer grünen Wirtschaft begriffen werden, die ein Umschwenken hin zu einer nachhaltigen Entwicklung ermöglicht. Diesbezüglich gibt es mit dem Globalen Beschäftigungspakt der IAO ein neues Instrument für die Beschleunigung des Beschäftigungsaufschwungs durch Förderung der Nachfrage nach Arbeitskräften und der Kompetenzen der Arbeitnehmer, durch eine Stärkung der Systeme des sozialen Schutzes weltweit sowie durch eine Einbeziehung der informellen Wirtschaft über „Landesprogramme für menschenwürdige Arbeit“.

4.4

Die globale Landwirtschaft ist von den internationalen Finanzinstitutionen während dieses Millenniumsprojekts flagrant vernachlässigt worden. Es ist dringend erforderlich, beschäftigungsfördernde Investitionen neu auszurichten und bäuerliche Familienbetriebe sowie ökologischen Landbau zu fördern.

4.5

Rolle der Unternehmen im Hinblick auf einen Nachhaltigkeitsjahresbericht: Die Unternehmen sind im Rahmen der Vereinten Nationen durch die Initiative „Global Compact“ vertreten, die im Jahr 2000 gegründet wurde, um die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen in den Dienst der MDG zu stellen. Mittlerweile mehr als 8 700 Mitglieder aus über 130 Ländern haben sich freiwillig auf Grundsätze in den Bereichen Arbeitsrecht, Menschenrechte, Umwelt und Korruptionsbekämpfung verpflichtet. So kann zum Beispiel freiwilliges Nachhaltigkeitsmanagement auf Unternehmensebene eine große Rolle in den Untervergabeketten spielen. Der Ausschuss erachtet Öko-Design, umweltverträgliche Produktion, umweltschonendes Handeln, fairen Handel und Ressourceneffizienz als innovative Lösungen für die Verwirklichung von Nachhaltigkeitszielen (17). Er plädiert daher für die Umsetzung der in der Erklärung von Rio+20 enthaltenen Empfehlung, dass Unternehmen neben finanziellen auch Informationen zur Nachhaltigkeit in ihre jährliche Berichterstattung einbauen sollten.

5.   Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung: Stärkung der Rolle und Eigenverantwortung der privaten Akteure

5.1

Trotz der Versuchung zu Beginn der Krise, protektionistischen Tendenzen nachzugeben, hat das internationale System im Großen und Ganzen restriktive Handelspraktiken vermieden. Jedoch kommen die multilateralen Verhandlungen über Entwicklungsfragen nicht voran, da die Interessen der Entwicklungs- und der Industrieländern auseinanderklaffen. Vom Zuwachs des Handels profitieren in erster Linie die Schwellenländer, obwohl sich interne Ungleichheiten verstärken, außer in wenigen Ländern wie Brasilien, die durch eine Umverteilungspolitik die Armut bekämpfen.

5.2

Dagegen hat die Öffnung des Handels in zahlreichen Entwicklungsländern, die an Agrarerzeugnissen und Rohstoffen reich sind, nicht die erhofften Ergebnisse gebracht, da es an Diversifizierung, Verarbeitung und Infrastrukturen mangelt. Der Ausschuss bedauert, dass der Abschluss der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den AKP-Staaten nur langsam vorankommt. Der den am wenigsten entwickelten Ländern (LDC) eingeräumte Präferenzzugang  (18) zu den europäischen Märkten ist ebenso wenig erfolgreich wie die ihnen gewährten Handelsbeihilfen, die ein zunehmend wichtiges Instrument der multilateralen Zusammenarbeit sind. Der Ausschuss empfiehlt, bereits im Rahmen der WTO vereinbarte Handelserleichterungen zugunsten der LDC zu übernehmen und die allgemeine Marktöffnung der Schwellenländer für LDC zu fördern.

5.3

Der Ausschuss empfiehlt der EU, die Grundsätze des Rechts auf Nahrung  (19) zum festen Bestandteil ihrer handelspolitischen Maßnahmen zu machen und im Rahmen einer entsprechenden Konzertierung mit den anderen WTO-Mitgliedern dafür Sorge zu tragen, dass diese Grundsätze auch fester Bestandteil der multilateralen und bilateralen Handelsverhandlungen werden. Er befürwortet ferner unabhängig vom Abschluss der Doha-Welthandelsrunde eine Liberalisierung des Handels mit Umweltgütern und –dienstleistungen und eine Erleichterung des Transfers von „grünen“ Technologien im Rahmen der bilateralen Handelsabkommen (20).

5.4

Die Wirtschaftsakteure und auch die Infrastrukturen müssen sich zur nachhaltigen Entwicklung bekennen. Diesbezüglich wirkt der Aufbau von Infrastrukturen  (21) und Austauschnetzwerken als Zugkraft auf ausländische Investitionen und fördert die Entwicklung der KMU, den Aufbau Rohstoff verarbeitender Industriebetriebe und die Entwicklung des elektronischen Handels.

Brüssel, den 23. Mai 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  EWSA-Konferenz „Nachhaltigkeit fördern, Verantwortung zeigen! Die europäische Zivilgesellschaft auf dem Weg zu Rio+20“ vom 7./8. Februar 2012.

(2)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Rio+20: Bilanz und Perspektiven“ (ergänzende Stellungnahme), ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 64.

(3)  Entwicklung und Zusammenarbeit – EuropeAid.

(4)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Grüne Wirtschaft – Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in Europa (Siehe Seite 18 dieses Amtsblatts).

(5)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Die soziale Dimension der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion“, (Siehe Seite 1 dieses Amtsblatts).

(6)  Stellungnahme des EWSA zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Auf dem Weg zu einer umfassenden europäischen Auslandsinvestitionspolitik, Berichterstatter: Jonathan PEEL, ABl. C 318 vom 29.10.2011, S. 150.

(7)  Die globale Kampagne „Beyond 2015“ wird von Entwicklungsvereinigungen getragen, fördert das Bewusstsein für den Post-2015-Prozess und sammelt Beiträge auf ihrer Website www.beyond2015.org

(8)  Sondierungsstellungnahme des EWSA vom 26.4.2012 zum Thema „Förderung der Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch in der EU“, Berichterstatterin: An LE NOUAIL MARLIÈRE, ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 6.

(9)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Handel und Ernährungssicherheit“, Berichterstatter: Mario CAMPLI, Mitberichterstatter: Jonathan PEEL, ABl. C 255 vom 22.9.2010, S. 1.

(10)  Europäischer Entwicklungsbericht 2013: „Post 2015 – Global Action for an Inclusive and Sustainable Future“.

(11)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Anbindung von Energieinseln in der EU: Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Solidarität und Nachhaltigkeit im EU-Energiebinnenmarkt“, Berichterstatter: Pierre-Jean COULON, ABl. C 44 vom 15.2.2013, S. 9.

(12)  Stellungnahme des EWSA zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Sozialschutz in der Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union, Berichterstatter: José María ZUFIAUR NARVAIZA, ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 82.

(13)  EU-Aktionsplan zur Gleichstellung der Geschlechter und Teilhabe von Frauen in der Entwicklungszusammenarbeit (2010-2015).

(14)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Das BIP und mehr – die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Auswahl zusätzlicher Indikatoren“, Berichterstatter: Stefano PALMIERI, ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 14.

(15)  Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die weltweite Förderung der Demokratie und der Menschenrechte“, Berichterstatter: Giuseppe Antonio Maria IULIANO, ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 81.

(16)  Der Anhang der Mitteilung enthält eine Typologie der wichtigsten globalen öffentlichen Güter.

(17)  CONCORD – „The private sector in development“, Dezember 2012.

(18)  Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Schema allgemeiner Zollpräferenzen“, Berichterstatter: Jonathan PEEL, ABl. C 43 vom 15.2.2012, S. 82.

(19)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Handel und Ernährungssicherheit“, Berichterstatter: Mario CAMPLI, Mitberichterstatter: Jonathan PEEL, ABl. C 255 vom 22.9.2010, S. 1.

(20)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Handel und Klimawandel“, Berichterstatterin: Evelyne PICHENOT, ABl. C 21 vom 21.1.2011, S. 15.

(21)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Die EU-Afrika-Strategie“, Berichterstatter: Gérard DANTIN, ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 148.


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