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Dokument 52012AE2185

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgenden Vorlagen: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Medizinprodukte und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 — COM(2012) 542 final –– 2012/0266 (COD) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über In-vitro-Diagnostika — COM(2012) 541 final –– 2012/0267 (COD) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Sichere, wirksame und innovative Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika zum Nutzen der Patienten, Verbraucher und Angehörigen der Gesundheitsberufe — COM(2012) 540 final

ABl. C 133 vom 9.5.2013, str. 52—57 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

9.5.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 133/52


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgenden Vorlagen: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Medizinprodukte und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009

COM(2012) 542 final – 2012/0266 (COD)

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über In-vitro-Diagnostika

COM(2012) 541 final – 2012/0267 (COD)

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Sichere, wirksame und innovative Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika zum Nutzen der Patienten, Verbraucher und Angehörigen der Gesundheitsberufe

COM(2012) 540 final

2013/C 133/10

Berichterstatter: Cveto STANTIČ

Der Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 15. Oktober bzw. 22. Oktober 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 und Artikel 168 Absatz 4 Buchstabe c AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Medizinprodukte und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009

COM(2012) 542 final – 2012/0266 (COD).

Der Rat und das Europäische Parlament beschlossen am 15. Oktober bzw. 22. Oktober 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 und Artikel 168 Absatz 4 Buchstabe c AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über In-vitro-Diagnostika

COM(2012) 541 final – 2012/0267 (COD).

Die Kommission beschloss am 26. September 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Sichere, wirksame und innovative Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika zum Nutzen der Patienten, Verbraucher und Angehörigen der Gesundheitsberufe

COM(2012) 540 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 5. Februar 2013 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 487. Plenartagung am 13./14. Februar 2013 (Sitzung vom 14. Februar) mit 136 Stimmen bei 5 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss unterstreicht, dass die Gesundheit eine hohe Priorität für die europäischen Bürgerinnen und Bürger hat, und bekräftigt, dass Medizinprodukte (1) und In-vitro-Diagnostika (nachfolgend IVD) (2) bei der Verhütung, Diagnose und Behandlung von Krankheiten eine wesentliche Rolle spielen. Sie sind von zentraler Bedeutung für unsere Gesundheit und für die Lebensqualität von Menschen, die an einer Krankheit oder gesundheitlichen Beeinträchtigung leiden und damit umgehen müssen.

1.2

Der EWSA begrüßt die Neufassung des derzeitigen Regelungssystems durch die Kommission, mit dem über die reine Vereinfachung des Rahmens hinaus wirksamere Regeln zur Stärkung der Zulassung vor dem Inverkehrbringen und insbesondere der Überwachung nach dem Inverkehrbringen eingeführt werden. Angesichts des jüngsten Skandals um mangelhafte Brustimplantate, der zu der Entschließung des Europäischen Parlaments vom Juni 2012 führte, aber auch anderer großer Probleme mit Hochrisiko-Medizinprodukten und Implantaten spricht sich der EWSA, so wie das Europäische Parlament (3), zusätzlich bei diesen für ein hochqualifiziertes Zulassungsverfahren vor dem Inverkehrbringen aus. Dies entspricht den Forderungen der Bürger nach Patientensicherheit und Wirksamkeit.

1.3

Hochrisiko-Medizinprodukte (Klasse-III- und implantierbare Produkte) sowie Hochrisiko IVD müssen einem geeigneten, anspruchsvollen, EU-einheitlichen Zulassungsverfahren vor dem Inverkehrbringen unterliegen, in dem die Sicherheit, die Wirksamkeit und das positive Risiko-Nutzen-Verhältnis durch die Ergebnisse hochqualifizierter klinischer Prüfungen nachgewiesen werden müssen. Die gesamten Ergebnisse sollten in einer öffentlich zugänglichen zentralen Datenbank gespeichert werden. Für bereits auf dem Markt befindliche Hochrisiko-Medizinprodukte und -IVD ist die Einhaltung von Artikel 45 des Verordnungsvorschlags zu gewährleisten, so dass die Sicherheit und Wirksamkeit des Produkts nachgewiesen sind.

1.4

Der EWSA befürwortet nachdrücklich die Rechtsform einer Verordnung statt einer Richtlinie, um den Auslegungsspielraum der einzelnen Mitgliedstaaten zu verringern und auf diese Weise mehr Gleichheit für die europäischen Patienten und gleiche Ausgangsbedingungen für die Lieferanten zu schaffen.

1.5

Neben Sicherheit ist auch der rasche Zugang zur neuesten Medizintechnik ein wichtiger Nutzen für die Patienten. Erhebliche Verzögerungen beim Zugang zu neuen Medizinprodukten würden den Patienten schaden, indem sie ihre (möglicherweise lebenserhaltenden) Behandlungsoptionen einschränken bzw. sie zumindest davon abhalten, ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu reduzieren und ihre Lebensqualität zu verbessern.

1.6

Der EWSA betont, dass die Sektoren Medizinprodukte und IVD, die durch hohe Innovationsfähigkeit und hochqualifizierte Arbeitsplätze gekennzeichnet sind, ein wichtiger Bestandteil der europäischen Wirtschaft sind und in erheblichem Maße zur Umsetzung der Europa-2020-Strategie und ihrer Leitinitiativen beitragen können. Geeignete Rechtsvorschriften sind daher unabdingbar, nicht nur, um das größtmögliche Maß an Gesundheitsschutz zu garantieren, sondern auch, um ein innovatives und wettbewerbsfähiges Umfeld für die Industrie zu schaffen, die zu 80% aus Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Herstellerunternehmen besteht.

1.7

Der EWSA befürwortet hohe Standards für Zulassungsverfahren von Hochrisiko-Medizinprodukten und -IVD vor deren Inverkehrbringen, bei denen die Sicherheit und Wirksamkeit durch die Ergebnisse geeigneter klinischer Tests und Prüfungen nachgewiesen werden müssen. Der EWSA äußert jedoch Bedenken hinsichtlich der Einführung eines zentralisierten Systems der Zulassung vor dem Inverkehrbringen in Europa, das zu weiteren Verzögerungen bei den Zulassungsfristen führen würde, was die Patienten am raschen Zugang zur neuesten Medizintechnik hindern, die Kosten für KMU beträchtlich erhöhen und deren Innovationsfähigkeit gefährden würde.

1.8

Sollten die Anforderungen an die Zulassung von Medizinprodukten und IVD erhöht werden, so muss dies auf transparente und vorhersehbare Weise erfolgen, um die Effizienz des Regelungsprozesses nicht weiter zu gefährden und künftigen Innovationen keinen Dämpfer zu versetzen.

1.9

Der EWSA begrüßt die Einführung einer einmaligen Produktnummer (Unique Device Identification, UDI) für jedes Medizinprodukt, die eine raschere Identifizierung und bessere Rückverfolgbarkeit ermöglicht. Der EWSA spricht sich ebenfalls für ein voll funktionsfähiges zentrales Registrierungstool (Eudamed) aus, das Mehrfachregistrierungen beseitigen und die Kosten für KMU erheblich reduzieren würde.

1.10

Der EWSA unterstützt die Stärkung der Stellung von Patienten: Um eine angemessene Deckungsvorsorge im Schadensfall sicherzustellen, muss die geschädigte Partei das Recht haben, direkte Ansprüche zu erheben und einen uneingeschränkten Schadenersatz zu erhalten. Wenn die Patienten den durch ein mangelhaftes Medizinprodukt entstandenen Schaden nachweisen müssen, sollte der Hersteller dem Patienten (und/oder dem für die Behandlungskosten aufkommenden Zahler) alle notwendigen Unterlagen und Informationen zur Sicherheit und Wirksamkeit des betreffenden Produkts aushändigen. Des Weiteren fordert der EWSA die Kommission auf, sicherzustellen, dass mittels angemessener Verfahren Schadenersatz geleistet wird, der nicht zu einem erheblichen Anstieg der Preise für Medizinprodukte führt.

1.11

Der EWSA nimmt die relative schwache Einbeziehung der Zivilgesellschaft in den vorgeschlagenen Regelungsrahmen zur Kenntnis. Der Beobachterstatus der Zivilgesellschaft in den von der neugeschaffenen Koordinierungsgruppe Medizinprodukte (MDCG) eingesetzten nichtständigen Untergruppen reicht nicht aus. Der EWSA schlägt die Einrichtung eines „Beratungsausschusses“ aus Vertretern legitimer Interessenträger auf europäischer Ebene vor. Ein solcher Ausschuss sollte parallel zu und in Zusammenarbeit mit der Koordinierungsgruppe Medizinprodukte tätig werden, um die Kommission und die Mitgliedstaaten zu verschiedenen Aspekten der Medizintechnik und der Umsetzung der Vorschriften zu beraten.

1.12

Der EWSA wiederholt die Notwendigkeit, die vorgeschlagenen Verordnungen gemäß den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zur Innovation im Sektor der Medizinprodukte um geeignete Bestimmungen über die Ausbildung und Schulung der Fachkräfte des Gesundheitswesens zu ergänzen (4);

1.13

Sachdienliche Verknüpfung mit anderen Rechtsdossiers und –gremien: Der EWSA unterstreicht, dass die neuen Regeln für klinische Leistungsstudien für IVD – therapiebegleitende Diagnostika gut mit denjenigen Regeln vereinbar sein müssen, die aus dem derzeit erörterten neuen Rahmen für klinische Studien mit Arzneimitteln hervorgehen werden, so die jüngste Stellungnahme des EWSA (5);

1.14

Hausinterne Tests für IVD: Der EWSA empfiehlt, den Grundsatz der Bewertung der Risiken und Nutzen eines Gesundheitsprodukts auf sämtliche Produkte anzuwenden, unabhängig davon, ob sie vermarktet werden oder nur innerhalb einer Einrichtung entwickelt und verwendet werden (hausinterner Test).

1.15

Die Funktionsweise der Verordnungen sollte drei Jahre nach ihrem Inkrafttreten von Behörden und Interessenträgern der Zivilgesellschaft gemeinsam formell überprüft werden, um sicherzustellen, dass die Verordnungsziele erfüllt werden.

2.   Einleitung und Hintergrund

2.1

Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika (IVD) haben eine entscheidende Bedeutung für die Verhütung, Diagnose und Behandlung von Krankheiten. Sie sind für unsere Gesundheit und die Lebensqualität von Menschen mit Beeinträchtigungen von zentraler Bedeutung.

2.2

Die Sektoren Medizinprodukte und IVD machen einen wichtigen und innovativen Teil der europäischen Wirtschaft aus. Sie erwirtschaften einen Jahresumsatz von ca. 95 Mrd. EUR (85 Mrd. EUR bei Medizinprodukten und 10 Mrd. EUR bei IVD) und tätigen umfangreiche Investitionen in Forschung und Innovationen (7,5 Mrd. EUR jährlich). Sie beschäftigen mehr als 500 000 Arbeitnehmer (zumeist hochqualifizierte Fachleute) in ca. 25 000 Unternehmen. Über 80 % dieser Unternehmen sind Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen.

2.3

Rapide demografische und gesellschaftliche Veränderungen, ein enormer wissenschaftlicher Fortschritt sowie der jüngste Skandal mit mangelhaften silikonbefüllten Brustimplantaten (6), Probleme mit Metall-auf-Metall-Hüftimplantaten sowie einigen anderen Produkten (7) haben allesamt eine Überarbeitung des aktuellen Rechtsrahmens nötig und dringlich gemacht.

2.4

Unter den Hochrisiko-Medizinprodukten haben Implantate eine große Bedeutung: So wurden weltweit ca. 400 000 PIP-Silikonbrustimplantate verkauft. Viele Frauen in Großbritannien (40 000), Frankreich (30 000), Spanien (10 000), Deutschland (7 500) und Portugal (2 000) haben PIP-Silikonimplantate erhalten, deren Rissrate nach 10 Jahren bei 10-15% liegt (8). Allein in Deutschland wurden 2010 ca. 390 000 Hüft- und Knieendoprothesen implantiert, davon knapp 37 000 Wechseloperationen, bei denen die Kunstgelenke ausgetauscht werden mussten (9).

2.5

Die größten Mängel des derzeitigen Systems sind nach Auffassung des EWSA stichwortartig:

Unterschiede in der Auslegung und Anwendung der Vorschriften durch die EU-Mitgliedstaaten, was zu Ungleichheit unter den EU-Bürgern führt und Hindernisse für den Binnenmarkt schafft;

nicht immer gegebene Möglichkeit, Medizinprodukte zum Lieferanten zurückzuverfolgen;

Patienten und Angehörige der Gesundheitsberufe haben keinen Zugang zu wesentlichen Informationen über klinische Prüfungen und Nachweise;

mangelnde Koordinierung zwischen den einzelstaatlichen Behörden und der Kommission;

Regelungslücken bei bestimmten Produkten (10).

3.   Wesentlicher Inhalt des neuen Pakets überarbeiteter Rechtsakte für Medizinprodukte und IVD

3.1

Das Paket besteht aus einer Mitteilung (11), einem Vorschlag für eine Verordnung über Medizinprodukte (12) (mit der die Richtlinie 90/385/EWG über aktive implantierbare Medizinprodukte und die Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte ersetzt werden) sowie einem Vorschlag für eine Verordnung über In-vitro-Diagnostika (13) (mit der die Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika ersetzt wird).

3.2

Die wichtigsten neuen Elemente der vorgeschlagenen Verordnungen sind:

breiterer und klarerer Geltungsbereich der Vorschriften, die ausgeweitet werden auf Implantate für ästhetische Zwecke und Gentests sowie medizinische Software;

stärkere Überwachung der (benannten) Bewertungsstellen durch die nationalen Behörden, um eine effiziente Bewertung vor dem Inverkehrbringen der Produkte zu ermöglichen;

klarere Rechte und Verantwortlichkeiten für Hersteller, Importeure und Händler;

Ausweitung der zentralisierten europäischen Datenbank für Medizinprodukte und IVD (Eudamed), zu der Angehörige der Gesundheitsberufe, Patienten und teilweise die Öffentlichkeit Zugang haben;

bessere Rückverfolgbarkeit der Produkte entlang der Lieferkette, einschließlich eines Systems der einmaligen Produktnummer (UDI), das bei sicherheitsrelevanten Problemen eine schnelle und wirksame Antwort ermöglicht;

strengere Anforderungen an klinische Nachweise und Bewertung während der gesamten Lebensdauer des Produkts;

strengere Bestimmungen über Marktüberwachung und Vigilanz;

bessere Koordinierung zwischen den einzelstaatlichen Behörden mit wissenschaftlicher Unterstützung durch die Kommission, um eine einheitliche Durchführung der Vorschriften zu gewährleisten;

Angleichung an internationale Leitlinien, um eine bessere Anpassung an den globalen Markt der Medizinprodukte zu ermöglichen.

3.3

Die Sektoren Medizinprodukte und IVD mit ihrem hohen Innovationsgrad und ihrem Potenzial zur Schaffung hochqualifizierter Stellen können in erheblichem Maße zu den Zielen der Europa-2020-Strategie beitragen. Beide Sektoren nehmen einen zentralen Platz in mehreren Leitinitiativen ein, insbesondere der Digitalen Agenda für Europa (14) und der Innovationsunion (15).

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Der EWSA unterstützt nachdrücklich die Form von Verordnungen, die unmittelbar gelten und bei denen nicht die Gefahr einer uneinheitlichen Umsetzung und Auslegung durch die einzelnen Mitgliedstaaten besteht. Sie ist zweckmäßig, um mehr Gleichheit für Patienten in der ganzen EU und gleiche Ausgangsbedingungen für die Lieferanten zu erzielen.

4.2   Zulassungssystem und Bewertungsverfahren

4.2.1

Hochrisiko-Medizinprodukte (Klasse-III- und implantierbare Produkte) sowie Hochrisiko-IVD müssen einem geeigneten, anspruchsvollen, EU-einheitlichen Zulassungsverfahren vor dem Inverkehrbringen unterliegen, in dem die Sicherheit, die Wirksamkeit und das günstige Risiko-Nutzen-Verhältnis durch die Ergebnisse hochqualifizierter klinischer Prüfungen nachgewiesen werden müssen. Die gesamten Ergebnisse sollten in einer öffentlich zugänglichen zentralen Datenbank gespeichert werden. Für bereits auf dem Markt befindliche Hochrisiko-Medizinprodukte und -IVD ist die Einhaltung von Artikel 45 des Verordnungsvorschlages zu gewährleisten, so dass die Sicherheit und Wirksamkeit des Produkts nachgewiesen sind.

4.2.2

In diesem Zusammenhang unterstützt der EWSA die Stärkung des bestehenden Rechtsrahmens für Hochrisiko-Medizinprodukte, der nach Maßgabe der vorgeschlagenen Verordnungen auf dem Konzept der Konformitätsbewertung und dezentralisierten Regelungsstellen beruht. Er befürwortet strengere Anforderungen an den Erhalt einer Konformitätsbescheinigung in Bezug auf Dokumentation und andere Bedingungen, einschließlich präklinischer und klinischer Daten, klinischer Bewertungen und Prüfungen, Risiko-Nutzen-Analysen (16) u.a. Sie können die bestehenden Zulassungsstandards in der EU beträchtlich anheben, ohne dass der rasche Zugang zu neuen Produkten dadurch zu stark beschnitten wird.

4.2.3

Der EWSA befürwortet nachdrücklich strenge Genehmigungsverfahren vor dem Inverkehrbringen mit hohen Standards, hat jedoch Bedenken im Hinblick auf die Einführung eines zentralen Verfahrens der Zulassung vor dem Inverkehrbringen, wie es in den USA existiert. Ein solches Verfahren würde die Zulassung verzögern. Die neueste Medizintechnik, die möglicherweise Leben retten kann, würde den Patienten erst später zur Verfügung stehen. Andererseits hätte ein zentrales Verfahren der Zulassung vor dem Inverkehrbringen negative Folgen für die meisten europäischen KMU, die Medizinprodukte herstellen, da es ihre Kosten erheblich in die Höhe treiben und ihre Innovationsfähigkeit ernsthaft gefährden würde. Diese KMU hätten Probleme, langwierige Verfahren der Marktzulassung zu finanzieren und zu überleben.

4.2.4

Neu vorgeschlagener Kontrollmechanismus (Artikel 44/42): Der EWSA stellt fest, dass die Koordinierungsgruppe Medizinprodukte mit ihrer Stellungnahme in das von der benannten Stelle übermittelte Antragsdossier eingreifen kann. Der EWSA ist sich der Bedeutung der Sicherheit für die Patienten durchaus bewusst. Um zusätzliche und unvorhersehbare Verzögerungen für die Hersteller (und folglich für die Patienten) zu vermeiden, muss dies auf transparente und vorhersehbare Weise erfolgen, um die Effizienz des Regelungsprozesses nicht zu gefährden und künftigen Innovationen keinen Dämpfer zu versetzen. Durch das präventive Zulassungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte, insbesondere für Implantate, wird dieser neue Kontrollmechanismus viel seltener erforderlich sein.

4.3   Vigilanz und Marktüberwachung

4.3.1

Der EWSA begrüßt die vorgeschlagene Verbesserung und Stärkung des Vigilanzsystems, insbesondere die Einrichtung eines EU-Portals, in dem Hersteller schwerwiegende Vorkommnisse und Korrekturmaßnahmen melden müssen, damit die Gefahr eines erneuten Auftretens verringert wird (Artikel 61/59). Indem dieses automatisch allen nationalen Behörden zur Verfügung steht, wird eine bessere Koordinierung zwischen den einzelnen Behörden ermöglicht.

4.3.2

Um die Sicherheit der Medizinprodukte weiter zu gewährleisten und vor allem Fragen der langfristigen Sicherheit von Implantaten aufzugreifen, müssen die Vorschriften in den Bestimmungen nach dem Inverkehrbringen gestärkt werden, insbesondere die klinische Weiterverfolgung nach dem Inverkehrbringen sowie Vigilanz und Marktüberwachung.

4.4   Transparenz

4.4.1

Eine der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit beiden Verordnungsneufassungen ist für den EWSA der Vorschlag für eine Erhöhung der Transparenz des gesamten Systems.

4.4.2

In diesem Zusammenhang unterstützt der EWSA die Einführung einer einmaligen Produktnummer (UDI) für jedes Medizinprodukt, die in Erfüllung der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Juni 2012 eine raschere Identifizierung und bessere Rückverfolgbarkeit ermöglicht (17).

4.4.3

Der EWSA hält die Einrichtung eines voll funktionsfähigen Eudamed-Systems für ein sehr zweckmäßiges Instrument für mehr Transparenz. Durch die Bereitstellung eines solchen zentralen Registrierungstools (Eudamed) werden Mehrfachregistrierungen in den Mitgliedstaaten beseitigt, was die Verwaltungskosten für die Antragsteller um bis zu 157 Mio. EUR senken kann.

4.5   Stärkung der Stellung geschädigter Patienten

4.5.1

In der derzeitigen Produkthaftungsrichtlinie 85/374/EWG wird die Haftung der Hersteller von Medizinprodukten geregelt. Die geschädigte Person (oder der für die Behandlungskosten haftende Zahler) hat den Schaden und die Fehlerhaftigkeit des Medizinprodukts jedoch nachzuweisen. Häufig fehlt dem Patienten jedoch das zum Nachweis einer solchen Fehlerhaftigkeit nötige Wissen. Deshalb sollte der Hersteller verpflichtet werden, dem Geschädigten alle erforderlichen Dokumente und Informationen zur Sicherheit und Wirksamkeit eines Produkts zur Verfügung zu stellen.

4.5.2

Der EWSA bejaht ebenfalls, dass ein Mechanismus eingesetzt werden sollte, um Patienten zu entschädigen, die durch fehlerhafte Medizinprodukte oder IVD Schaden genommen haben. Um eine angemessene Deckungsvorsorge im Schadensfall sicherzustellen, muss die geschädigte Partei das Recht haben, direkte Ansprüche zu erheben und einen uneingeschränkten Schadenersatz zu erhalten. Die Beweislast, ob ein fehlerhaftes Medizinprodukt für einen Gesundheitsschaden ursächlich ist oder nicht, muss vom Patienten auf den Hersteller verlagert werden. Dem Patienten sollte nur noch der Nachweis der objektiven Möglichkeit der Schadensverursachung durch das Medizinprodukt obliegen. Dementsprechend fordert der EWSA die Kommission auf, sicherzustellen, dass mittels angemessener Verfahren Schadenersatz geleistet wird, der nicht zu einem erheblichen Anstieg der Preise für Medizinprodukte führt.

4.6   Benannte Stellen und zuständige Behörden

4.6.1

Der EWSA unterstützt strengere Bestimmungen für die Benennung und Überwachung der benannten Stellen, um ein einheitlich hohes Kompetenzniveau in der ganzen Union zu gewährleisten. Die zentrale Aufsicht über ihre Benennung durch die Mitgliedstaaten wird ebenfalls begrüßt.

4.6.2

Der EWSA befürwortet sämtliche Vorschläge zur Stärkung der Rechte und Pflichten der zuständigen Behörden (bessere Koordinierung und Klarstellung der Verfahren, unangekündigte Vor-Ort-Inspektionen) einerseits und der Lieferanten andererseits (Forderung nach einer „qualifizierten Person“).

4.6.3

Der EWSA begrüßt die Vereinheitlichung hochwertiger Normen und Kompetenzen für die benannten Stellen in ganz Europa, äußert jedoch Bedenken hinsichtlich der Erreichbarkeit dieses Ziels, wenn die Anzahl der benannten Stellen so hoch bleibt wie bisher (80). Der EWSA empfiehlt hohe Qualität statt Quantität.

4.7   Ausbildung und Schulung

4.7.1

Der EWSA stellt fest, dass die Mitgliedstaaten in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zur Innovation im Sektor der Medizinprodukte (18) die Kommission aufforderten, Fachkräfte im Gesundheitswesen, Patienten und Familienangehörige besser über die korrekte Verwendung dieser Produkte zu informieren und zu schulen. Medizinprodukte funktionieren nur, wenn sie ordnungsgemäß verwendet werden. Ihre Wirksamkeit hängt von den Fertigkeiten und der Erfahrung des Arztes und des Laborpersonals ab, von denen sie verwendet werden.

4.7.2

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten daher auf, in die vorgeschlagenen Verordnungen geeignete Bestimmungen über die Ausbildung und Schulung der Fachkräfte aufzunehmen.

4.8   Einbindung der Zivilgesellschaft

4.8.1

Der EWSA ist der Ansicht, dass die vorgeschlagene Koordinierungsgruppe Medizinprodukte keine ausreichende Beteilung aller Interessenträger gewährleistet. Nach Maßgabe der vorgeschlagenen Verordnungen kann die Koordinierungsgruppe Medizinprodukte ständige oder nichtständige Untergruppen einsetzen. Der EWSA halt es jedoch für unzureichend, wenn Organisationen, die die Interessen der Verbraucher, der Angehörigen der Gesundheitsberufe und der Gesundheits- und Medizinprodukteindustrie auf EU-Ebene vertreten, nur als Beobachter zu diesen Untergruppen eingeladen werden. Ihre aktive Rolle als Berater muss gewährleistet sein.

4.8.2

Die Erfahrung hat gezeigt, dass Fortschritt in der EU nur möglich ist, wenn die verschiedenen Beteiligten eine gemeinsame Vision und gemeinsame Zielvorstellungen haben. Das System profitiert heute von einem aktiven „Beratungsausschuss“ als Teil der Sachverständigengruppe für Medizinprodukte. Dieser sollte beibehalten und in den Vorschriften ausdrücklich erwähnt werden. Andernfalls könnten Beschlüsse und Maßnahmen darunter leiden, dass es an einem frühen und rechtmäßigen Beitrag von Patienten, Angehörigen der Gesundheitsberufe, der Industrie und anderen Teilen der Zivilgesellschaft fehlt.

4.9   Überprüfungsklausel

4.9.1

Die Funktionsweise der Verordnungen sollte überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie ihren Zweck auch wirklich erfüllen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt – spätestens drei Jahre nach dem Inkrafttreten der Vorschläge – sollte die Funktionsweise der Verordnungen von Behörden und Interessenträgern der Zivilgesellschaft gemeinsam formell überprüft werden, um sicherzustellen, dass die Verordnungsziele erfüllt werden.

5.   Besondere Bemerkungen zur IVD-Verordnung in Bezug auf therapiebegleitende Diagnostika

5.1

Begriffsbestimmung: Der EWSA hat Bedenken, dass die Definition des „therapiebegleitenden Diagnostikums“ nach Artikel 2 Absatz 6 zu breit gefasst ist und zu Rechtsunsicherheit führen könnte. Der EWSA schlägt folgende Definition vor: „‧therapiebegleitendes Diagnostikum‧ bezeichnet ein Produkt, das speziell dafür bestimmt ist festzustellen, ob eine Behandlung mit einem bestimmten Arzneimittel für Patienten mit einem bereits diagnostizierten Zustand bzw. einer bereits bekannten Prädisposition geeignet ist“ (statt „eine bestimmte Therapie“).

5.2

Klinische Nachweise: Der Vorschlag für eine IVD-Verordnung enthält ein umfassendes Regelwerk zur Durchführung klinischer Leistungsstudien mit IVD und führt überdies die Möglichkeit ein, dass „Sponsoren“ interventioneller multinationaler klinischer Leistungsstudien durch ein von der Kommission einzurichtendes elektronisches Portal einen einzigen Antrag einreichen.

5.2.1

Die vorgeschlagene Verordnung sollte jedoch sicherstellen, dass die neuen Regeln für klinische Leistungsstudien gut mit denjenigen Regeln interagieren, die aus dem derzeit erörterten neuen Rahmen für klinische Studien mit Arzneimitteln hervorgehen werden, wie der EWSA bereits in einer früheren Stellungnahme betonte (19). Der EWSA vertritt zudem den Standpunkt, dass die Datenbanken für die Registrierung von Prüfungen interoperabel sein müssen.

5.3

Hausinterne Tests“: Nach dem Vorschlag für eine IVD-Verordnung unterliegen hausinterne Hochrisiko-Tests (Klasse D) denselben Anforderungen wie kommerzielle Klasse-D-Tests. Für hausinterne Tests in anderen Klassen (einschließlich Produkte der Klasse C und therapiebegleitende Diagnostika) gilt die IVD-Verordnung jedoch nicht vollständig. Der EWSA empfiehlt, den Grundsatz der Bewertung der Risiken und Nutzen eines Gesundheitsprodukts auf alle Produkte anzuwenden, unabhängig davon, ob sie vermarktet werden oder nur innerhalb einer Einrichtung entwickelt und verwendet werden (hausinterne Tests).

Brüssel, den 14. Februar 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  Zu den Medizinprodukten gehören beispielsweise Heftpflaster, Kontaktlinsen, Hörgeräte, Zahnfüllungen und künstliche Hüftgelenke sowie technisch anspruchsvolle Geräte wie Röntgengeräte und Schrittmacher.

(2)  In-vitro-Diagnostika umfassen Produkte zur Gewährleistung der Sicherheit von Bluttests, zur Feststellung von Infektionskrankheiten (z. B. HIV), zur Überwachung von Krankheiten (z.B. Diabetes) und zur Durchführung aller Arten von blutchemischen Untersuchungen.

(3)  EP-Entschließung vom 14. Juni 2012 (2012/2621(RSP)), P7_TA-PROV(2012)0262.

(4)  ABl. C 202 vom 8.7.2011, S. 7.

(5)  Stellungnahme des EWSA: Klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln, ABl. C 44 vom 15.2.2013.

(6)  Der französische Hersteller Poly Implant Prothèse (PIP) hat gegen die Vorschriften verstoßen, indem er in einigen seiner implantierbaren Produkte nicht zugelassenes Industriesilikon verwendete.

(7)  http://www.aok-bv.de/presse/medienservice/politik/index_06262.html

(8)  EP-Entschließung vom 14. Juni 2012 (2012/2621(RSP)); P7_TA-PROV(2012)0262.

(9)  Mitteilung des deutschen AOK-Bundesvorstands vom 12.1.2012.

(10)  Produkte, die aus nicht lebensfähigen menschlichen Zellen oder Geweben hergestellt wurden, Gentests, Implantate für ästhetische Zwecke usw.

(11)  COM(2012) 540 final.

(12)  COM(2012) 542 final.

(13)  COM(2012) 541 final.

(14)  COM(2010) 245 final/2 und ABl. C 54 vom 19.2.2011, S. 58.

(15)  COM(2010) 546 final und ABl. C 132 vom 3.5.2011, S. 39.

(16)  Siehe Anhänge II, III,V, IX, XII, XIV, in denen die Anforderungen an den Erhalt einer EU-Konformitätsbescheinigung ausgeführt werden.

(17)  Siehe Fußnote 3.

(18)  Siehe Fußnote 4.

(19)  Stellungnahme des EWSA: Klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln, ABl. C 44, 15. 2. 2013.


Góra