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Document 52008AE1659

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Abbau von Hindernissen für grenzüberschreitende Investitionen von Risikokapitalfonds KOM(2007) 853 endg.

ABl. C 100 vom 30.4.2009, p. 15–21 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

30.4.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 100/15


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Abbau von Hindernissen für grenzüberschreitende Investitionen von Risikokapitalfonds“

KOM(2007) 853 endg.

2009/C 100/03

Die Europäische Kommission beschloss am 21. Dezember 2007 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Abbau von Hindernissen für grenzüberschreitende Investitionen von Risikokapitalfonds“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 1. Oktober 2008 an. Berichterstatter war Herr MORGAN, Mitberichterstatter Herr DERRUINE.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 448. Plenartagung am 21.-23. Oktober 2008 (Sitzung vom 22. Oktober) einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Die Mitteilung der Kommission fasst zwei Schwerpunkte des Lissabon-Programms zusammen, nämlich die Gründung und das Wachstum innovativer Kleinunternehmen und die Integration der Kapitalmärkte der EU zur Finanzierung von Arbeit und zur Steigerung der Produktivität. Die Notwendigkeit, eine EU-weite Risikokapitalbranche zu entwickeln, wirkt als Katalysator für die Konvergenz dieser beiden Politikbereiche.

1.2   Die Mitteilung erläutert die laufenden Arbeiten. Es bedarf einer engen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission und der Risikokapitalbranche, um die unter Ziffer 3.6 genannten nächsten Schritte umzusetzen. Die Kommission wird 2009 im Anschluss an diese Arbeiten erneut Bericht erstatten.

1.3   Die Verfügbarkeit von Risikokapital ist kein Allheilmittel. Die Risikokapitalbranche ist an großen Investitionen interessiert, da eine kleine Investition genauso zeitaufwändig sein kann wie eine große. Daher ist diese Branche eher geneigt, Kapital für die Erweiterung von wachsenden Unternehmen zur Verfügung zu stellen, als für die Anschubfinanzierung von Neugründungen. Da die Risikokapitalbranche Kapital für die Anschubfinanzierung, Gründung und Expansion von Unternehmen bereitstellt, ist sie ein wichtiger Bestandteil der Lissabon-Strategie. Der EWSA unterstützt diese Initiative der Kommission. Der Zugang zu Risikokapital muss in den Mitgliedstaaten verbessert werden, in denen die Branche wenig entwickelt ist.

1.4   Die Risikokapitalbranche muss unbedingt die Möglichkeit haben, ihre Investitionen zu veräußern. Hierzu muss entweder ein gewerblicher Käufer, d.h. ein größeres Unternehmen, gefunden oder das Unternehmen über eine Börsenotierung an andere Investoren verkauft werden. Allgemein gesehen hat die EU das Problem, dass Investitionen in junge Kleinunternehmen als nicht attraktiv genug gelten. Der EWSA empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten den Privatpersonen über die Steuergesetzgebung Anreize für Investitionen in kleine Unternehmen bieten. Dies wiederum wird die Entwicklung von Börsen fördern, an denen Anteile kleiner Unternehmen gehandelt werden können. Bisher sind die einzigen solchen Börsen in der EU der „Alternative Investment Market“ (AIM) in London und der „Entry Standard“ der Deutschen Börse, obwohl es jetzt eine Initiative von Euronext gibt.

1.5   Da der AIM ideale Bedingungen für eine Börsennotierung dieser Unternehmen bietet, wird die Bereitstellung von Risikokapital für nicht börsennotierte Unternehmen sehr attraktiv. Der AIM bietet der Risikokapitalbranche den von ihr benötigten Exitkanal (d.h. eine Möglichkeit, ihre Beteiligungen zu veräußern). Eine der AIM ähnliche Börse könnte sich auch in anderen Mitgliedstaaten gut dazu eignen, Kapital für KMU zu beschaffen und mit Unternehmensanteilen zu handeln. Dies könnte ein wichtiger Wachstumsfaktor für Risikokapital auf den noch wenig entwickelten Märkten innerhalb der EU sein.

1.6   Auch wenn die Risikokapitalbranche notwendigerweise auf die Börse als Exitkanal ausgerichtet ist, sollte nicht unbedingt davon ausgegangen werden, dass ein Börsengang für jedes kleinere Unternehmen die beste Art der Veräußerung darstellt. Börsennotierte Unternehmen können Beteiligungskapital akquirieren und ihre Aktien sind die Währung für Übernahmen, gleichzeitig verlieren sie jedoch - besonders auf lange Sicht einen gewissen Handlungsspielraum aufgrund der Erwartungen, die der Markt an sie hat. Deshalb bietet Risikokapital nicht jedem kleineren Unternehmen eine vernünftige Zukunftsperspektive. Im Falle von KMU, die bereits mit Risikokapital ausgestattet, jedoch noch nicht für einen Börsengang bereit sind, kann der Rückgriff auf Replacement Capital eine Alternative bieten.

1.7   Die Risikokapitalbranche wird nicht den gesamten Bedarf an Startkapital bedienen, da diese Branche nur selektiv in Unternehmensneugründungen investiert. Diese Lücke kann teilweise durch öffentliche Risikokapitalgeber geschlossen werden, allerdings müssen auch dann noch Verwandte und Freunde des Unternehmers oder Einzelinvestoren („Business Angels“) aushelfen. Die Notwendigkeit, die Bereitstellung von Startkapital zu fördern, ist ein zweiter Grund, weshalb der EWSA der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten empfiehlt, steuerliche Anreize für private Investitionen in Unternehmensneugründungen zu schaffen.

1.8   Gemäß den Erläuterungen unter Ziffer 2 (Begriffsbestimmungen) ist Risikokapital technisch gesehen eine Art von privatem Beteiligungskapital. Der EWSA verweist nachdrücklich darauf, dass die Beseitigung der Hindernisse, die grenzüberschreitenden Tätigkeiten der Risikokapitalbranche entgegenstehen, nicht auch andere Tätigkeiten privater Beteiligungsfonds, etwa fremdfinanzierte Unternehmensübernahmen („leveraged buyout“), ohne entsprechende Sicherungsvorkehrungen fördern dürfen.

1.9   In einer früheren Stellungnahme (1) hat der EWSA bereits seinen Bedenken hinsichtlich möglicher Gefahren für die Beschäftigung (einschließlich der Arbeitsplatzqualität) Ausdruck verliehen, die von Transaktionen von privatem Beteiligungskapital ausgehen. Es ist überaus wichtig, dass solche Transaktionen grundsätzlich innerhalb des mit den Sozialpartnern in den einzelnen Mitgliedstaaten vereinbarten Verhandlungsrahmens durchgeführt werden. Dementsprechend ersucht der EWSA die Europäische Kommission, im Zusammenhang mit dieser Risikokapitalinitiative sicherzustellen, dass der soziale Dialog weiterhin an erster Stelle steht und dass die Richtlinie zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in diesen Fällen zur Anwendung kommt. Außerdem drängt der EWSA die Europäische Kommission zur Vorlage eines Vorschlags zur Aktualisierung der Richtlinie über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer, damit sie sich auch auf den Übergang von Unternehmen durch die Übertragung von Aktien erstreckt (2).

1.10   Hierbei handelt es sich um ein überaus wichtiges Anliegen, da „der gebräuchlichste Exitkanal (nämlich 39 %) die Veräußerung an einen gewerblichen Investor ist. An zweiter Stelle stehen die Verkäufe an andere Beteiligungsgesellschaften (24 %), die in den letzten zehn Jahren sichtlich an Bedeutung gewonnen haben“ (3).

2.   Begriffsbestimmungen

2.1   Der Mitteilung der Kommission liegt ein Arbeitsdokument bei, das ein ausführliches Glossar enthält. Im Folgenden werden einige Schlüsselbegriffe aus dem Bereich Risikokapital erklärt.

2.2   In der Risikokapitalbranche wird zwischen sechs allgemein anerkannten Investitionsarten unterschieden:

Mit Seed-Kapital wird die Finanzierung der Untersuchung, Lagebeurteilung und Ent-wicklung eines Unternehmenskonzepts bezeichnet.

Start-up-Kapital wird den Unternehmen in der Anlaufphase zur Produktentwicklung und Absatzplanung zur Verfügung gestellt.

Durch eine Wachstumsfinanzierung kann ein Unternehmen ausgebaut werden.

Replacement Capital (Ersatzfinanzierung) bezeichnet den Erwerb von Beteiligungen an einem bestehenden Unternehmen von einem anderen Investor privaten Beteiligungskapitals oder Anteilseigner.

Eine Unternehmensübernahme („Buy-Out“) beinhaltet den Kauf eines gesamten oder eines Teils eines Unternehmens von den bisherigen Anteilseignern. Dies kann unter Umständen darauf hinauslaufen, dass ein Unternehmen von der Börse genommen, d.h. in Privateigentum überführt wird. Bei einem Management Buy-out wird ein Unternehmen durch das vorhandene Management übernommen, üblicherweise unterstützt durch privates Beteiligungs- oder Risikokapital.

2.3   Mit Risikokapital werden Investitionen in nicht börsennotierte Unternehmen bezeichnet, die von Risikokapitalfonds getätigt werden. Diese Fonds werden als Geschäftsherren tätig und verwalten privates, institutionelles oder eigenes Geldvermögen. Die wesentlichen Investitionszeitpunkte sind die Frühphase (Vorbereitungs- und Anlaufphase) und die Expansionsphase. Risikokapital ist demnach professionell verwaltetes Geldvermögen, das zusammen mit dem Unternehmer in eine Unternehmensgründung oder -erweiterung investiert wird. Der Investor geht ein hohes Risiko ein, aber dafür ist bei diesen Investitionen mit größeren Gewinnmargen zu rechnen.

2.4   Streng genommen ist Risikokapital eine Art von privatem Beteiligungskapital. Private-Equity-Unternehmen können Risikokapitalinvestitionen tätigen, ihre Aktivitäten gehen jedoch über diese Sparte hinaus, da sie auch Replacement Capital bereitstellen und Übernahmen („Buy-Outs“) finanzieren. Der EWSA zeigt sich über die möglichen sozialen Auswirkungen dieser Aktivitäten besorgt.

2.5   Business Angels sind vermögende Privatpersonen, die direkt in neugegründete oder expandierende nicht börsennotierte Unternehmen investieren. Sie können mit ihrem Kapital die Tätigkeiten der Risikokapitalbranche ergänzen, indem sie die Anlaufphase eines Unternehmens (mit-)finanzieren.

2.6   Institutionelle Anleger sind Geldinstitute wie Versicherungsgesellschaften, Pensionsfonds, Banken und Investmentgesellschaften, die Geldvermögen von (üblicherweise) privaten Anle-gern verwalten und auf den Finanzmärkten anlegen. Sie verfügen über ein umfangreiches Vermögen und sind erfahrene Anleger.

2.7   Die Privatplatzierung ist ein Verkaufsverfahren für Anlageprodukte, bei dem Käufer und Verkäufer bei der Durchführung einer Transaktion von vielen bzw. allen Bestimmungen entbunden sind, die für öffentliche Anteilsveräußerungen gelten. Für Privatplatzierungsverfahren gelten im Allgemeinen bestimmte Kriterien, die die juristischen Personen erfüllen müssen, um zur Durchführung von Transaktionen unter diesen Bedingungen befugt zu sein. Diese Bestimmungen gelten üblicherweise für von institutionellen Anlegern (die per Definition erfahrene Anleger sind) getätigten Investitionen in von Risikokapitalunternehmen verwaltete Fonds.

2.8   Der Vorsichtsgrundsatz gestattet es Pensionsfonds, private Beteiligungs- bzw. Risikokapitalfonds in ihr Portfolio einzuschließen und sich dennoch entsprechend dem Risikoprofil ihrer Kunden zu verhalten. Mit anderen Worten ist der Pensionsverwalter dazu verpflichtet, das Geld seiner Kunden so anzulegen, wie er es mit seinem eigenen Geld tun würde. Dies beinhaltet eine vernünftige Diversifizierung des Portfolios, falls dieses auch Risikokapitalanlagen umfasst.

3.   Wesentlicher Inhalt der Kommissionsmitteilung

3.1   Aus den Statistiken der European Venture Capital and Private Equity Association (EVCA, die Interessenvertretung der Beteiligungskapitalgesellschaften Europas) geht hervor, dass Risiko-kapital beträchtlich zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt. EU-Unternehmen, in die privates Risiko- oder sonstiges Beteiligungskapital investiert wurde, haben in den Jahren 2000 bis 2004 eine Million neuer Arbeitsplätze geschaffen. Mehr als 60 % dieser Arbeitsplätze entstanden in Unternehmen, in die Risikokapital investiert wurde, und die Beschäftigung in diesen Unternehmen stieg um 30 % pro Jahr. Außerdem geben innovative wachstumsorientierte Unternehmen, die Risikokapital erhalten haben, im Durchschnitt 45 % ihrer Gesamtaufwendungen für FuE aus. (Der EWSA bemängelt, dass die Kommission keine unabhängigen Quellen zur Überprüfung dieser Analyse finden konnte. Dies wird unter 4.10 und 4.11 aus-führlicher dargelegt).

3.2   Das Potenzial der Risikokapitalmärkte in der EU wird nicht voll genutzt, und die Märkte stellen innovativen KMU in einem frühen Wachstumsstadium nicht genügend Kapital zur Verfügung. Das Fehlen einer Kultur von Beteiligungskapitalinvestitionen, Informationsprobleme, ein fragmentierter Markt, hohe Kosten und bislang ungenutzte Synergien zwischen Unternehmen und dem akademischen Bereich gehören zu den Hauptgründen für dieses Marktversagen. Die unterschiedliche Politik der Mitgliedstaaten führt zu einer beträchtlichen Marktfragmentierung, die sowohl die Mittelbeschaffung als auch die Investitionen in der EU beeinträchtigt.

3.3   Auch wenn die öffentliche Hand die Finanzierung von Innovation bis zu einem gewissen Grad fördern kann, so besteht die langfristige Lösung angesichts der Herausforderungen der Globalisierung jedoch nur in verstärkten Investitionen privater Geldgeber. Zu diesem Zweck müssen die Kommission und die Mitgliedstaaten die Rahmenbedingungen für Risikokapital-fonds verbessern, was einen Abbau ungerechtfertigter Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen einschließt.

3.4   Die Strategie zur Verbesserung der Bedingungen für grenzüberschreitende Investitionen beinhaltet freien Kapitalverkehr, bessere Bedingungen für die Kapitalbeschaffung, einen besseren Regelungsrahmen, Abbau steuerlicher Unterschiede sowie Fortschritte bei der gegenseitigen Anerkennung.

3.5   Das Glossar und der Bericht einer Expertengruppe, die der Mitteilung beiliegen, enthalten eine Analyse der Probleme und mögliche Lösungen (siehe Tabelle I).

Tabelle I

Problem

Mögliche Lösung

Kapitalbeschaffung und Verteilung (zwischen Investoren und Risikokapitalfonds)

Unterschiedliche nationale Normen zur Bestimmung qualifizierter Investoren im Bereich des privaten Beteiligungs- und Risikokapitals (institutionelle vs. private Anleger)

Einheitliche europäische Definition eines qualifizierten Investors (für institutionelle und private Anleger)

Unterschiedliche nationale Regelungen dazu, wo institutionelle Anleger investieren können (länderspezifische Beschränkungen)

Anwendung eines Vorsichtsgrundsatzes (Einführung des Vorsichtsgrundsatzes wie in der Richt-linie 2003/41/EG über Pensionsfonds definiert)

Schwierigkeiten bei der Vermarktung von privaten Beteiligungs- und Risikokapitalfonds in mehreren Mitgliedstaaten aufgrund der unterschiedlichen Behandlung von Privatplatzierungen/Ausnahmen von den Bestimmungen zu öffentlichen Angeboten in den einzelnen Staaten

Einheitliches europäisches Konzept für „Privatplatzierungen“

Steuerneutralität (zwischen dem Land, in dem der Risikokapitalfonds seinen Sitz hat, und dem Land, in dem investiert wird)

Komplizierte Fondsstrukturen je nach Land des Investors und des Unternehmens, in das investiert wird (zur Vermeidung von Doppelbesteuerung)

Besteuerung der Kapitalerträge im Land des Investors; Gleichbehandlung von direkten und Private Equity-Investoren; Gleichbehandlung von börsennotierten und nicht börsennotierten Beteiligungsgesellschaften.

Unterschiedliche Bestimmungen für und Anforderungen an Kapitalbeteiligungsfonds, damit Steuerabkommen auf sie anwendbar sind

Steuertransparenz: Liste gegenseitig anerkannter Fondsstrukturen (bzw. einheitliche Kriterien für die Mitgliedstaaten, anhand derer sie prüfen, ob Steuertransparenz gegeben ist);

Steuerneutralität: Für Kapitalbeteiligungsfonds, die als Gesellschaften mit beschränkter Haftung fungieren (nicht transparent), sollten Steuerabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung greifen; hierfür müssen einheitliche Anforderungen festgelegt werden.

Fachspezifische Normen (für Kapitalbeteiligungsfonds)

Unterschiedliche länderspezifische Regeln für Bewertung und Berichterstattung (höhere Kosten und mangelnde Vergleichbarkeit)

Empfehlung, die von der Branche selbst vorgegebnen fachspezifischen Normen anzuwenden (z.B. die der EVCA)

Probleme bei der Anwendung der IFRS (International financial reporting standards) auf Kapitalbeteiligungsfonds, insbesondere der Verpflichtung zur Konsolidierung

 

Ständige Niederlassung (des Komplementärs bzw. des Fondsmanager)

Der Komplementär (die Fondsverwaltungsgesellschaft) kann gezwungen sein, in dem Land eine Niederlassung zu haben, wo er in ein Unternehmen investiert (da er andernfalls steuerlich benachteiligt wäre)

gegenseitige Anerkennung von Verwaltungsgesellschaften bzw. „Pass“ für Verwaltungsgesellschaften;

langfristig gesehen Einführung eines „Passes“ für Verwaltungsgesellschaften

3.6   In diesem Zusammenhang sieht die Kommission folgende Schritte und Empfehlungen vor:

3.6.1   Zur Verbesserung der Mittelbeschaffung und der grenzüberschreitenden Investitionstätigkeit wird die Kommission

a)

nationale Ansätze und Hemmnisse für grenzüberschreitende Privatplatzierungen analysieren; ein Bericht über die Möglichkeit der Einführung eines europäischen Systems für Privatplatzierungen wird in der ersten Jahreshälfte 2008 vorgelegt werden (jetzt verschoben auf das dritte Quartal 2008);

b)

zusammen mit Experten aus den Mitgliedstaaten Fälle von Doppelbesteuerung und andere Hindernisse im Bereich der direkten Steuern ermitteln, die grenzüberschreitenden Risikokapitalanlagen in der EU entgegenstehen. Die Expertengruppe wird Ende 2008 Bericht erstatten;

c)

auf der Grundlage dieser Berichte die Möglichkeiten zur Festlegung gemeinsamer Kriterien untersuchen, um so einem EU-weiten Rechtsrahmen für Risikokapital näher zu kommen,

d)

und ferner prüfen, wie die Mitgliedstaaten bei der gegenseitigen Anerkennung unterstützt werden könnten.

3.6.2   Um der Marktfragmentierung entgegenzuwirken und die Bedingungen für die Beschaffung und Investition von Risikokapital zu verbessern, fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf,

a)

soweit dies nicht bereits der Fall ist, den Vorsichtsgrundsatz auf andere Arten internationaler Investoren, einschließlich Pensionsfonds, auszudehnen;

b)

eine Verständigung über die Merkmale von Risikokapitalfonds und qualifizierten Anlegern herbeizuführen und eine gegenseitige Anerkennung der nationalen Rechtsrahmen in Betracht zu ziehen;

c)

regulatorische und steuerliche Hindernisse durch Überprüfung der bestehenden Vorschriften oder Einführung neuer Rechtsvorschriften abzubauen;

d)

Zusammenarbeit und ein für alle Seiten akzeptables Maß an Aufsicht und Transparenz zu ermöglichen;

e)

die Entwicklung wettbewerbsfähiger Cluster voranzutreiben (nach dem Vorbild von Wissenschaftsparks)

f)

sowie liquide Exitmärkte zu fördern.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1   Außenstehende Betrachter der Risikokapitalbranche neigen dazu, diese in erster Linie als Kapitalgeber zu sehen, während die Branche jedoch neben der Investition ebenso sehr auch mit der Beschaffung von Kapital beschäftigt ist. Dementsprechend muss die EU-weite Integration von Risikokapitalfinanzierungen Investitionen in Risikokapitalfonds fördern und auch die spätere Auszahlung der betreffenden Investitionen erleichtern.

4.2   Da die Risikokapitalbranche davon lebt, hohe Renditen für ihre Investoren zu erzielen, besteht ihre Vorgehensweise darin, Mittel zu beschaffen, diese zu investieren und diese Investitionen beizeiten wieder zu veräußern, um den Investoren die erwartete Rendite auszuzahlen. Von der Investition bis zum Verkauf vergehen normalerweise sieben Jahre.

4.3   Die Risikokapitalbranche muss unbedingt die Möglichkeit haben, ihre Investitionen zu veräußern. Hierzu muss entweder ein gewerblicher Käufer, d.h. ein größeres Unternehmen, gefunden oder das Unternehmen über eine Börsenotierung an andere Investoren verkauft werden. Allgemein gesehen hat die EU das Problem, dass Investitionen in junge Kleinunternehmen als nicht attraktiv genug gelten. Der EWSA empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten den Privatpersonen über die Steuergesetzgebung Anreize für Investitionen in kleine Unternehmen bieten. Dies wiederum wird die Entwicklung von Börsen fördern, an denen Anteile kleiner Unternehmen gehandelt werden könnten. Bisher sind die einzigen solchen Börsen in der EU der „Alternative Investment Market“ (AIM) in London und der „Entry Standard“ der Deutschen Börse, obwohl es jetzt eine Initiative von Euronext gibt.

4.4   Die Verfügbarkeit von Risikokapital ist kein Allheilmittel. Die Risikokapitalbranche ist an großen Investitionen interessiert, da eine kleine Investition genauso zeitaufwändig sein kann wie eine große. Daher ist diese Branche eher geneigt, Kapital für die Erweiterung von wachsenden Unternehmen zur Verfügung zu stellen, als für die Anschubfinanzierung von Neugründungen. Als Beispiel hierfür wäre die britische traditionsreiche private Beteiligungsgesellschaft „3i Group PLC“ anzuführen: Ende März 2008 verkündete sie ihren Rückzug aus dem Geschäft mit der Anschubfinanzierung, ihrem Geschäftsbereich mit den schlechtesten Ergebnissen seit dem Platzen der Dotcom-Blase 2000. Sie hatte ihr Risikokapitalgeschäft zuvor bereits erheblich verkleinert, so dass Investitionen in Unternehmensneugründungen nur ein Zehntel ihres Portfolios ausmachten - 2000 war es noch die Hälfte. 3i hielt die Expansionsfinanzierung für erfolgversprechender und erklärte, die Gruppe werde sich fortan auf Buyouts, Wachstumskapital und Infrastruktur konzentrieren.

4.5   Die Risikokapitalbranche wird nicht den gesamten Bedarf an Startkapital bedienen, da diese Branche lediglich selektiv in Unternehmensneugründungen investiert. Diese Lücke kann teilweise durch öffentliche Risikokapitalgeber geschlossen werden, allerdings müssen auch dann noch Verwandte und Freunde des Unternehmers oder Einzelinvestoren („Business Angels“) aushelfen. Die Notwendigkeit, die Bereitstellung von Startkapital zu fördern, ist ein zweiter Grund, weshalb der EWSA der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten empfiehlt, steuerliche Anreize für private Investitionen in Unternehmensneugründungen zu schaffen, wie dies etwa im Rahmen des britischen Investitionssystems für Unternehmen („Enterprise Investment Scheme“) geschieht. Innerhalb dieses Systems werden für das eingesetzte Kapital Einkommensteuervergünstigungen gewährt, und Kapitalgewinne aus dieser Investition sind von der Steuer ausgenommen. Durch diese steuerlichen Anreize wird das Verhältnis zwischen Risiko und Ertrag für in junge Unternehmen investierende Privatpersonen günstiger.

4.6   Im Rahmen des britischen Systems gelten ähnliche Anreize für Investitionen von Privatpersonen in kollektive Investmentfonds, die Anteile an im AIM notierten jungen Kleinunternehmen halten. Investitionen in diese so genannten Risikokapitalfonds führen zu Einkommensteuervergünstigungen; für das investierte Kapital werden weder Ertrags- noch Erbschaftssteuern fällig.

4.7   Ähnliche Anreize werden Privatpersonen geboten, die direkt in eines der am AIM notierten Unternehmen investieren. Die Schaffung des AIM und die diesbezüglichen Steuervergünstigungen haben für einen erheblichen Auftrieb bei den Unternehmensgründungen im Vereinigten Königreich gesorgt.

4.8   Der AIM ist auf erste öffentliche Zeichnungsangebote junger Kleinunternehmen auf dem organisierten Kapitalmarkt spezialisiert. Hierdurch wird die Bereitstellung von Risikokapital für nicht börsennotierte Unternehmen im Vereinigten Königreich sehr attraktiv, da die Erstemissionen des AIM der Risikokapitalbranche die erforderlichen Exit-Möglichkeiten bieten. Die Schaffung von der AIM ähnlichen Einrichtungen, die die Märkte eines oder mehrerer Länder abdecken, könnte sich auch in anderen Mitgliedstaaten gut dazu eignen, Kapital für KMU zu beschaffen und mit Unternehmensanteilen zu handeln. Dies könnte ein wichtiger Wachstumsfaktor für Risikokapital auf den noch wenig entwickelten Märkten innerhalb der EU sein.

4.9   Der EWSA ist sich darüber im Klaren, dass eine Nachfrage nach Risikokapital vorhanden sein muss, damit die Risikokapitalbranche gedeihen kann. Dies heißt wiederum, dass in der gesamten EU die Zahl der Unternehmensgründungen und somit Unternehmertum und Innovation zunehmen müssen. Der EWSA konstatiert diese Bedenken lediglich. Es ist nicht Sinn und Zweck dieser Stellungnahme, die verschiedenen Aspekte von Unternehmertum und Innovation zu erörtern, sondern es soll lediglich nochmals darauf hingewiesen werden, dass durch die Schaffung steuerlicher Anreize die Zahl der Gründung kleiner Unternehmen steigen wird.

4.10   Der EWSA unterstützt zwar die Vorschläge zur Erleichterung grenzüberschreitender Aktivitäten der Risikokapitalbranche, bedauert jedoch, dass es keine verlässlichen Angaben aus unparteiischen Quellen gibt, auf die er sich bei seiner Bewertung beziehen könnte. Angesichts des „Fehlens einer klaren Trennung zwischen den Veränderungen im Bereich der Beschäftigung in von Risikokapitalfirmen kontrollierten Unternehmen und in solchen, die durch andere Formen von privatem Beteiligungskapitel finanziert werden,“ (4) legen unabhängige Studien in diesem Zusammenhang Vorsicht nahe.

4.11   In einer früheren Stellungnahme (5) hat der EWSA bereits seinen Bedenken hinsichtlich möglicher Gefahren für die Beschäftigung (einschließlich der Arbeitsplatzqualität) Ausdruck verliehen, die von Transaktionen von privatem Beteiligungskapital ausgehen. Mit privatem Beteiligungskapital finanzierte Unternehmen schaffen nach erfolgtem Buy-out (5 Jahre) ca. 10 % weniger Arbeitsplätze als vergleichbare Unternehmen (6). Es ist des Weiteren überaus wichtig, dass solche Transaktionen grundsätzlich innerhalb des mit den Sozialpartnern in den einzelnen Mitgliedstaaten vereinbarten Verhandlungsrahmens durchgeführt werden. Dementsprechend ersucht der EWSA die Europäische Kommission, im Zusammenhang mit dieser Risikokapitalinitiative sicherzustellen, dass der soziale Dialog weiterhin an erster Stelle steht und dass die Richtlinie zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in diesen Fällen zur Anwendung kommt. Außerdem drängt der EWSA die Europäische Kommission zur Vorlage eines Vorschlags zur Aktualisierung der Richtlinie über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer, damit sie sich auch auf den Übergang von Unternehmen durch die Übertragung von Aktien erstreckt (7).

5.   Besondere Bemerkungen zu den Vorschlägen der EU-Kommission

5.1   Es ist von großer Bedeutung, statistische Instrumente für eine bessere Erfassung des Phänomens der Hedge-Fonds und Private-Equities (privates Beteiligungskapital) sowie Indikatoren für die Corporate Governance zu entwickeln - sie alle sollten zumindest auf europäischer Ebene harmonisiert werden (8).

Vorschläge der Kommission zur Verbesserung der Mittelbeschaffung und der grenzüberschreitenden Investitionstätigkeit

5.2   Die Einführung eines europäischen Systems für Privatplatzierungen wird vom EWSA uneingeschränkt befürwortet, da es sich hierbei um eine wesentliche Grundlage für grenzüberschreitende Risikokapitalfonds handelt.

5.3   Das Hemmnis der Doppelbesteuerung muss beseitigt werden, da andernfalls grenzüberschreitende Investitionen von Risikokapital für die Risikokapitalbranche nicht attraktiv genug sind. Deshalb wartet der EWSA gespannt auf den Bericht der von der Kommission eingerichteten Arbeitsgruppe, die sich mit den Steuerfragen befasst.

5.4   Das Konzept eines EU-weiten Rechtsrahmens für Risikokapital ist dann attraktiv, wenn es dazu führt, dass die Mitgliedstaaten von anderen Staaten regulierte Risikokapitalfirmen akzeptieren. Dies wird für die gegenseitige Anerkennung förderlich sein und grenzüberschreitende Tätigkeiten der Risikokapitalbranche ohne ausufernde Bürokratie erleichtern. Angesichts der Bedeutung einer enger abgestimmten Steuerpolitik erachtet es der Ausschuss allerdings für notwendig, bei der Besteuerung der Fondsmanager Mindestsätze festzulegen, um Steuerdumping und wirtschaftliche Ineffizienz zu vermeiden.

An die Mitgliedstaaten gerichtete Vorschläge zur Verringerung der Marktfragmentierung und zur Verbesserung der Bedingungen für die Beschaffung und Investition von Risikokapital

5.5   Die Ausdehnung des Vorsichtsgrundsatzes ist eine wichtige Voraussetzung für die Kapitalbeschaffung, da die institutionellen Anleger die wichtigste Kapitalquelle sind. Es ist wichtig, dass die Mitgliedstaaten einen rechtlichen Rahmen schaffen, durch den dem Vorsichtsgrundsatz genügende Investitionen in Risikokapitalfonds von institutionellen Anlegern, insbesondere von Pensionsfonds, ermöglicht werden.

5.6   In Bezug auf die Regulierung und gegenseitige Anerkennung müssen die Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, damit bei den Initiativen der Kommission Fortschritte erzielt werden können.

5.7   Die Idee wettbewerbsfähiger Cluster steht im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Förderung von Unternehmergeist und Innovation. Hierbei geht es darum, dass Cluster innovativer Firmen aus Universitäten ausgegründet („Spin-outs“) und auf demselben Gelände wie diese angesiedelt werden. Derartige Entwicklungen sind für die Risikokapitalbranche sehr interessant.

5.8   Die Fragen in Zusammenhang mit liquiden Exitmärkten wurden bereits unter Ziffer 4 behandelt.

Brüssel, den 22. Oktober 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  ABl. C 10 vom 15.1.2008, S. 96.

(2)  Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 82 vom 22.3.2001, S. 16 - 20).

(3)  „Globalization of Alternative Investment: the global economic impact of private equity“ (S. viii), vom Weltwirtschaftsforum herausgegebene Studie, 2008.

(4)  Ebd., S. 43.

(5)  ABl. C 10 vom 15.1.2008, S. 96.

(6)  Ebd., S. 54.

(7)  Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. L 82 vom 22.3.2001, S. 16 - 20).

(8)  ABl. C 10 vom 15.1.2008, S. 96.


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