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Document 52003AE0929

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum "Zweiten Zwischenbericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt" (KOM(2003) 34 endg.)

ABl. C 234 vom 30.9.2003, p. 45–49 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

52003AE0929

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum "Zweiten Zwischenbericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt" (KOM(2003) 34 endg.)

Amtsblatt Nr. C 234 vom 30/09/2003 S. 0045 - 0049


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum "Zweiten Zwischenbericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt"

(KOM(2003) 34 endg.)

(2003/C 234/12)

Die Europäische Kommission beschloss am 30. Januar 2003, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: "Zweiter Zwischenbericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt".

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 23. Juni 2003 an. Berichterstatter war Herr Barros Vale.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 401. Plenartagung am 16. und 17. Juli 2003 (Sitzung vom 16. Juli) mit 114 gegen 1 Stimme bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Allgemeine Bemerkungen

1.1.1. Am 30. Januar 2003 veröffentlichte die Europäische Kommission ihren zweiten Zwischenbericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, der eine Vielzahl interessanter Statistiken enthält, die einen Überblick über die Lage in Europa geben, insbesondere hinsichtlich der für die Untersuchung dieses wichtigen Themas relevanten Indikatoren.

1.1.2. Der zweite Fortschrittsbericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt steht im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Vorschläge der Kommission für die Kohäsionspolitik nach 2006. Der erste Teil dieses Berichts dient der Aktualisierung der im zweiten Kohäsionsbericht und im ersten Fortschrittsbericht vorgenommenen Analyse des Zusammenhalts; der zweite Teil fasst den Stand der auf EU-Ebene geführten Debatte über die Zukunft der Kohäsionspolitik zusammen.

1.1.3. Abgesehen von den gesammelten, bearbeiteten und im Anhang zu diesem zweiten Zwischenbericht zusammengestellten Fakten untersucht die Kommission den derzeitigen Diskussionsstand zur aktuellen Lage und zu den Zukunftsaussichten, was derzeit im Rahmen der Reform der Regionalpolitik ab 2007 von besonderer Bedeutung ist.

1.1.4. In jüngster Zeit lieferten zahlreiche Akteure Beiträge zur Gestaltung dieser künftigen Regionalpolitik. Zu nennen sind hier die Beiträge des Rates, des Europäischen Parlaments, des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen sowie Seminare zu Themen wie Prioritäten für die EU und die Regionen, Prioritäten betreffend Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt, Berggebiete und Stadtgebiete.

1.2. Wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt: derzeitige Lage und Entwicklungstendenzen nach der EU-Erweiterung

1.2.1. Im Bericht wird festgestellt, dass trotz der in den letzten Jahren erreichten Fortschritte auf dem Gebiet des Zusammenhalts die Disparitäten zwischen den Mitgliedstaaten und insbesondere den Regionen weiterhin beträchtlich sind und in einem auf 25 Mitgliedstaaten erweiterten Europa noch gravierender sein werden.

1.2.2. Die im Bericht enthaltenen Daten zeigen eine Verdopplung der Einkommensunterschiede zwischen den reichsten und den ärmsten Regionen an. So beträgt das Verhältnis des Pro-Kopf-Einkommens zwischen den 10 % reichsten Regionen (die Regionen, die das höchste Einkommensniveau aufweisen und in denen 10 % der Bevölkerung leben) und den 10 % ärmsten Regionen (die Regionen, die das niedrigste Einkommensniveau aufweisen und in denen 10 % der Bevölkerung leben) 2,6 im Falle der EU-15, 4,4 im Falle der EU-25 und voraussichtlich 6 im Falle der EU-27.

1.2.3. Dem Bericht zufolge haben 48 Regionen in den derzeitigen Mitgliedstaaten (mit einem Anteil an der EU-Gesamtbevölkerung von 18 %) ein Pro-Kopf-Einkommen in Kaufkraftparitäten, das unterhalb der Schwelle von 75 % des EU-15-Durchschnitts liegt (Daten für 2000). In einem Europa mit 25 Mitgliedstaaten werden insgesamt 67 Regionen (Anteil an der EU-Gesamtbevölkerung: 26 %) ein Pro-Kopf-Einkommen unterhalb der 75 %-Schwelle haben; dabei werden nur 30 Regionen in den derzeitigen Mitgliedstaaten (Anteil an der Bevölkerung der EU-15: 12 %) als Ziel-1-Regionen gefördert werden.

1.2.4. In einem erweiterten Europa werden die regionalen Disparitäten auch im Beschäftigungssektor zunehmen. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote wird im Falle der 10 % der Bevölkerung der reichsten Regionen 2,4 % und im Falle der Bevölkerung der ärmsten Regionen 22,6 % betragen.

1.2.5. Auch das steigende Durchschnittsalter der Bevölkerung in einigen europäischen Ländern wird die durch die Erweiterung bewirkten Veränderungen verstärken.

1.2.6. Der Beitritt der Bewerberländer führt zu einer Reduzierung der Arbeitslosenquote innerhalb der Union und wirkt sich auf die sektorale Gliederung des Beschäftigungsmarkts in signifikanter Weise aus. Der Anteil des Agrarsektors am Arbeitsmarkt wird von 4,4 % in der EU-15 auf 5,5 % in der EU-25 (7,6 % in der EU-27) steigen. Hingegen nimmt der Anteil des Dienstleistungssektors ab, während der des Industriesektors nahezu unverändert bleibt.

1.2.7. Im Bericht wird auch festgestellt, dass es weiterhin beträchtliche Unterschiede zwischen Ländern und Regionen in Bezug auf die reale Konvergenz gibt. Dabei wird die ausgesprochen ungünstige Lage der derzeitigen Kohäsionsländer vor Augen geführt.

1.2.8. Im Falle dieser Länder verbindet sich ein niedrigeres Pro-Kopf-Einkommen mit einem niedrigeren Bildungs- und Ausbildungsniveau sowie einer geringeren Aktivität in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Innovation. Die Daten bezüglich der Zahl der Patentanmeldungen, der Nachfrage nach Patenten in High-Tech-Sektoren und der Forschungs- und Entwicklungsausgaben zeigen eine deutliche Kluft zwischen den Mitgliedstaaten. Besonders schlecht ist die Lage in den südeuropäischen Ländern, die bei einer Reihe von Indikatoren sehr niedrige Werte aufweisen, wobei die Ungleichgewichte auf regionaler Ebene noch erheblicher sind.

1.2.9. Andererseits unterstreicht der Bericht das wirtschaftliche Potenzial eines erweiterten Europa, das darauf zurückzuführen ist, dass die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate der Beitrittsländer in den meisten Fällen über der der gegenwärtigen Mitgliedstaaten liegt und die Beitrittsländer zur Anhebung des durchschnittlichen Bildungsniveaus in der EU beitragen.

1.3. Debatte über die künftige Kohäsionspolitik

1.3.1. Die Zusammenfassung der Debatte über die künftige Kohäsionspolitik im zweiten Teil des Berichts verdeutlicht die Bedeutung dieses Themas.

1.3.2. Gegenstand der Debatte sind vornehmlich die Ziele der Kohäsionspolitik und der Beitrag der übrigen Gemeinschaftspolitiken zur Verwirklichung dieser Ziele.

1.3.3. In der aktuellen Debatte scheint Konsens darüber zu bestehen, dass den am wenigsten entwickelten Regionen Vorrang einzuräumen und der Großteil der Finanzmittel, die der EU zu diesem Zweck zur Verfügung stehen, auf sie zu konzentrieren ist. Diese Priorität ist umso relevanter, als in der neuen Lage nach der anstehenden Erweiterung der Großteil der neuen Regionen unter den Begriff der Regionen mit Entwicklungsrückstand fallen wird, worunter nach den derzeitigen (seit 1989 geltenden) Kriterien, über deren Beibehaltung Einigkeit zu bestehen scheint, die Regionen verstanden werden, deren Pro-Kopf-BIP in Kaufkraftparitäten max. 75 % des EU-Durchschnitts beträgt. Indessen tauchen verschiedene Vorschläge und Ideen auf, dieses statistische Kriterium durch weitere zu ergänzen, wie etwa die Beschäftigungslage, die Höhe des Bevölkerungsrückgangs, die Produktivität, das nachgewiesene Niveau des Haushaltsvollzugs sowie die Randlage der betreffenden Regionen.

1.3.4. Diese Priorität bedeutet jedoch nicht, dass die von der EU bislang geförderten Maßnahmen außerhalb der Regionen mit Entwicklungsrückstand aufgegeben werden müssten. In diesen Regionen wurde viel über die erforderliche Anstrengung gesprochen, um krisengeschüttelten Stadtgebieten, wirtschaftsschwachen ländlichen Gebieten und sonstigen Regionen zu helfen, die aufgrund ihrer Beschäftigungslage, ihres Innovationsstandes, ihrer allgemeinen und beruflichen Bildungssituation, Forschung usw. anfällig sind und Hilfe brauchen.

1.3.5. Nach Auffassung des EWSA würde die weitere Förderung der nicht unter Ziel 1 fallenden Empfängergebiete nicht nur Gerechtigkeit in der Kohäsionspolitik bedeuten, sondern auch dem wichtigen politischen Aspekt dienen, die verfügbaren Mittel auf die verschiedenen Länder unabhängig davon zu verteilen, ob sie im Rahmen des Gemeinschaftshaushalts Nettoempfänger sind oder nicht.

1.3.6. In dem Bericht wird festgestellt, dass nur zwei(1) der vier im zweiten Kohäsionsbericht genannten Optionen, die Lösungen für etwaige Schwierigkeiten nach der Erweiterung vorsehen, breite Unterstützung finden und dass bei der im Jahr 2002 geführten Debatte die erste Option die meisten Befürworter fand.

1.3.7. Nach Aussage der Kommission sind die Vertreter der Regionen in äußerster Randlage und der Berg- und Inselregionen der EU der Auffassung, dass diese weiterhin als unterentwickelte Regionen klassifiziert werden müssen, auch wenn das Einkommensniveau über dem Förderniveau liegt. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass es sich bei dem erzeugten Wohlstand in einigen Fällen (insbesondere wenn sich Offshore-Unternehmen in diesen Regionen niederlassen) um scheinbaren und nicht um realen Wohlstand handelt.

1.3.8. Einige Optionen sehen vor, am Niveau der Beihilfen für nicht benachteiligte Regionen festzuhalten, entweder weil in vielen Gebieten weiterhin Probleme bei der Umstrukturierung und der Wirtschaftsentwicklung bestehen oder weil die Strukturfonds ein unerlässliches Instrument zur Förderung der regionalen Entwicklung in der gesamten EU darstellen. Einige Vorschläge zielen auf eine stärkere Dezentralisierung der derzeitigen kohäsionspolitischen Mittel ab.

1.3.9. Wissensvermittlung durch Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch wird ebenfalls als unerlässliches Element für Verbesserungen auf den verschiedenen Ebenen der Umsetzung der Kohäsionspolitik angeführt, vor allem jedoch als Mittel, um die Verbreitung bewährter Praktiken und Lösungen zu gewährleisten, die in vielen Teilen Europas auf vielfältige Weise entwickelt werden.

1.3.10. Die Frage der verfügbaren Finanzmittel ist von grundlegender Bedeutung, insbesondere im Rahmen der Erweiterung, und es scheint schon Konsens über das Ziel zu bestehen, einen Anteil von 0,45 % am Gemeinschafts-BIP für den Haushalt der Regionalpolitik als Grundlage, d. h. als Untergrenze für die Erfuellung der neuen Anforderungen zu betrachten.

1.3.11. Als allgemeines politisches Ziel der Union scheint auch die Idee breite Unterstützung zu verdienen, dass die Kohäsionspolitik selbst als kollektive Anstrengung zur Entwicklung der europäischen Gesellschaft mit allen Elementen der Strategie von Lissabon verzahnt werden muss.

1.3.12. Schließlich wird im Bericht die Notwendigkeit hervorgehoben, die Verwaltung der europäischen Programme gemäß den Grundsätzen der verantwortlichen, wirkungsvollen und ordnungsgemäßen Haushaltsführung zu vereinfachen, Maßnahmen zur Förderung der internationalen und interregionalen Zusammenarbeit mit dem Ziel einer ausgewogeneren Entwicklung des Gemeinschaftsgebietes fortzusetzen und den Beitrag der übrigen Gemeinschaftspolitiken zum Ziel des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts zu stärken.

1.3.13. Das angestrebte Ziel ist wohl die Vermeidung von Inkohärenz gegenüber anderen Gemeinschaftspolitiken und die Erreichung einer wirklichen Konvergenz der Maßnahmen und Instrumente. Noch sind wir weit davon entfernt, sagen zu können, dass die Landwirtschafts-, Fischerei-, Wettbewerbs- und Forschungspolitik perfekte Beispiele für dieses schon seit langem angestrebte Ziel seien.

2. Besondere Bemerkungen

2.1. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt Form und Stil des Berichts, der leicht zu lesen und zu analysieren ist und sich durch Objektivität, Kürze und Klarheit auszeichnet. Er erkennt ferner an, dass die Kommission große Anstrengungen unternommen hat, um ein Dokument zu erarbeiten, das in technischer und statistischer Hinsicht von hoher Qualität ist.

2.2. Er begrüßt auch die in den letzten Jahren auf dem Gebiet des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in der EU erzielten Ergebnisse.

2.3. Die im Bericht enthaltenen Statistiken zeigen eindeutig, dass die gemeinschaftliche Kohäsionspolitik eine entscheidende Rolle gespielt hat. Erheblichen Nutzen aus dieser Politik haben insbesondere die drei wirtschaftsschwächsten Mitgliedstaaten (Portugal, Griechenland und Spanien) ziehen können, in denen das Pro-Kopf-Einkommen von 67,8 % des Gemeinschaftsdurchschnitts im Jahr 1988 auf 78,1 % im Jahr 2001 angestiegen ist.

2.4. Es ist auch auf den Fall Irlands hinzuweisen, der eine "Erfolgsgeschichte" der gemeinschaftlichen Kohäsionspolitik darstellt. Die Entwicklung Irlands - vor allem aber die des BIP im Verhältnis zum EU-Durchschnitt - ist in jeder Hinsicht bemerkenswert.

2.5. Der Ausschuss nimmt jedoch mit Besorgnis zur Kenntnis, dass trotz der erreichten Fortschritte weiterhin erhebliche regionale Disparitäten innerhalb der EU bestehen und sich diese nach der Erweiterung noch verschärfen werden.

2.6. Dem Ausschuss erscheint es außerdem gerechtfertigt, künftig innerhalb der einzelnen Kohäsionsziele den Regionen mit den höchsten Arbeitslosenquoten bei der Zuteilung der Ressourcen Priorität einzuräumen.

2.7. Überdies müssen seiner Meinung nach beträchtliche Mittel in Produktionsprozesse fließen, um das nachhaltige Wachstum der Volkswirtschaften dieser Länder durch die Unterstützung der hierfür relevanten Tätigkeiten zu stärken.

2.8. Der Ausschuss teilt schließlich die Auffassung, dass die grenzüberschreitende internationale und interregionale Zusammenarbeit ausgebaut werden muss, um eine ausgewogenere Entwicklung des gesamten europäischen Gebiets zu fördern sowie die Synergie und Komplementarität der Gemeinschaftspolitiken mit der Kohäsionspolitik zu stärken. Alle Politiken müssen zum Ziel der wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion beitragen, ohne jedoch ihre eigentlichen Ziele zu vernachlässigen.

2.9. Er vertritt die Auffassung, dass die im Bericht enthaltenen Daten über nationale und regionale Unterschiede die Notwendigkeit vor Augen führen, in einer erweiterten Union noch größere Anstrengungen zur Verwirklichung des Kohäsionsziels zu unternehmen. Deshalb unterstützt er den Vorschlag der Kommission, Regionen mit Entwicklungsrückstand auch künftig Priorität einzuräumen.

2.10. Er tritt für eine Kohäsionspolitik ein, die sowohl den spezifischen Bedürfnissen der am stärksten benachteiligten Regionen der Beitrittsländer als auch den Bedürfnissen Rechnung trägt, die seitens der benachteiligten Regionen der EU-15 im Bereich der Wirtschaftsentwicklung weiterhin bestehen werden (auch wenn diese Bedürfnisse dann relativ gesehen geringer sein werden). Nach Auffassung des Ausschusses sollte auch der besonderen Situation der Regionen mit dauerhaften geografischen Nachteilen Beachtung geschenkt werden.

2.11. Er wertet es ferner positiv, dass die Optionen, die im Rahmen der Debatte des Jahres 2002 vorgeschlagen wurden, die Beibehaltung der Kriterien für die Förderung als Ziel-1-Region vorsehen, wobei diese durch ein spezielles System für Regionen ergänzt werden sollen, die zwar im Bereich der Wirtschaftsentwicklung weiterhin erheblich benachteiligt sind, aber aufgrund des statistischen Effekts der Erweiterung (d. h. aufgrund des Beitritts von Ländern, deren BIP unter dem derzeitigen durchschnittlichen Gemeinschafts-BIP liegt) nicht mehr als förderfähig gelten.

2.12. Er hält es für angezeigt, über die Notwendigkeit der Einführung weiterer Kriterien nachzudenken, die die derzeitigen Förderkriterien ergänzen und auf besondere Situationen ausgerichtet sein sollen. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Ziele von Lissabon und die Beschäftigungslage, vor allem die Entwicklung der Arbeitslosenquote in den derzeitigen Ziel-1-Regionen jetzt und in den kommenden Jahren.

2.13. Er vertritt die Ansicht, dass (ungeachtet der Frage der Schwelle für die Förderfähigkeit als Ziel-1-Region) die für die Kohäsionspolitik bestimmten Mittel in Höhe von 0,45 % des Gemeinschafts-BIP möglicherweise nicht ausreichen, um sowohl die neuen Mitgliedstaaten als auch die alten Mitgliedstaaten, die noch kein höheres Entwicklungsniveau erreicht haben, zu unterstützen.

2.14. De facto würden zur Deckung des Bedarfs der 10 neuen Mitgliedstaaten nur ca. 80 Mrd. EUR bereitgestellt. Selbst wenn einige Regionen nicht mehr gefördert werden sollten, dürfte die Summe von 340 Mrd. EUR (gegenüber 260 Mrd. EUR für den Zeitraum 2000-2006) nicht ausreichen, um eine bessere Politik zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts aller Regionen - sowohl der derzeitigen als auch der künftigen - zu erreichen.

2.15. Der Ausschuss ist deshalb der Auffassung, dass das künftige Finanzvolumen auf ein Niveau von oder über 0,45 % des Gemeinschafts-BIP angehoben werden sollte, um die Gefahr einer drastischen Reduzierung der Gemeinschaftszuschüsse für benachteiligte Regionen nach 2007 auszuschließen.

2.16. Falls an der Untergrenze von 0,45 % des Gemeinschafts-BIP - trotz des erhöhten Finanzbedarfs zur Überwindung des durch die Erweiterung verstärkten regionalen Ungleichgewichts - festgehalten wird, bedeutet dies, dass die am stärksten benachteiligten Regionen der EU-15 wegen der Kürzung ihrer Zuschüsse die Kosten der Erweiterung im Bereich der Kohäsionspolitik zur Gänze tragen müssen.

2.17. Dies trifft um so mehr zu, als ein beträchtlicher Teil der Fördermittel für die ärmsten Regionen in die reichsten Regionen zurückfließt, da die Güter und Dienstleistungen zur Durchführung der Projekte häufig extern erworben werden, d. h. in den reichsten Regionen, die Nettobeitragszahler der Strukturfonds sind. Anders gesagt: Die reichen Länder zahlen einerseits in die Strukturfonds ein; sie erhalten andererseits einen Teil dieser Beiträge durch die Lieferung von Gütern und Dienstleistungen zurück, die die Empfänger der Strukturfondsmittel zwecks Durchführung der Projekte erwerben.

2.18. Nach dem Dafürhalten des Ausschusses ist diese Situation in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht inakzeptabel, da sie dem Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Verteilung der Erweiterungskosten vollkommen zuwiderläuft.

2.19. Tatsächlich wurden sowohl im Delors-I- als auch im Delors-II-Paket die Mittel auf das Doppelte aufgestockt, ohne dass eine Erweiterung stattgefunden hätte. In Anbetracht der Erweiterung hingegen lässt die Kommission die nötige Courage vermissen.

2.20. Hierbei darf jedoch nicht übersehen werden, dass das Minimalziel von 0,45 % des BIP nur bei einem entsprechenden Wirtschaftswachstum erreicht werden kann. Nach Auffassung des EWSA muss dieser Problematik besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, insbesondere indem die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, um ein kurzfristiges Wachstum der Volkswirtschaften zu ermöglichen.

2.21. Zu den größten Herausforderungen der EU in den kommenden Jahren zählt nach Ansicht des Ausschusses eine Politik des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts, die sowohl den spezifischen Bedürfnissen der am stärksten benachteiligten Regionen der Beitrittsländer als auch den Regionen der EU-15 gerecht wird, die - auch wenn ihr Wohlstand dank der Erweiterung zunimmt - in Bezug auf ihre Wirtschaftsentwicklung weiterhin benachteiligt sein werden.

2.22. Nach Auffassung des Ausschusses behandelt der Bericht zwar zentrale Aspekte, die Debatte über die künftige Kohäsionspolitik ist aber längst noch nicht abgeschlossen. Da die Kohäsionspolitik wesentlich zur Integration von Völkern und Regionen der EU beiträgt, liegt es auf der Hand, dass sie über angemessene finanzielle Mittel verfügen sollte, um die neuen Herausforderungen bewältigen und so ihre Glaubwürdigkeit behalten zu können.

2.23. Der Ausschuss hält es für sehr wichtig, der Beteiligung der Wirtschafts- und Sozialpartner an der Umsetzung der Kohäsionspolitik besondere Aufmerksamkeit zu widmen. In dieser Hinsicht ist bisher wenig geschehen, und es gibt noch viel zu tun: Die Organisationen der Zivilgesellschaft sind bestens geeignet, die Entscheidungsfindung an die Realität, die sie mitgestalten wollen, anzupassen.

2.24. Die Bedeutung des Partnerschaftsabkommens wird auch von der Kommission selbst anerkannt, die den Ausschuss um eine Sondierungsstellungnahme zur konkreten Funktionsweise der Partnerschaft bei der Umsetzung der Strukturfonds ersucht hat.

2.25. Die Fragen der Funktionsfähigkeit, Vereinfachung und Transparenz von Prozessen sind im Rahmen dieser Arbeit für den Ausschuss ebenfalls von Interesse; des Weiteren muss zuverlässig wie nie zuvor untersucht werden, welche Herausforderungen mit der Erweiterung verbunden sind, welche Entwicklungstendenzen bei den Faktoren bestehen, die eine wirkliche Konvergenz ausmachen, insbesondere bei den so genannten dynamischen Wettbewerbsfähigkeitsfaktoren, und wie diese gefördert werden können.

2.26. Schließlich ist es nach Auffassung des Ausschusses von größter Bedeutung, dass die Kommission folgende Möglichkeit ernsthaft in Betracht zieht: Werden für die Fortsetzung der gemeinschaftlichen Kohäsionspolitik auf dem gegenwärtigen Niveau keine ausreichenden Mittel bereitgestellt, dürften viel längerfristigere Anstrengungen erforderlich sein, was mit höheren Kosten verbunden wäre und zu Ergebnissen führen würde, die der Öffentlichkeit nicht so leicht zu vermitteln wären.

Brüssel, den 16. Juli 2003.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger Briesch

(1) Eine Option sieht vor, an der derzeitigen Grenze von 75 % des durchschnittlichen Pro-Kopf-BIP in der erweiterten EU festzuhalten. Dies soll ergänzt werden durch ein Übergangssystem für Regionen, die in Bezug auf ihre Konvergenz nicht mehr als unterentwickelte Regionen in der EU-15 gelten können, und durch ein weiteres weniger strenges System für die Mehrheit der Regionen, die durch den statistischen Effekt benachteiligt werden. Eine andere Option sieht die Festsetzung des Förderniveaus auf über 75 % vor, um die Folgen des statischen Effekts zu mildern oder zu beseitigen.

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